Magnetit - eine lange Geschichte

Magnetit (Fe3O4) ist eines der ältesten bekannten, natürlich vorkommenden und kostengünstigen Materialien der Erde. Im Volumen zeigt es interessante Phänomene wie Ferrimagnetismus, Halbmetallizität und den Verwey-Übergang, bei dem sich fast alle Eigenschaften beim Abkühlen auf 123 K drastisch ändern. Fe3O4 spielt in vielen natürlichen und vom Menschen geschaffenen Prozessen eine wichtige Rolle. So sind beispielsweise Magnetit-Nanopartikel in den Schnäbeln von Brieftauben zu finden (man nimmt an, dass dies mit der Wahrnehmung des Erdmagnetfeldes zusammenhängt). Fe3O4-Partikel können mit Hilfe von Magneten durch im Körper transportiert werden, um Medikamente auf eine sehr lokale Weise zu verabreichen. Während die Eigenschaften der Partikel als Ganzes sehr gut untersucht sind, hat man sich mit den Oberflächen, die für die meisten Anwendungen von entscheidender Bedeutung sind, viel weniger beschäftigt.

Grundlegende Oberflächenchemie

Struktur der Magnetitoberfläche (100)

© Michael Schmid/IAP

Struktur der Magnetitoberfläche (100)

Unsere Gruppe ist an Fe3O4-Oberflächen interessiert, seit wir im Jahr 2000 das erste atomar aufgelöste Bild von Fe3O4(001) veröffentlicht haben. In den letzten zwei Jahren sind wir auf diese Oberfläche zurückgekommen und haben begonnen, die Oberflächenchemie im Detail zu untersuchen. Durch systematische Variation der Präparationsbedingungen fanden wir heraus, dass mehrere hochgeordnete metastabile Fe-terminierte Oberflächen erzeugt werden können. Die Möglichkeit, die Oberflächenstruktur auf diese Weise maßzuschneidern, bietet eine einmalige Gelegenheit, die Auswirkungen der Kationenkonzentration und -koordination auf die Oberflächenreaktivität zu untersuchen.

Bislang haben unsere Untersuchungen sehr interessante Ergebnisse erbracht. Wir haben festgestellt, dass die spezielle Oberflächenstruktur, die von der bekannten Volumsstruktur abweicht, eine große Rolle bei der Adsorption von Metallatomen und kleinen Molekülen spielt.

  • R. Bliem, E. McDermott, P. Ferstl, M. Setvin, O. Gamba, J. Pavelec, M. A. Schneider, M. Schmid, U. Diebold, P. Blaha, L. Hammer, G. S. Parkinson
    Subsurface cation vacancy stabilization of the magnetite (001) surface
    Science
    346, 1215 (2014); doi: 10.1126/science.1260556

Von einzelnen Adatomen zu Clustern in Katalysatoren

Einzelne Goldatome auf einer Magnetit-Oberfläche (STM-Bild)

© Michael Schmid/IAP

Einzelne Goldatome auf einer Magnetit-Oberfläche (STM-Bild)

Metalle wie Gold, Platin, Rhodium oder Palladium werden häufig als Katalysatoren verwendet, um bestimmte chemische Reaktionen zu beschleunigen und gewünschte Reaktionsprodukte mit hoher Ausbeute zu erhalten. Wenn sich die Atome des Katalysatormetalls zusammenballen, kommen die meisten Atome nicht mehr mit dem umgebenden Gas in Berührung und die katalytische Wirkung nimmt drastisch ab, aber diese Prozesse sind nur unzureichend verstanden. Während kleine Cluster hocheffiziente Katalysatoren sind, ist immer noch unbekannt, was im Extremfall passiert, wenn sich isolierte Metallatome auf der Oberfläche befinden - es war nahezu unmöglich, einzelne Metallatome auf einer Oxidoberfläche zu haben. Die Fe3O4(001)-Oberfläche ermöglicht es uns, sowohl isolierte Metallatome zu untersuchen, die bis zu überraschend hohen Temperaturen stabil sind, als auch die Prozesse, die zur Clusterbildung und zum Wachstum von Clustern führen.

