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Duschen im Weltraum funktioniert nicht!

Warum es nicht klappt, was man sonst noch über den Weltraum und Weltraumarchitektur wissen muss und was der MBA Space Architecture bietet.

Beispiel für Weltraumarchitektur: kugelförmige Bauten auf extraterrestrischer Planetenoberfläche (CYCLOPShub, ein Konzept der Architekturstudenten Ottokar Benesch, Daniel Galonja, Thomas Milchram und Vittorio Rossetti.)

© Benesch_Galonja_Milchram_Rossetti

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CYCLOPShub, ein Konzept für eine Mondbasis der Architekturstudenten Ottokar Benesch, Daniel Galonja, Thomas Milchram und Vittorio Rossetti.

Modell der Raumstation R3-DEBRIS

© Ivan Matas

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Modell der Raumstation R3-DEBRIS

Porträt Dr. Häuplik-Meusbuger

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Dr. Sandra Häuplik-Meusburger, Weltraumarchitektin und Leiterin des TU Wien ACE MBA Space Architecture

Lunar Port and Base HAVEN Modell Sabrina Kerber

© Sabrina Kerber

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Lunar Port and Base HAVEN Modell von Sabrina Kerber

FLEXhab working module (Prototype) von Manfred Thallner

© Manfred Thallner

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FLEXhab working module (Prototype) von Manfred Thallner

Gibt es Leben außerhalb des Planeten Erde? Werden wir einmal auf dem Mars wohnen? Kann Weltraumarchitektur das Leben auf der Erde verbessern? Schon seit mehreren Jahrzehnten stellen Menschen diese oder ähnliche Fragen und sind vom Weltraum fasziniert. An der Academy for Continuing Education (ACE) können Interessierte einen MBA in Weltraumarchitektur absolvieren. Der MBA ist der erste dieser Art in Europa. Die Leiterin des Lehrgangs, Senior Lecturer Dipl.-Ing.in Dr.in-Ing.in Sandra Häuplik-Meusburger, verrät im Interview, was Weltraumarchitektur ist, warum das Forschungsfeld so spannend ist und was Studierende bei diesem MBA erwartet.

Was kann sich ein Laie unter dem Begriff „Weltraumarchitektur“ vorstellen?

Sandra Häuplik-Meusburger: Der Begriff Weltraumarchitektur wurde vom The Space Architecture Technical Committee, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster (SATC) beim Weltraumkongress in Houston vor 20 Jahren klar definiert und bezieht sich auf das Planen und Bauen für ein Leben außerhalb der Erde, aber auch auf spezielle Bauten auf der Erde für extreme Lebensräume wie beispielsweise für Bauten in der Arktis, in der Wüste oder unter Wasser. Bei diesem Kongress war ich eine der 50 Teilnehmer_innen, derzeit bin ich Vorsitzende dieses Committees. Noch besser beschreibt die englische Definition den Begriff "space architecture", da sie noch weiter gefasst ist.

Im Prinzip ist Weltraumarchitektur ein Teil von Architektur für den man sich spezielles Wissen aneignen muss, denn ich kann im Weltall nicht so wie auf der Erde bauen. Das hat mehrere Gründe: Einerseits fehlt die Gravitation, andererseits muss ich mit weniger Ressourcen als auf der Erde auskommen. 
Um ein paar Beispiele zu nennen: Auf der Erde sind wir duschen gewohnt, was aber in einem Habitat im Weltraum nicht funktionieren würde. Durch die fehlende Gravitation fließt das Wasser nämlich nicht von oben nach unten, sondern überall hin. Oder denken wir ans Schlafen. Hier auf der Erde legen wir uns zum Schlafen ins Bett, im Weltraum kann ich prinzipiell in jeder Position schlafen, da es durch die fehlende Gravitation kein Oben oder Unten gibt. Um in den Kopfpolster unter meinem Kopf zu sinken, müsste ich diesen allerdings festbinden. Viele kennen das Phänomen, dass der Kugelschreiber oder Bleistift am Schreibtisch plötzlich unauffindbar ist. Mit ziemlicher Gewissheit kann man aber sagen, dass er sich irgendwo auf dem Schreibtisch oder darunter befindet, im Weltraumhabitat kann er allerdings überall sein.

