Seit Oktober 2023 hat die TU Wien im Fachbereich Student Support eine Ombudsstelle für Studierende, an die sich Betroffene wenden können. Vasiliki-Maria Archodoulaki und Kurt Matyas nehmen sich den Anliegen der Studierenden an und suchen gemeinsam mit den Betroffenen nach Lösungen. Kleine und große Probleme finden bei ihnen Gehör. Ein Gespräch über Zuhören und Begegnungen auf Augenhöhe.
Was hat Sie an der Stelle der Ombudsperson interessiert?
Kurt Matyas (KM): Es war für mich eher eine spontane Entscheidung mich als Ombudsperson zu engagieren. Ich kenne die TU Wien nun schon seit mehr als 20 Jahren, habe verschiedene Aufgaben übernommen und war in gewisser Weise als Studiendekan und später als Vizerektor Studium und Lehre oft mit ähnlichen Anfragen konfrontiert. Ich habe mich schlussendlich für diese Aufgabe entschieden, da ich Ungerechtigkeiten aufzeigen und etwas dagegen unternehmen möchte und damit den Studierenden helfen will.
Vasiliki-Maria Archodoulaki (VMA): Ich verspüre einen inhärenten Drang für Gerechtigkeit. Auch im 21. Jahrhundert sind Frauen noch immer häufig benachteiligt. Die Menschen kann ich zwar nicht ändern, aber ihr Bewusstsein dafür, dass eine Sache unrecht oder ungerechtfertigt ist. Außerdem verlasse ich gerne meine Komfortzone, lerne neues und versuche sinnvolles zu tun und etwas zu bewegen.
Welche Eigenschaften sollte man als Ombudsperson mitbringen?
VMA: Besonders wichtig ist, meiner Meinung nach, ein offenes Ohr. Vielen Menschen ist schon in gewisser Weise leichter, wenn sie jemanden haben, der ihnen zuhört. Außerdem müssen wir als Ombudspersonen empathisch sein und Vertrauen erwecken, nur so trauen sich Menschen, sich zu öffnen und offen über ihre Probleme zu sprechen.
KM: Es geht vor allem um wertschätzende Kommunikation, um Kommunikation auf Augenhöhe. Wir als Ombudspersonen sind eine neutrale, unabhängige Stelle, es ist leicht mit uns in Kontakt zu treten und wir behandeln jedes Thema, jedes Problem, egal ob klein oder groß vertrauensvoll.
Warum finden Sie es wichtig, dass die TU Wien diese Stelle ihren Studierenden anbietet?
KM: Mit der Ombudsstelle bieten wir eine zentrale Anlaufstelle, ein niederschwelliges Angebot für jede Person, die es braucht. Oft ist es nicht eindeutig, wo man sich in der jeweiligen Situation rasch Hilfe holen kann. Da kommen wir ins Spiel: wir hören zu, beraten und vermitteln zwischen Gesprächspartner_innen oder suchen konkrete Lösungsangebote heraus.
VMA: Wenn Menschen zu uns kommen, dann gibt es oft einen Konflikt. Sie suchen jemanden zum Reden, und freuen sich, wenn wir ihnen Raum und Zeit geben über ihre Schwierigkeiten zu sprechen. Sie fühlen sich ernstgenommen und merken, dass es auch uns ein Anliegen ist zu helfen.
Wie viel Zeit nimmt die Aufgabe der Ombudsperson ein?
VMA: Puh, das ist schwer zu sagen. Da wir erst seit Oktober im Amt sind, machen wir derzeit noch einige Termine zu zweit. Es gab auch zu Beginn Schulungen für uns, wir haben regelmäßig Jour Fixe Termine und müssen im Anschluss an die Gespräche auch dokumentieren, was geschehen ist.
KM: Ich würde sagen wir verbringen mindestens acht Stunden, also einen Arbeitstag, pro Woche mit unserer Aufgabe als Ombudsperson. Wie bei jeder neuen Herausforderung braucht man am Anfang mehr Zeit als später, wenn sich dann viele Abläufe schon eingespielt haben.
Wie können sich Betroffene an die Ombudsstelle wenden?
VMA: Über die Webseite beim Student Support. Dort füllen Betroffene ein Online-Formular aus und können im Formular auch eine Präferenz angeben, also ob sie lieber mit einer Frau oder einem Mann sprechen wollen. Sofort nachdem jemand eine Anfrage gestellt hat, bekommt er/sie eine automatische Antwort und weiß, dass die Anfrage bei uns eingelangt ist. Zeitnah bearbeiten entweder Kurt oder ich die Anfrage, suchen das Gespräch, das entweder vor Ort oder über Zoom stattfindet.
