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Woman in Science: Sonia Prado-López

Die Nanobiotechnologin spricht in einem persönlichen Interview über ihre Grundlagenforschung zu Krebszellen, den Nutzen für die Gesellschaft, ihre Prägungen und Gedanken dazu, was Frauen eine Karriere in den Naturwissenschaften anstreben lässt.

Sonia Prado-López in ihrem Labor. Sie trägt einen dunkelblauen Blazer mit schwarzem Oberteil.

© TUW

Sonia Prado-López

Die Nanobiotechnologin Sonia Prado-López im Interview

Sonia Prado-López ist Assistenzprofessorin am Institut für Festkörperelektronik. Sie betreibt Grundlagenforschung zur Entstehung, Ausbreitung und Kontrolle von Krebs und damit jener Krankheit, die zur zweithäufigsten Todesursache in Europa zählt. Die Wissenschaftlerin berichtet im Interview, welche Auswirkungen ihre Forschung auf die Gesellschaft haben wird oder darüber, was ihr frühes Interesse und ihre Liebe zur Natur und die Zugewandtheit ihrer Eltern mit ihrem Weg zu tun haben.

Womit beschäftigen Sie sich derzeit in Ihrer Arbeit?

Sonia Prado-López (SPL): Kurz gesagt: Mein wissenschaftliches Interesse liegt in der biomedizinischen Elektronikforschung mit Schwerpunkt auf grundlegenden wissenschaftlichen Fragen zur Entstehung, Ausbreitung und Kontrolle von Krebs. Aber auch in der Entwicklung und Anwendung innovativer mikro- und nanoelektronischer Lösungen für die Krebsfrüherkennung und
-behandlung. Ich habe meinen Schwerpunkt auf Darmkrebs (CRC) und metastasierende Melanome (MM) gelegt: Darmkrebs ist die zweithäufigste Krebstodesursache in Europa. Er verursacht mehr als 250.000 Todesfälle pro Jahr und die relative Fünf-Jahres-Überlebensrate beträgt 64,4 Prozent. Darüber hinaus weist Österreich innerhalb Europas eine höhere Inzidenzrate der Krankheit auf. Andererseits ist MM der aggressivste Hautkrebs. Jedes Jahr werden in Europa mehr als 100.000 neue Fälle diagnostiziert, und die Inzidenz des Melanoms steigt in vielen europäischen Ländern um 3 bis 7 Prozent. Es ist die dritthäufigste Krebserkrankung bei Frauen im Alter von 20 bis 39 Jahren und die zweithäufigste Krebserkrankung bei Männern im Alter von 20 bis 39 Jahren. Sie verursacht allein in Europa jährlich mehr als 22.000 Todesfälle.
In diesem Zusammenhang bin ich eine der Hauptforscher_innen des kürzlich bewilligten IraSME FFG-Projekts ELEVATE: Bioelectronic platform for personalized cancer therapy based on 3D printed spheroids and patient-derived microtumours.

Wichtige Säulen meiner Tätigkeit an der TU Wien sind außerdem die Lehre und das Mentoring von jungen Forscher_innen. Mir macht es große Freude, zur Ausbildung zukünftiger Generationen von Fachleuten und Wissenschaftler_innen beizutragen. Außerdem betreibe ich aktives Networking und teile meine Forschungsergebnisse mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft und der Gesellschaft indem ich Artikel verfasse. Und schließlich gehört auch das Schreiben von Förderansuchen zur Finanzierung meiner Forschung zu meiner täglichen Arbeit.

Welche Ergebnisse werden Ihrer Meinung nach aus Ihrer Arbeit entstehen und welche Auswirkungen könnten sie haben?

SPL: Ich denke, meine Forschung wird einen Einfluss auf die Gesellschaft haben, indem sie neue Wege für die Erforschung von Krebs, wirksamere pharmakologische Ansätze, eine höhere Lebenserwartung der Patient_innen und eine Kostensenkung bei der Krebsbehandlung eröffnet. Außerdem wird sie zu innovativen technologischen Produkten für die Krebsdiagnose und die Arzneimittelentwicklung führen. Was mich motiviert, ist die Zusammenführung des aktuellen Wissens in der Tumorbiologie, der Gewebezüchtung, der Mikrofluidik und der Elektronik zur Schaffung von „Ex-vivo“-Tumormodellen, die in ihrer Art einmalig sind. Die Idee ist, die Einfachheit und Unzulänglichkeit der derzeitigen Gewebekultur- und Tiermodelle zu überwinden, die bei der Erforschung von Krebs eingesetzt werden. Ein Beweis dafür ist, dass mehr als 90 Prozent der frühen klinischen Versuche nach erfolgreichen präklinischen Versuchen an Mäusen beim Menschen scheitern. Ein weiterer wichtiger Nutzen meiner Arbeit wird darin bestehen, den Einsatz von Tiermodellen in der Forschung zu verringern. Der ausgedehnte Einsatz von in-vivo-Modellen bedeutet nicht nur Tierleid, sondern auch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung für die Forschungseinrichtungen. Dies steht im Einklang mit der EU-Gesetzgebung, der Verordnung EU 2019/1010, die anregt, die Verwendung von Tierversuchen zu ersetzen, zu reduzieren und zu verbessern.

