Presseaussendungen

Quantenforschung: Startschuss für neuen Spezialforschungsbereich

Wie kann man komplizierte Quantensysteme am besten erklären? Mit leichter handhabbaren Quantensystemen. Ein neuer SFB startet, zu Quantensimulatoren aus neutralen Atomen.

Teilchen und ein Laserstrahl, der eines davon trifft

© TU Wien

Vielteilchen-Quantensysteme

Mit neuen theoretischen Methoden werden auch Quantensysteme erklärbar, die aus vielen Teilchen bestehen

Die Quantenphysik hält immer noch große Rätsel und Überraschungen bereit. Besonders wenn es um Quantensysteme geht, in denen viele Teilchen miteinander wechselwirken, sind wichtige Fragen noch offen. Ein neuer Spezialforschungsbereich (SFB), finanziert vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, soll hier in den nächsten Jahren Antworten liefern: Prof. Thomas Pohl vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien wird das Projekt „Qnnect“ leiten, in dem erforscht werden soll, wie man neutrale Atome und Moleküle so manipulieren kann, dass sie wichtige quantenphysikalische Effekte zeigen, die man dann auch in anderen, weniger leicht steuerbaren Quantensystemen finden kann. 

Zu den Principal Investigators zählt auch Tim Langen (Atominstitut, TU Wien), sowie Forscher_innen der Akademie der Wissenschaften, der Universität Innsbruck, dem ISTA (Klosterneuburg) und der Universität Wien. Das Projekt ist mit über vier Millionen Euro dotiert und vorerst auf eine Dauer von 4 Jahren ausgelegt.

Ein Teilchen ist kompliziert – viele Teilchen sind unfassbar kompliziert

Als Erwin Schrödinger vor fast genau hundert Jahren erstmals seine „Schrödingergleichung“ niederschrieb – die Grundgleichung, auf der die moderne Quantenforschung beruht – beschrieb er damit zunächst das einfachste Quantensystem, das es gibt: Ein einzelnes Wasserstoffatom, mit einem einzelnen Elektron, das sich um einen Atomkern bewegt. Schon damals war klar: Kompliziertere Objekte, die aus mehreren Teilchen bestehen, sind unvergleichlich viel schwieriger zu beschreiben.

Bis heute ist die Vielteilchen-Quantenphysik ein äußerst herausforderndes Gebiet. Möchte man größere Atome oder Moleküle quantenphysikalisch analysieren oder gar die Eigenschaften neuer Materialien berechnen, werden die Formeln der Quantenphysik rasch so komplex, dass selbst die leistungsfähigsten Computercluster der Welt hoffnungslos überfordert sind.

Quanten simulieren – mit Quanten

Manchmal muss man aber die Formeln der Quantenphysik gar nicht lösen, um ein Quantensystem zu verstehen. Wenn ein Quantensystem zu kompliziert ist, um am Computer simuliert zu werden, dann gibt es noch eine andere Möglichkeit: Man kann es mit einem anderen Quantensystem simulieren. 

Die Idee geht auf den Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman zurück: Man kann maßgeschneiderte Quantensysteme entwickeln, die man nach Belieben anpassen kann. Dann beobachtet man, wie sie sich entwickeln, und kann auf diese Weise etwas über andere Quantensysteme lernen, die nicht so leicht angepasst werden können. Man übersetzt also ein experimentell schwer zugängliches System auf ein anderes System, das einfacher zu handhaben ist.

Analogexperimente gibt es auch in anderen Bereichen der Physik: Man kann Experimente mit Wasserwellen durchführen, um daraus etwas über Schallwellen zu lernen. Oder man kann in einem Strömungskanal Luftströmungen architektonischer Modelle analysieren, um vorherzusagen, welche Auswirkung der Wind auf das fertige Haus haben wird. Im Bereich der Quantenphysik ermöglichen solche Analogexperimente, die man als „Quantensimulatoren“ bezeichnet, Antworten auf Fragen, die auf andere Weise praktisch nicht zugänglich wären.

Neutrale Atome als Bausteine für neue Systeme

Das neue Forschungsprojekt soll nun ermöglichen, große Zahlen neutraler Atome und Moleküle als Quantensimulatoren zu verwenden. Sie können mit Laserstrahlen manipuliert werden, sie können über Distanzen, die für Quanten-Verhältnisse recht groß sind, miteinander wechselwirken. Sie lassen sich quantenphysikalisch miteinander verschränken. So kann man gezielt ein Vielteilchen-System aufbauen, mit dem sich eine ganz bestimmte Frage beantworten lässt.

Dazu ist auch ein sehr tiefes theoretisches Verständnis solcher Systeme nötig – daher arbeiten im neuen Spezialforschungsbereich experimentelle und theoretische Forschungsgruppen eng zusammen.

Rückfragehinweis:

Prof. Thomas Pohl
Institut für Theoretische Physik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 13670
thomas.e136.pohl@tuwien.ac.at 


Aussender:
Dr. Florian Aigner
Kommunikation
Technische Universität Wien
+43 664 60588 4127
florian.aigner@tuwien.ac.at