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Hochbewehrter Beton bewährt sich

Immer schlankere Pfeiler mit immer größeren Spannweiten liegen im Bautrend. Auch Architekten setzen vermehrt darauf. Am Institut für Stahlbeton und Massivbau an der Technischen Universität (TU) Wien wollte man es wissen: Wie kann die Belastbarkeit von Betonstützen bei gleichzeitiger Verringerung der Querschnittsabmessungen erhöht werden? Fazit der im europaweit größten Prüfrahmen dieser Art (Abb. 1) [FN01] durchgeführten Versuche Schleuderbetonstützen mit einem vergleichsweise hohen Stahlanteil im Beton - sprich Bewehrung - sind des Rätsels Lösung.

Abb. 1: Betonstütze in Europas größtem Prüfrahmen an der TU Wien

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Abb. 1: Betonstütze in Europas größtem Prüfrahmen an der TU Wien

Abb. 1: Betonstütze in Europas größtem Prüfrahmen an der TU Wien

Abb. 2: Schalung für Schleuderbetonstütze auf der Rollenbank

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Abb. 2: Schalung für Schleuderbetonstütze auf der Rollenbank

Abb. 2: Schalung für Schleuderbetonstütze auf der Rollenbank

Abb. 3: Eine Hälfte der Schalung mit eingelegter Bewehrung und Endplatten

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Abb. 3: Eine Hälfte der Schalung mit eingelegter Bewehrung und Endplatten

Abb. 3: Eine Hälfte der Schalung mit eingelegter Bewehrung und Endplatten

Abb. 4: ...Druckversuch...

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Abb. 4: ...Druckversuch...

Abb. 4: ...Druckversuch...

Abb. 5: Video zum Druckversuch

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Abb. 5: Video zum Druckversuch

Abb. 5: Video zum Druckversuch

Schleuderbetonstützen ab sofort im Bau einsetzbar

Maximal 9 % Stahl dürfen herkömmliche Stahlbetonstützen aufweisen. Diese Beschränkung ist erforderlich, um die Verarbeitbarkeit und den guten Verbund zwischen Beton und Stahl zu gewährleisten.

Will man die Tragfähigkeit erhöhen, was zwangläufig zu einer Erhöhung des Stahlanteils führt, muss man über den in den Normen zulässigen Höchstbewehrungsgrad hinausgehen. Baut man jedoch auf Schleuderbetonstützen (Abb. 2, Abb. 3) sind verblüffende Ergebnisse möglich. Bei sehr schöner Oberflächenqualität kann der Stahlanteil bei Schleuderbetonstützen bis zu 20 % betragen. Das haben die TU-Forscher in tonnenschweren Versuchen herausgefunden.

Dank ihrer Versuche und der erzielten Testergebnisse dürfen sich Schleuderbetonstützen [<link http: www.tuwien.ac.at forschung nachrichten>FN02] ab sofort am und im Bau bewähren. So erstmals im neuerbauten Unfallkrankenhaus (UKH) Linz, - geplante Eröffnung 2005 - wo 500 derartiger Betonstützen eine tragende Rolle spielen werden.

Weiterer Vorteil von Schleuderbetonstützten sie können bei gleicher Tragfähigkeit und gleichen Querschnittsbemessungen kostengünstiger als Verbundstützen produziert werden.

Hochbewehrte Schleuderbetonstützen im Test ...

In über 30 zerstörenden Druckversuchen (Abb. 4, Abb. 5) an der TU Wien wurden die Tragfähigkeit und das Verformungsverhalten der hochbewehrten Schleuderbetonstützen untersucht. Bei den Prüfserien wurden Querschnittsform (rund, quadratisch, oval), Querschnittsabmessungen, Länge der Stützen sowie Längs- und Querbewehrungsgrade variiert.

