Geschlecht ist in unserer Gesellschaft dermaßen wichtig, dass bereits vor der Geburt stereotype Zuweisungen an das Kind gemacht werden. Bei Buben kann sich dies bereits mit dem Wunsch nach einem „Stammhalter“ bei den werdenden Eltern äußern und setzt sich fort, indem bei Buben typischerweise Autonomie gefördert wird, bei Mädchen hingegen eher Anpassung und Unterordnung. Stark unterstützt werden die stereotypen geschlechtsspezifischen Zuschreibungen mit Spielsachen, Kinderbekleidung und Kinderzimmereinrichtungen. Schon im frühen Kindesalter lernt das Kind, dass Eltern und das weitere soziale Umfeld geschlechtsspezifisches Verhalten von ihm erwarten.

Ein großes Übel für Buben beginnt in diesem Zusammenhang sehr früh und zieht sich meist kontinuierlich durch die ersten Lebensjahre: Sehr wenig Kontakt zu erwachsenen Männern. Dies beginnt mit der häufig üblichen Arbeitsteilung, bei der Frauen viel öfter mit den Kindern zu Hause bleiben, findet seine Fortsetzung im Kindergarten, Schule usw, wo die Bildungskräfte ebenfalls überwiegend weiblich sind. Dieses Fehlen von Männern im Leben der Buben führt oft zu Orientierungslosigkeit sowie auch zu Mythenbildung über Männliches. Sie müssen sich eine männliche Identität aneignen, um gesellschaftliche Normvorstellungen zu erfüllen. Was ein „richtiger Mann“ ist, bleibt dabei höchst unklar. Neben medial transportierten Superhelden (Spitzensportler, besonders erfolgreiche Manager,…) und Supermachos (Rocky, Rambo,…) dominieren Negativdefinitionen wie „Benimm dich nicht weiblich“, „Sei nicht schwul“ usw. Was genau damit gemeint ist, ist nicht klar definiert.

Klassische Merkmale von „Männlichkeit(en)“ beinhalten jedoch oft problematische Aspekte:

  • (Körper-)Kraft
  • offensives Agieren (im Gegensatz zu Reagieren und defensivem Verhalten)
  • Gewaltbereitschaft und Aggressivität
  • Mut, Risikobereitschaft und Abenteuerlust
  • Dominanz
  • Selbstbeherrschung (bis hin zu Gefühlskälte/Coolness)
  • technische und organisatorische Gaben
  • Rationalismus
     

Die Folgen dieses Männlichkeitsbildes im Alltag sind nicht selten starkes Machtstreben, Rivalitätsverhalten und hohe Risikobereitschaft. Im Folgenden werden einige daraus resultierende Problemfelder im Leben von Männern dargestellt.

Quelle: Gender Studies in den Ingenieurwissenschaften, Bente Knoll, Brigitte Ratzer, Wien, 2010

Balkendiagramm Altersstruktur in Österreich
  • In Österreich werden mehr Buben als Mädchen geboren. Auch im Alter von 15 bis unter 59 Jahren leben mehr Männer als Frauen. Mit steigendem Lebensalter verändert sich durch die höhere Lebenserwartung der Frauen die Geschlechterproportion immer stärker zugunsten des weiblichen Geschlechts.

Quelle: Statistik Austria / Statistik des Bevölkerungsstandes - Bevölkerung im Jahresdurchschnitt nach Alter und Geschlecht. Erstellt am 03.02.2023

  • Insgesamt steigt weiterhin die Lebenserwartung, Männer leben aber nach wie vor kürzer als Frauen

 

Balkendiagramm Lebenserwartung

Quelle: Statistik Austria, Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung, Demographische Indikatoren. Erstellt am 03.02.2023.

Tabelle Essgewohnheiten Männer & Frauen
  • Männer ernähren sich ungesünder. Sie greifen deutlich seltener zu Obst und Gemüse, essen aber täglich beinahe doppelt so viel Fleisch/Wurst wie Frauen.

Quelle: Statistik Austria, Gesundheitsbefragung 2019. Erstellt am 14.07.2020. – Bevölkerung in Privathaushalten im Alter von 15 und mehr Jahren.

  • 41,4 % der männlichen Bevölkerung ist übergewichtig, 27,9 % der weiblichen Bevölkerung. Bei Adipositas sind es 18,1 % Männer und 15,2 % Frauen.

Quelle: Statistik Austria, Gesundheitsbefragungen 2019

  • Männer rauchen etwas häufiger als Frauen. Frauen nähern sich allerdings dem Rauchverhalten von Männern immer mehr an.

Anteil der täglich Rauchenden ab 16 Jahren von 1972 bis 2019

  1972 1979 1986 1997 2006/07 2014 2019
Männer 38,7 35,3 34,6 30,0 27,5 26,7 23,7
Frauen 9,8 13,6 17,5 18,8 19,4 22,2 17,9

Quelle: Statistik Austria, Gesundheitsbefragung 2006/07, 2014 und 2019, Mikrozensus-Sonderprogramm "Rauchgewohnheiten der österreichischen Bevölkerung" 1972, 1979, 1986 und 1997. Erstellt am 14.07.2020. – Bevölkerung in Privathaushalten im Alter von 16 und mehr Jahren.

