Presseaussendungen

Moleküle messen den Unterschied zwischen rechts und links

Wie symmetrisch sind die Naturgesetze? Das ist eine der großen Fragen der Physik. Tim Langen hat eine neue Methode entwickelt, das zu untersuchen – dafür erhält er einen ERC Consolidator Grant.

Tim Langen vor grauem Hintergrund

© T. Langen / TU Wien

Tim Langen

Gibt es einen physikalischen Unterschied zwischen rechts und links? Man könnte meinen, die Naturgesetze unterscheiden nicht nach Richtung. Doch schon seit den 1950erjahren weiß man: Die schwache Wechselwirkung, die etwa auch für Kernzerfälle verantwortlich ist, benimmt sich nicht perfekt symmetrisch. Das hat gewaltige Konsequenzen für die fundamentale Teilchenphysik – und ist auch mit der Frage verknüpft, warum es überhaupt Materie gibt.

Prof. Tim Langen vom Atominstitut der TU Wien hat eine neue Methode vorgeschlagen, solchen fundamentalen Fragen nachzugehen: Er verwendet spezielle Moleküle, die sich extrem gut kontrollieren lassen. Nahe am absoluten Temperaturnullpunkt reagieren sie auf kleinste Effekte der schwachen Wechselwirkung. Dafür bekommt Tim Langen nun einen ERC Consolidator Grant des European Research Council (ERC).

Kalte Moleküle als Werkzeug für die Teilchenphysik

Große Teilchenbeschleuniger wie der LHC am CERN haben wichtige Einblicke in die fundamentalen Gesetze der Teilchenphysik geliefert. Tim Langen untersucht ähnliche Fragen nun mit kompakten Präzisionsexperimenten im Labor: „Wir verwenden Bariumfluorid. Das ist für uns ein ideales Testmolekül“, sagt er. „Dieses Molekül ist ausreichend schwer, um winzige Effekte messbar werden zu lassen, aber gleichzeitig lässt es sich noch relativ gut abkühlen und festhalten.“ In den letzten Jahren sind seiner Forschungsgruppe wichtige Erfolge gelungen, die dieses Kunststück nun möglich machen.

Bariumfluorid-Moleküle werden in speziellen Fallen aus Laserlicht eingesperrt, wo sie für relativ lange Zeit stabil in einem bestimmten Quantenzustand verweilen. Man kann sie in einen Rotationszustand versetzen, der extrem sensibel auf die schwache Kernkraft reagiert. Auf diese Weise soll messbar werden, inwieweit die schwache Kernkraft zwischen „links“ und „rechts“ unterscheidet. 

Dass es diesen Unterschied gibt, ist bereits bekannt. Aber wie groß er genau ist – dazu liefern die wenigen Experimente, die es bisher gab, widersprüchliche Daten. 

Dabei ist diese Frage von größter Bedeutung für die moderne Teilchenphysik - und für uns alle: Mit dem Symmetriebruch zwischen links und rechts hängt nämlich indirekt auch ein anderer Symmetriebruch zusammen: Die Verletzung der Symmetrie zwischen Materie und Antimaterie. Würde sich beides exakt gleich verhalten, hätte nach dem Urknall gleich viel Materie wie Antimaterie entstehen müssen. Beides hätte sich ausgelöscht – und heute gäbe es keine Materie. Wir verdanken unsere Existenz also den Asymmetrien, die mit Tim Langens kalten Molekülen nun noch genauer untersucht werden können.

Tim Langen

Tim Langen leitet den Forschungsbereich für Kalte Moleküle und Quantentechnologien am Atominstitut der TU Wien. Er studierte Physik in Mainz und Marseille und promovierte 2013 an der TU Wien über die Dynamik eindimensionaler Quantengase. Forschungsaufenthalte führten ihn unter anderem an die École Normale Supérieure in Paris, an das JILA in Boulder (USA) und an die Universität Stuttgart, wo er eine eigene Nachwuchsgruppe aufbaute. Seine Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Rudolf-Kaiser-Preis, einem ERC Starting Grant und einem ERC Proof-of-Concept Grant. Seit 2023 ist er Professor an der TU Wien und baut dort ein breit vernetztes Forschungsprogramm im Bereich der kalten Moleküle auf.

Rückfragehinweis

Prof. Tim Langen
Atominstitut
Technische Universität Wien
+43 1 58801 141750
tim.langen@tuwien.ac.at

Text: Florian Aigner