  • Z. Novotný, G. Argentero, Z. Wang, M. Schmid, U. Diebold, G. S. Parkinson
    Ordered array of single adatoms with remarkable thermal stability: Au/Fe3O4(001)
    Physical Review Letters
    108, 216103 (2012); doi: 10.1103/PhysRevLett.108.216103

  • R. Bliem, J. Pavelec, O. Gamba, E. McDermott, Z. Wang, S. Gerhold, M. Wagner, J. Osiecki, K. Schulte, M. Schmid, P. Blaha, U. Diebold, G. S. Parkinson
    Adsorption and incorporation of transition metals at the magnetite Fe3O4(001) surface
    Physical Review B
    92, 075440 (2015); doi: 10.1103/PhysRevB.92.075440

  • G. S. Parkinson, Z. Novotny, G. Argentero, M. Schmid, J. Pavelec, R. Kosak, P. Blaha, U. Diebold
    Carbon monoxide-induced adatom sintering in a Pd–Fe3O4 model catalyst
    Nature Materials
    12, 724 (2013); doi: 10.1038/nmat3667

  • R. Bliem, J. van der Hoeven, A. Zavodny, O. Gamba, J. Pavelec, P. E. de Jongh, M. Schmid, U. Diebold, G. S. Parkinson
    An atomic-scale view of CO and H2 oxidation on a Pt/Fe3O4 model catalyst
    Angewandte Chemie International Edition 54, 13999 (2015); doi: 10.1002/anie.201507368

Die Entdeckung stabiler Adatome auf Magnetitoberflächen hat zu einem komplett neuen Forschungsgebiet geführt, der Einzelatom-Katalyse auf perfekt charakterisierten Oberflächen!

Hämatit

Oberflächen von Hämatit (schematisch), STM-Bild und Struturmodell der (012)-Oberfläche

© Florian Kraushofer & Michael Schmid

Oberflächen von Hämatit (schematisch), STM-Bild und Strukturmodell der (012)-Oberfläche

Im Gegensatz zu Magnetit ist Hämatit, Fe2O3, ein Halbleiter, mit einer Bandlücke von ca. 2 eV. Damit wäre es im Prinzip es ein ideales Material für die Nutzung der Sonnenenergie für die Wasserstoffproduktion ohne den Umweg über Elektrolyse! Leider funktioniert das in der Praxis nur mit sehr geringer Ausbeute, und es sind noch viele Forschungsergebnisse bis zur praktischen Anwendung nötig. Auch hier ist wieder die Oberfläche entscheidend! Fe2O3 ist auch in der Katalysatortechnik ein wichtiges Trägermaterial.

In der Literatur wird meistens die Fe2O3(001)-Oberfläche ("c cut") beschrieben; allerdings ist diese Oberfläche nicht sehr stabil und viele der (001)-Oberflächenstrukturen sind trotz vieler Anstrengungen noch immer unklar. Im Gegensatz dazu  ist die (012)-Oberfläche ("r cut") wesentlich stabiler und für viele Anwendungen auch wichtiger. Wir haben daher grundlegende Arbeiten zu dieser Oberfläche geleistet.

  • F. Kraushofer, Z. Jakub, M. Bichler, J. Hulva, P. Drmota, M. Weinold, M. Schmid, M. Setvin, U. Diebold, P. Blaha, G. S. Parkinson
    Atomic-scale structure of the hematite α-Fe2O3(11̅02) “r-cut” surface
    The Journal of Physical Chemistry C
    122, 1657 (2018); doi: 10.1021/acs.jpcc.7b10515
  • G. Franceschi, F. Kraushofer, M. Meier, G. S. Parkinson, M. Schmid, U. Diebold, M. Riva
    A model system for photocatalysis: Ti-doped α-Fe2O3(11̅02) single-crystalline films
    Chemistry of Materials
    32, 3753 (2020); doi: 10.1021/acs.chemmater.9b04908

  • F. Kraushofer, L. Haager, M. Eder, A. Rafsanjani-Abbasi, Z. Jakub, G. Franceschi, M. Riva, M. Meier, M. Schmid, U. Diebold, G. S. Parkinson
    Single Rh adatoms stabilized on α-Fe2O3(11̅02) by coadsorbed water
    ACS Energy Letters
    7, 375 (2022); doi: 10.1021/acsenergylett.1c02405