Wenn Sie zurückdenken, was war wichtig für Ihre Karriere? Wussten Sie bereits als Kind, was Sie werden wollten, und wurden Sie von Ihrer Familie geprägt und ermutigt?

SPL: Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mir schon als Kind dachte: "Ich werde Wissenschaftlerin". Ich erinnere mich aber daran, dass ich sehr neugierig auf die Natur war. Meine gesamte Kindheit bestand darin, die Natur zu beobachten und Zeichnungen über Tiere und Pflanzen anzufertigen. Ich liebte es, meine Großmutter an den Wochenenden zu besuchen, die ganze Zeit draußen zu sein und die Natur zu beobachten. Einmal bin ich weggelaufen, ohne meiner Großmutter etwas davon zu sagen. Ich wollte den Tag am Bach verbringen, zeichnen und Frösche fangen. Ich war sieben Jahre alt und blieb mehrere Stunden lang verschwunden. Nach vier Stunden fand man mich endlich. All meine wissenschaftlichen Erklärungen halfen nichts, meine Eltern bestraften mich mit einem mehrtägigen Fernsehverbot. Trotz oder gerade wegen dieses Vorfalls begannen meine Eltern, Bücher und naturwissenschaftliches Spielzeug für mich und meine Schwester zu kaufen, z. B. ein Spielzeugmikroskop, ein Spielzeugteleskop und das in Spanien beliebte Chemie-Spiel Quimicefa. Ich erinnere mich, dass man am 9. Februar 1986 den Halleyschen Kometen von der Erde aus sehen konnte. Ich war damals zehn und meine Schwester sieben Jahre alt. Laut den Nachrichten wird der Halleysche Komet uns das nächste Mal im Jahr 2061 besuchen. Das bedeutete, dass ich 85 und meine Schwester 82 Jahre alt sein würden, also beschlossen wir, den Halleyschen Kometen in dieser Nacht zu sehen. Wie es gelaufen ist? Wir sahen den Halleyschen Kometen nicht; unsere Mutter entdeckte uns nachts um 3 Uhr auf der Terrasse in unseren Schlafanzügen, mit Decken zugedeckt und mit dem Spielzeugteleskop. Meine Schwester und ich stritten uns darüber, wo Norden, Süden, Osten und Westen liegen würden. Ein paar Jahre später studierte meine Schwester Optik und Optometrie und ich Biologie. Ich denke, mit etwas Glück werden wir beim nächsten Mal den Halleyschen Kometen sehen, wir geben nicht so schnell auf!

Hatten oder haben Sie Vorbilder?

SPL: Natürlich habe ich Vorbilder! Die ersten Vorbilder in meinem Leben sind meine Eltern. Sie haben uns in Liebe aufgezogen und uns andere wichtige Werten wie Integrität, Ehrlichkeit, Freundlichkeit und Beständigkeit vermittelt. Meine Mutter führte einen Spielzeugladen und eine Familie. Sie half uns dabei, sowohl soziale, als auch Managementqualitäten zu erwerben. Mein Vater hat uns beigebracht, Dinge mit unseren eigenen Händen zu entwerfen und zu bauen, er war Tischler. Die Tischlerregel, die er mir beigebracht hat, versuche ich immer zu beherzigen: "Zweimal messen, einmal schneiden".

Durch welche Maßnahmen können junge Frauen zu einer wissenschaftlichen Laufbahn motiviert werden?

SPL: Das Bildungssystem und die Familien spielen in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle. Meiner Meinung nach sollte man die neuen Generationen ohne Geschlechterstereotype erziehen und naturwissenschaftliche und technische Themen von klein auf in den Lehrplan aufnehmen. Das wird die Zahl der jungen Frauen, die sich für einen Beruf im Bereich MINT (Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik) interessieren, erhöhen. Ein weiteres wichtiges Element sind sichtbare weibliche Bezugspersonen in der Wissenschaft zu haben. Es liegt in unserer Verantwortung als Frauen in der Wissenschaft, unsere Arbeit sichtbar zu machen, um die zukünftigen Generationen zu inspirieren und die Begeisterung in den Schüler_innen zu wecken.

Und schließlich, was ist Ihr Wunsch für die Zukunft?

SPL: Für die Zukunft wünsche ich mir Frieden und eine Welt frei von Kriegen und Ungerechtigkeiten, in der wir alle in Harmonie leben können. Außerdem, viele bewilligte Projekte!

Interview: Edith Wildmann