Frauen haben Männer in den letzten Jahrzehnten im Schnitt bei Bildungsabschlüssen deutlich überholt. Sowohl bei mittleren oder höheren Schulen als auch bei Hochschulen oder Akademien machen Männer weniger Abschlüsse als Frauen.

Wird die TU Wien jedoch einzeln betrachtet, zeigt sich ein völlig anderes Bild. Hier sieht man deutlich, was ein ganz generelles Phänomen ist: dass nämlich die Bildungsabschlüsse sehr ungleich über die verschiedenen Fächer und Bereiche verteilt sind. Dieses Phänomen der sogenannten horizontalen Segregation, also der Konzentration von Frauen bzw. Männern in bestimmten Ausbildungs- und Berufsfeldern, zeigt sich insbesondere im naturwissenschaftlich-technischen Bereich, der stark männlich dominiert ist.

Tabelle Bildungsniveau Österreich nach Geschlechtern

Quelle: Statistik Austria, Bildungsstandregister. Erstellt am 18.01.2023 

Tabelle Reifeprüfungsquote Österreich

Reifeprüfungsquote

Reifeprüfungsquote

Quelle: Statistik Austria, Schulstatistik. Erstellt am 02.02.2023. - Bestandene Reifeprüfungen (ohne Zweit- bzw. Folgeabschlüsse) gemessen am arithmetischen Mittel der 18- und 19-jähringen Wohnbevölkerung. 

Balkengrafik Frauenanteil Studienabschlüsse an öffentlichen Universitäten nach Fachrichtung

2023_Universitätsabschlüsse

Quelle: Statistik Austria, Hochschulstatistik. Erstellt am 19.02.2023

Laut Angaben von Statistik Austria erleben Frauen weitaus häufiger als Männer Gewalt in privaten Wohnräumen. Oft befinden sich Frauen in finanzieller Abhängigkeit durch ihre Rollen als Zuverdienerinnen. Verstärkt werden die Zwangssituationen durch Kinder, schlechte Ausbildung und/oder Migrationshintergründe. Insbesondere die Überwindung struktureller Gewalt erfordert eine umfassende Transformation der Gesellschaft auf allen Ebenen im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit.

Statistisch gesehen sind hingegen die meisten Opfer von außerhäuslicher Gewaltkriminalität männlich. Der Problematik männlicher Gewaltbetroffenheit – Männer gegen Männer aber auch Frauen gegen Männer – wird im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt.


An dieser Stelle sei der Begriff des „männlichen Opfers“ als kulturelles Paradoxon dargestellt: Entweder gilt jemand als Opfer oder er ist ein Mann. Die beiden Begriffe werden im System der Zweigeschlechtlichkeit auf der Basis der männlichen Sozialisation als unvereinbar gedacht. Es gehört zum Beispiel zur langjährigen Alltagskultur in Film und Fernsehen, dass Helden sich prügeln, um dem Guten gegen das Böse zum Sieg zu verhelfen. Jugendstudien belegen, dass viele männliche Jugendliche Wert darauf legen, dass sie vor Schlägen keine Angst haben und es nicht schlimm finden, verletzt zu werden, solange sie sich ehrenhaft behaupten. Solange diese Grundsätze in der Gesellschaft Bestand haben, wird Gewalt gegen Männer und Gewalt gegen Frauen mit zweierlei Maß gemessen. 

„Die eingeübte Praxis, Prügel unter Jungen als ‚ganz normale‘ Rangeleien und Rangordnungskämpfe abzutun, die Gewohnheit, Mädchen und Frauen eher als Opfer zu sehen, tragen zur sozialen Praxis der Fortschreibung der traditionellen Macht- und Geschlechterverordnung bei“. 1

Auch bei Verurteilungen gibt es geschlechterspezifische Unterschiede.
Viel mehr der verurteilten Personen sind männlich. Es lässt darauf schließen, dass männliche Rollenidentität Kriminalität begünstigt. 

Verurteilungen 1975 bis 2020

Grafik Verurteilungen bis 2020


Die Reflexion und in weiterer Folge Überwindung all der angesprochenen Themen kann zu einer Vielfältigkeit männlicher Lebensweisen führen jenseits der alltäglichen Zwänge und des gewaltbereiten Aggressionsgehabes.

Quelle: Gewalt gegen Männer als neues Thema in Forschung und Gesellschaft, Hans-Joachin Lenz IN: Gewalt. Beschreibungen – Analysen – Prävention, Bonn 2006, Wilhelm Heitmeyer, Monika Schröttle (Hrsg.)

1Brückenschläge zwischen den Geschlechtern und den Generationen, Carol Hagemann-White IN Zeitschrift für Frauenforschung und Geschlechterstudien 1-2/2005, S. 6-7

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Gender Equality – Männer sind mitgemeint