Dissertationsvorhaben von Dominik Wagner

Die Bestrebungen Österreichs, bis zum Jahre 2040 die Klimaneutralität des Gebäudebestands zu gewährleisten, stellen sich bisher als unzureichend dar. Um die im Gebäudesektor anfallenden THG-Emissionen zu reduzieren, muss in erster Linie die Gesamtenergieeffizienz gesteigert werden. Der Umstieg alleine auf nachhaltigere Energieträger genügt hingegen nicht, um die Klimaziele zu erreichen, da aufgrund der faktischen Kapazitätsgrenzen Erneuerbarer Energien die Energiewende ohne entsprechende Effizienzsteigerungen nur schwer bewerkstelligt werden kann. 

Der dringendste Handlungsbedarf besteht darin, die jährliche (energetische) Sanierungsrate des Gebäudebestands signifikant zu steigern. „Energieeffiziente“ Neubautätigkeiten unter Einbeziehung der sog „grauen“ Energie und Emissionen können unter Berücksichtigung der Lebenszykluskosten nicht die Lösung sein. Darüber hinaus gilt es, erneuerbare Energien umfassend zu integrieren und den Fokus auf Quartierslösungen zu richten. Auch wenn die Prinzipien und Ziele der notwendigen Nachhaltigkeitstransformation hinsichtlich der gebauten Umwelt gewiss sind, stellt sich die Frage ihrer politischen und rechtlichen Durchsetzbarkeit. Die Vielzahl involvierter Akteur:innen, die Bestandskraft verliehener Rechte und die Komplexität der technischen Zusammenhänge und Lösungen sind nur einige wenige Beispiele, die eine effektive Ausgestaltung des rechtlichen Instrumentariums erschweren.

Diese Problemstellungen sollen anhand der drei folgenden Themenkomplexen behandelt werden.

Wesentliche Weichenstellung im gebäudebezogenen Klimaschutz werden durch die Festlegung von Mindeststandards an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden getroffen. Die Festlegung von Grenzwerten wird jedoch keinen staatlichen und öffentlich legitimierten Stellen überantwortet, sondern geschieht zum überwiegenden Teil durch die Normungsarbeit Privater, insbesondere durch das Österreichische Institut für Bautechnik (OIB). Dieses Regelungsgefüge lässt sich nur unter großen Mühen in die von der österreichischen Verwaltungswissenschaft entwickelten Idealtypen der staatlichen Verwaltung einordnen. Darüber hinaus laufen diese Normkonkretisierungsprozesse Gefahr, unter dem Deckmantel der Regelung „technischer Details“ den Blick auf inhärente politische Willensentscheidungen zu verstellen. Es tuen sich somit demokratische und rechtsstaatlich Bedenken hinsichtlich der Legitimation derartiger Entscheidungen auf, insbesondere unter Berücksichtigung ihrer gesamtwirtschaftlichen und sozial Tragweite.

Der Fokus klimaschutzrechtlicher Maßnahmen im Gebäudesektor liegt derzeit gemäß dem in Österreich vorherrschenden Instrumentenmix auf der indirekten Verhaltensteuerung mittels informationeller und ökonomischer Instrumente (Energieausweissystem, finanzielle Förderungen durch Bund und Länder). Die Dringlichkeit effektiver Steuerung zur Erreichung der Paris-Ziele lässt jedoch die Einführung „interventionistischer“ Rechtsinstrumente zunehmend als angebracht erscheinen. Zuletzt hielt das deutsche Bundesverfassungsgericht in seinem sog „Klima-Beschluss“ mahnend fest, dass „selbst gravierende Freiheitseinbußen künftig zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und gerechtfertigt sein“ können (BVerfG 24.3.2021, 1 BvR 2656/18 ua, Rz 192). Hinsichtlich des Gebäudesektors befürwortet beispielsweise die Europäischen Kommission neuerlich die Ausweitung energetischer Sanierungspflichten auch auf Bestandsgebäude. Trotz der hohen „Treffsicherheit“ eines derartigen legistischen Handelns sind mit einem solchen Vorgehen Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Eigentums- und Bestand- bzw Vertrauensschutz, verbunden. Demnach gilt es zu prüfen, welche ordnungsrechtlichen Steuerungsmöglichkeiten überhaupt in Frage kommen und welchen (verfassungs)rechtlichen Kriterien diese entsprechen müssen. Damit einher geht die Notwendigkeit, eine Abwägung zwischen (verfassungs)gesetzlich gewährleisteten Rechten und der akuten aus der Klimakrise resultierenden Gefährdungssituation anzustellen.

Die Quartiersperspektive rückt auch bei der Ausgestaltung von Energieeffizienzmaßnahmen im Gebäudebereich ua aufgrund der auf dieser Ebene zu erzielenden Skaleneffekte immer weiter in den Mittelpunkt. Auch der Umstand, dass die nachhaltigen Energiesysteme der Zukunft auf neuen quartiersbezogenen Ansätzen der Energiebedarfsflexibilität und -speicherung fußen werden, lässt die rechtliche Erfassung von Quartierslösungen unumgänglich erscheinen. Die hierfür benötigten planerischen Instrumente sind bisher jedoch nicht ausreichend vorhanden. Im gebäudebezogenen Klimaschutzrecht werden Begebenheiten, die über die Gebäudehülle hinausgehen, bisher fast vollständig außer Acht gelassen. Mögliche Neukonzeptionierungen dieses Feldes gilt es daher hinsichtlich ihrer Rechtskonformität zu reflektieren. Um den Weg zu klimaneutralen Städten und Regionen zu ebnen, müssen die auf das Einzelgebäude konzentrierten Steuerungsansätze mit planerischen und auf die Strom- und Wärmenetze gerichteten Bestimmungen verzahnt werden.