Die Anfragen können übrigens anonym oder unter Angabe von Namen und E-Mail-Adresse erfolgen. In beiden Fällen reagieren wir auf die Anfrage und versuchen diese bestmöglich zu lösen. Im Hinblick auf eine Rückmeldung ist es jedoch sinnvoll, zumindest eine E-Mail-Adresse anzugeben über die wir mit den Betroffenen in Kontakt treten können. Es muss nicht zwingend eine E-Mail-Adresse mit Namen sein, es kann auch ein Kürzel oder ein Fantasiename sein, wichtig ist, dass die Adresse zu einem E-Mail-Postfach gehört, das regelmäßig kontrolliert wird.
KM: Wenn wir das Problem kennen, versuchen wir entweder direkt eine Lösung zu finden oder treten mit den Personen in Kontakt, mit denen es Probleme gab. Ein paar Beispiele vielleicht zum besseren Verständnis. Bei einer Anfrage ging es um das Thema Unterstützung in Mathematik. Wir haben der Person den Kontakt zum fachlichen Mentoring hergestellt. In anderen Fällen müssen wir beispielsweise erst den Kontakt zu den Lehrveranstaltungs-Leiter_innen suchen, wenn es dort Missverständnisse oder Schwierigkeiten gibt. Das dauert dann etwas länger, aber jede Anfrage wird von uns ernstgenommen, wird bearbeitet und wir geben verlässlich Rückmeldung bzw. stehen über einen längeren Zeitraum regelmäßig in Kontakt mit den Betroffenen. Auch infrastrukturelle Probleme, also beispielsweise wo Zugänge zu Räumen barrierefrei gemacht werden müssen, Beleuchtung nachjustiert werden soll oder ähnliches nehmen einen längeren Zeitraum in Anspruch.
VMA: Ich sag’s einmal so, wir sind sehr bemüht, für alle Anliegen eine zufriedenstellende Lösung zu finden, aber zaubern können wir nicht. Wir sind eine große Gemeinschaft von fast 30.000 Personen auf der TU, da sind die Ansichten und eben auch die Schwierigkeiten sehr vielfältig. Es ist uns wichtig die Anonymität zu bewahren, bei schweren Fällen ist es aber nicht immer möglich, die Anonymität zu gewährleisten, beispielsweise bei der Weitergabe der Anliegen im Rektorat. Weiters ist es bei schweren Fällen für die betroffenen Personen unangenehm, zwei Mal über ihre schlechten Erfahrungen zu berichten. Aber es führt daran leider kein Weg vorbei, nur durch dieses mehrstufige Verfahren können wir allen Betroffenen die bestmögliche Lösung und Betreuung zukommen lassen.
Wie viele Anfragen sind bisher ungefähr eingetroffen und zu welchen Themengebieten?
KM: In den ersten zwei Monaten waren es ungefähr 30 Fälle, von denen gut die Hälfte bereits gelöst sind und die anderen noch laufen. Die Themen sind sehr unterschiedlich und reichen von Schwierigkeiten bei LVAs oder Konflikten bei der Betreuung von Arbeiten bis zu Diskriminierung, Belästigung oder psychologischen Belastungen.
VMA: Einige Fälle können wir recht schnell lösen, bei anderen Themen tauschen wir uns miteinander aus oder müssen externe Expert_innen wie beispielsweise Psycholog_innen einschalten. Manche Themen lassen sich auch nicht gleich final abhandeln, da brauchen Personen eventuell über einen längeren Zeitraum Unterstützung.
Ist geplant, bei Erfolg die Ombudsstelle auszubauen?
KM: Seit 1. Dezember haben wir Unterstützung durch Vanessa Pohl, einer studentischen Mitarbeiterin, die uns in der Administration und bei der Fallbearbeitung hilft. Weiters ist geplant, nicht nur für die Ombudsstelle, aber für den gesamten Fachbereich Student Support zeitnah einen Servicedesk einzurichten, also physisch einen Platz zu schaffen, wo die Kolleg_innen des Bereichs persönlich vor Ort zu erreichen sind. Außerdem wollen wir einen Raum für die vertraulichen Gespräche einrichten.
Die Ombudsstelle ist auch eine wichtige Schnittstelle zu anderen universitären Bereichen wie der HTU, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, dem AKG, dem Rektorat und den Vizerektoraten oder der GUT, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster. Nur gemeinsam und mit der Unterstützung unserer Kolleg_innen können wir etwas verändern.
VMA: In den Gesprächen, die wir bisher geführt haben, konnten wir immer eine gute Lösung finden. Die Kolleg_innen waren einsichtig und gesprächsbereit, das ist genauso wichtig, wie unser Zuhören. Denn ohne Zuhören von unserer Seite und der Einsicht von den handelnden Personen ginge gar nichts voran.