Punktdefekte spielen eine Schlüsselrolle bei der Bestimmung der katalytischen Aktivität und der Transporteigenschaften. Ab-initio-Methoden haben mittlerweile eine Genauigkeit erreicht, die es ermöglicht, viele Defekte zu screenen und den optimalen Dotierstoff vor der experimentellen Umsetzung rechnerisch auszuwählen. Die Defektstruktur kann jedoch ein empfindliches Gleichgewicht zwischen Ladungsdelokalisierung und der Bildung von lokalisierten Bindungen oder Einzelpaaren darstellen. In GaAs (siehe Abbildung) führt beispielsweise die Tendenz eines S-Substitutionsdefekts zur Bildung eines einsamen Paares zu einem lochdotierten DX-Zentrum anstelle des erwarteten elektronendotierten Substitutionsdefekts [1].

Die prädiktive Behandlung nicht-trivialer Defektstrukturen stellt eine Herausforderung dar, da sie die Abbildung der gesamten potenziellen Defekt-Energie-Oberfläche (PES) erfordert. Diese Herausforderung muss bewältigt werden, da nichttriviale Defektstrukturen in 2D-Strukturen wie Graphen und MoS2 weit verbreitet sind und Defekte oft die aktiven Stellen in bindenden Einzelatomkatalysatoren sind. Gleichzeitig bieten Defekte in 2D-Materialien die einzigartige Möglichkeit der direkten Validierung von Defektstrukturen aufgrund der Abbildungsmöglichkeiten von STM/AFM.

Die Struktur und Lokalisierung der Elektronen (ELF) der Loch-gedopten getrennten Bindung des DX-Centers für S in GaAs.

© Georg Madsen

Die Struktur und Lokalisierung der Elektronen (ELF) der Loch-gedopten getrennten Bindung des DX-Centers für S in GaAs.

Ziele

Komplexe Defektstrukturen sind eine Situation, in der semi-empirische Beschreibungen nicht die notwendige Genauigkeit aufweisen, direkte ab-initio-Methoden aber nicht mit den Dimensionen der beteiligten Systeme zurechtkommen. Unser Ziel ist es, mit Hilfe von Algorithmen des maschinellen Lernens ``on-the-fly'' Potentiale zu entwickeln, die es globalen Explorationsalgorithmen ermöglichen, den Suchraum auf effiziente Weise zu erkunden. Der Algorithmus wird zur Vorhersage stabiler Strukturen von extrinsischen Defekten, wie Dotierstoffen oder katalytischen Stellen, und intrinsischen Defekten, wie Leerstellen und Korngrenzen, eingesetzt. Der direkte Vergleich der vorhergesagten atomaren Strukturen wird es ermöglichen, sowohl die entwickelten Potenziale als auch die Suchalgorithmen zu bewerten. Die auf diese Weise identifizierten wichtigsten Defektstrukturen werden dann mit experimentellen Daten verglichen.

Methoden

Für die Exploration der PES werden wir einen aktiven Lernansatz implementieren, der auf unserer Implementierung der evolutionären Strategie der Kovarianzmatrixanpassung [2] und einem automatisch differenzierbaren neuronalen Kraftfeld (NNFF) basiert [3]. Da NNFFs nur innerhalb ihres Trainingsbereichs verlässliche Ergebnisse liefern, ist eine aktive Lernstrategie erforderlich, bei der die Trainingsmenge immer dann erweitert wird, wenn der Explorationsalgorithmus seine Grenzen überschreitet. Die differenzierbare Implementierung bedeutet, dass das Training sowohl für Kräfte als auch für Energien durchgeführt werden kann, so dass relativ kleine Datensätze verwendet werden können. Die Unsicherheit der Vorhersagen, die für eine aktive Lernstrategie erforderlich sind, wird durch Kreuzvalidierung zwischen einem Ensemble von NNs quantifiziert. Wir gehen über frühere Arbeiten hinaus, indem wir unsere NNFFs mit globalen PES-Explorationsalgorithmen verbinden, die eine Bewertung der Partitionsfunktion ermöglichen.

Kollaborationen

Die Parkinson-Gruppe wird detaillierte experimentelle Informationen liefern über Atomstrukturen von Einzelatomkatalysatoren zur Verfügung stellen, die zum Benchmarking der entwickelten Potenziale verwendet werden. Die Methodik wird auch zum Verständnis der in der Diebold-Gruppe beobachteten Defektstrukturen und der Transporteigenschaften von Eigenschaften von Halbleiterbauelementen (Streuung und Ladungseinfang an Defektstellen) in Zusammenarbeit mit der Gruppe Grasser. Filipovic wird unsere Ergebnisse auch bei der Modellierung der Leitfähigkeit in MoS2-Monoschichten für Sensoranwendungen anwenden.

Betreuer 

Georg Madsen ist ein theoretischer Materialchemiker mit einem Forschungsschwerpunkt auf Defekten, Transporteigenschaften und elektronischer Strukturtheorie. Er hat zu den weit verbreiteten elektronischen Strukturcodes WIEN2k und  GPAW sowie an den Codes BoltzTraP2  und almaBTE Codes für die prädiktive Berechnung von  Transporteigenschaften beigetragen. Der Schwerpunkt lag dabei sowohl auf  Punktdefekten zur Vorhersage optimaler Dotierungsstrategien und ausgedehnten Defekte wie zum Beispiel Versetzungen. In jüngster Zeit hat die Gruppe  Methoden des Machine-Learnings zur effizienten Erkundung potenzieller Energieoberflächen angewandt.

Website

Gruppe Prof. Madsen

Literatur

  1. Ashis Kundu, Fabian Otte, Jesús Carrete, Paul Erhart, Wu Li, Natalio Mingo, and Georg K. H. Madsen, Effect of local chemistry and structure on thermal transport in doped GaAs, Phys. Rev. Materials 3, 094602, DOI: 10.1103/PhysRevMaterials.3.094602.
  2. M. Arrigoni and G. Madsen. Evolutionary computing and machine learning for discovering of
    low-energy defect configurations. npj Comp. Mat. 7, 71(2021). DOI: 10.1038/s41524-021-00537-1.
  3. H. Montes-Campos, J. Carrete, S. Bichelmaier, L. M. Varela, and G. K. H. Madsen. A differentiable neural-network force field for ionic liquids. Journal of Chemical Information and Modeling
    62, 88–101 (2022). DOI: 10.1021/acs.jcim.1c01380.