Der vor Modern-Times-Kameras (Modern Times, 25.10.2002, ORF2) durchgeführte Versuch wurde beispielsweise mit einer Prüfkraft von mehr als 1.000 Tonnen auf die Schleuderbetonstütze durchgeführt. Die Säule ist bei einer Belastung von 1.300 Tonnen gebrochen - ihre Tragfähigkeit wäre im Bauwerk nur auf die Hälfte ausgelegt worden. Wichtig sind den TU-Forschern aber nicht nur die Belastungstests, sondern auch das Nachbruchverhalten. Darunter versteht man die Tragfähigkeit der Stütze nachdem sie ihre maximal aufnehmbare Kraft überschritten hat. So sollte zumindest ein Teil des Gewichts von der geborstenen Säule abgefangen werden können.

Wer sich fragt, warum man im Zeitalter von 3D nicht einfach auf rechnerische Simulation zurückgreift, erhält hier die Antwort: wird das Verhalten eines Bauteils unter Einwirkungen, über die noch keine Erfahrungen vorliegen nur über numerische Simulation vorhergesagt, besteht die Gefahr, dass das tatsächliche Verhalten nicht richtig wiedergegeben wird. Im numerischen Modell sind nämlich wesentliche Parameter nicht enthalten.

... und die Konsequenzen in der Praxis

Die Firma MABA Fertigteilindustrie GmbH, Wöllersdorf betreibt ein Entwicklungsprojekt, um auf der Basis experimenteller Untersuchungen ein Bemessungskonzept für hochbewehrte Schleuderbetonstützen zu entwickeln. Die Firma hat sich 2000 mit ihrem Anliegen an das Institut für Stahlbeton und Massivbau der TU Wien gewendet und letztendlich ein positives Gutachten erhalten.

Darüber hinaus wird im Zuge dieser Entwicklung ein Regelwerk erarbeitet, das als Grundlage für eine ÜA-Kennzeichnung (Regelung über die Verwendbarkeit von Bauprodukten) dienen soll. Problem für Schleuderbetonstützen gab es bisher keine derartig anerkannte Norm. In der ÖNORM B 4705 „Fertigteile aus Beton“ sind Schleuderbetonstützen ausdrücklich ausgenommen. Je Bundesland war daher für die Verwendung eine Österreichische Technische Zulassung erforderlich, oder für jedes Bauvorhaben ein Gutachten im Einzelfall zu erbringen. Um die mit den Gutachten verbundenen zusätzlichen Kosten - respektive den administrativen Aufwand für neun Österreichische Technische Zulassungen - zu vermeiden, machen sich die TU-Forscher ans Norm-Werk. Mit einem entsprechenden Konformitätsnachweis wird die Brauchbarkeit und Verwendung von hochbewehrten Schleuderbetonstützen in allen Bundesländern einheitlich festgelegt.

[1] Der große Prüfrahmen der TU Wien (Einbau eines Betonzylinders mit einem Durchmesser von 80 cm und einer Länge von 320 cm) ist eine einzigartige Versuchsanlage, die das Aufbringen von sehr großen Druckkräften auf Bauteile und Konstruktionselemente ermöglicht. Der Rahmen wurde für eine maximale Druckkraft von 30.000 kN konstruiert. Mit der derzeitigen Ausstattung können Proben bis 20.000 kN geprüft werden. Der Prüfrahmen ist auch zum Aufbringen von Biegebeanspruchungen oder zur Belastung von Prüfkörpern mit einer Kombination von Druckkräften und einer Kraft quer zur Achse des Prüfkörpers geeignet. <link http: www.tuwien.ac.at forschung nachrichten>zurück

[2] Schleuderbetonstützen können bis zu einer Länge von 18 m mit Durchmessern zwischen 12 und 90 cm in einem Stück hergestellt werden. Nach dem Einbringen des Betons wird die Schalung geschlossen, auf die Schleuderstation gehoben und mit Hilfe von Elektromotoren in Rotation versetzt. Die mit Beton befüllte Schalung rotiert etwa fünf Minuten lang mit 400 bis 600 U/min. Infolge der Zentrifugalkraft verdichtet sich der Beton bei zuvor befüllter Schalung derart, dass im Inneren ein Hohlraum von etwa 1/3 des Durchmessers entsteht. <link http: www.tuwien.ac.at forschung nachrichten>zurück