Im Automotor, in Industrieanlagen, in Kraftwerken – es gibt viele Orte, an denen Abwärme entsteht, die einfach ungenutzt in die Umgebung abgegeben wird. Es gibt aber Materialien, die diese Abwärme nutzbar machen: Sogenannte Thermoelektrika können Wärmeunterschiede in elektrische Energie umwandeln. Auf der anderen Seite gibt es viele Anwendungen, bei denen nicht schnell genug abgeführte Prozesswärme die Performance beeinträchtigt: so ermöglicht aktive Kühlung durch Thermoleektrika etwa bei Computerchips eine dauerhaft höhere Rechenleistung (‚Overclocking‘).
Andrej Pustogow will dafür Materialien verwenden, von denen man lange Zeit gedacht hatte, dass sie für diesen Zweck völlig ungeeignet sind – nämlich Metalle. 2023 konnte er mit seinem Team zeigen, dass Legierungen aus Nickel und Gold überraschenderweise Thermoelektrizitäts-Rekorde erzielen.Bereits 2025 konnte sein Team mit demselben Konzept in günstigeren Materialien ohne Gold ähnlich gute Performance erzielen. Seine materialwissenschaftlichen Erkenntnisse wird er nun nutzen, um systematisch nach den besten Metall-Thermoelektrika zu suchen. Dafür erhält Andrej Pustogow vom Institut für Festkörperphysik der TU Wien nun einen ERC Consolidator Grant des European Research Council (ERC).
Energie aus Temperaturunterschieden
Thermoelektrika kann man überall dort verwenden, wo Temperaturunterschiede auftreten: Man verbindet mit dem Material eine heiße und eine kalte Seite – also etwa eine Industrieanlage, die Abwärme abgibt und die kühle Luft außerhalb der Fabrik – und die Ladungsträger im Material ordnen sich durch die Temperaturdifferenz so an, dass eine elektrische Spannung entsteht. Man bezeichnet das als „Seebeck-Effekt“.
Bisher bekannte Materialien, die diesen Effekt zeigen, hatten aber immer große Nachteile: Sie waren teuer, spröde, schwer zu verarbeiten und oft auch einfach nicht effizient genug. „Metalle könnten all diese Probleme lösen“, sagt Andrej Pustogow. „Allerdings sind Metalle üblicherweise auch sehr gute Wärmeleiter. Man dachte daher lange, dass sie für diesen Zweck nicht zu gebrauchen sind, weil die Temperaturen der kalten und der warmen Seite des Metalls einander zu schnell ausgleichen.“
Künstliche Asymmetrie
Das muss aber nicht so sein, konnte Pustogow mit seinem Team zeigen: „Wenn die Atome in ganz bestimmten geometrischen Mustern angeordnet sind, dann kann man erreichen, dass es eine besonders starke Asymmetrie im Material gibt: Positive und negative Ladungsträger verhalten sich dann völlig unterschiedlich. Wir führen im wahrsten Sinne des Wortes einen Stau der positiven Ladungen herbei, sodass sich nur noch die negativen Ladungen bewegen“, sagt Pustogow. Dadurch wird der Seebeck-Koeffizient, der angibt, wie effizient das Material als Thermoelektrikum arbeitet, massiv erhöht.
Im neuen ERC-Projekt will Pustogow mit seinem Team nun das Periodensystem der Elemente systematisch durchscannen und nach vielversprechenden Materialkombinationen suchen. Mit Computersimulationen wird man geeignete metallische Verbindungen und Legierungen identifizieren, die dann hergestellt und vermessen werden.
„Wir wollen die besten Thermoelektrika der Welt erzeugen, sie sollen robust, kostengünstig und industriell skalierbar sein – und mittelfristig auch in jedem Haushalt in Verwendung“, hofft Pustogow. „Damit wollen wir komplett neue Anwendungsgebiete erschließen, wie etwa aktive Kühlung von Mikroprozessoren, und die Thermoelektrik-Forschung in eine ganz neue Richtung bringen.“
Andrej Pustogow
Andrej Pustogow studierte Physik an der LMU München und an der ETH Zürich, wo er sich bereits intensiv mit elektronischem Transport und dem Seebeck-Effekt beschäftigte. Nach seiner Promotion mit Summa Cum Laude an der Universität Stuttgart forschte er als Postdoc an der Universität Stuttgart und später an der University of California, Los Angeles, ausgezeichnet durch ein Feodor-Lynen-Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung. Seine Arbeiten reichen von Quantenmagnetismus und unkonventioneller Supraleitung bis zu elektronischen Korrelationen und modernen thermoelektrischen Materialien. Für seine Forschung erhielt Pustogow viel internationale Anerkennung, darunter Publikationen in Nature, Science und PNAS. Seit 2020 ist er Professor an der TU Wien, wo er 2025 im Fach ‚Experimentalphysik‘ habilitiert hat. Sein Forschungsprogramm widmet sich der Entwicklung neuartiger Wege zum umfassenden Verständnis und der Kontrolle elektronischer Eigenschaften in Festkörpern.
Rückfragehinweis
Prof. Andrej Pustogow
Institut für Festkörperphysik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 - 131 28
andrej.pustogow@tuwien.ac.at
Text: Florian Aigner