Bei den Ressourcen bin ich sehr viel eingeschränkter als auf der Erde. Ich habe nämlich nur das zur Verfügung, was ich vor Ort vorfinde oder von der Erde mitgenommen habe. Das "Denken in Ressourcen", Nachhaltigkeit und Recycling ist hier eine Notwendigkeit. Auch gebauter Raum ist in den extraterrestrischen Habitaten knapp. In einer Wohnung habe ich unterschiedliche Räume für unterschiedliche Aktivitäten, also Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche oder Kinderzimmer, um ein paar Beispiele zu nennen. Im Weltraum ist alles auf kleinstem Raum beisammen. Trotzdem sollen verschiedene Aktivitäten durchführbar sein. Das müssen Weltraumarchitekt_innen bei der Planung berücksichtigen. Der wenige Raum muss effizient genutzt werden und gleichzeitig den Nutzer_innen verschiedene Möglichkeiten geben. Bei einer kurzen Weltraummission ist das nicht so tragisch, aber wenn die Weltraumbesatzung für sechs Monate auf engstem Raum zusammenleben und arbeiten muss, kommt es über kurz oder lang zu Konflikten. Mit diesen muss man umgehen. Wir als Menschen sind zwar soziale Wesen, brauchen aber auch Rückzugsmöglichkeiten.

Die effiziente Nutzung von Raum und die damit einhergehende Planung wird auch auf der Erde immer wichtiger und macht die Arbeit der Architekt_innen extrem spannend und wichtig. Dort, wo ich mich frei bewegen und all das machen kann, was und wie ich es will, merke ich nicht, dass mir das durch gute Architektur ermöglicht wird. Erst wenn es Barrieren gibt, ich also beispielsweise eine Treppe nicht überwinden kann, weil ich im Rollstuhl sitze, merke ich, dass die Architektur schlecht ist.  

Ist das Forschungsfeld „Weltraumarchitektur“ ein neues Forschungsfeld?

Sandra Häuplik-Meusburger: Ja, das Forschungsfeld ist relativ neu, aber es wächst extrem schnell, da es großes Interesse am Thema Weltraum gibt. Derzeit kreist die permanent bewohnte Internationale Raumstation ISS und die Chinesische Raumstation Pinyin um die Erde. Durch die Teilnahme von privaten Unternehmen, wie Space X, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster und Blue Origin, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster nehmen geplante Weltraummissionen zu.

Mittlerweile ist aus dem Forschungsfeld sogar ein Arbeitsfeld geworden und große Architektur- und Ingenieurbüros haben eigene Forschungsabteilungen, um dort im Bereich Weltraum, aber auch zu 3D-Druck und Material zu forschen. Auch am internationalen Arbeitsmarkt gewinnt das Feld "space architecture" immer mehr an Bedeutung. Seit einigen Jahren gibt es bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster explizit Ausschreibungen zur Position eines "space architects". Einige große Architektur‐ und Ingenieurbüros wie Foster + Partners oder  SOM – Skidmore, Owings & Merrill und Hassel Studio beschäftigen Architek_innen mit diesem spezifischen Know‐how, oft in speziellen interdisziplinären Teams.

Werden wir Menschen in 50 Jahren auf dem Mars leben?

Sandra Häuplik-Meusburger: In 50 Jahren sicher noch nicht, aber es gibt bereits konkrete Pläne für eine Besiedelung des Mars. Ich bin keine Vertreterin einer "zweiten Erde". Die Idee, die Erde ist nicht mehr bewohnbar, lasst uns auf einen anderen Planeten siedeln, funktioniert nicht so einfach. Wir Menschen sind einerseits für ein Leben auf der Erde gemacht und es so auch gewohnt und zweitens würden wir uns – auch auf einem anderen Planeten – genauso verhalten, wie auf der Erde. Wir müssen hier also etwas dazu lernen.

Die Sicht von außen auf unseren Planeten und die Forschung bringen uns aber Ideen, wie wir das Leben auf der Erde in Zukunft besser gestalten können. Wir alle kennen den berühmten Blick aus dem Weltall von oben auf unsere Erde, das Bild vom kleinen blauen Ball. Da sind keine Grenzen sichtbar, sondern nur ein Zuhause für die gesamte Menschheit. Um das auch im Alltag zu erkennen, müssen wir uns allerdings noch ein Stück weiterentwickeln.

Was ich mir aber durchaus vorstellen kann, ist ein Leben auf dem Mars zu Forschungszwecken. Da werden wir dann auch Raumschiffe haben, die die Reise dorthin und den Aufenthalt wesentlich einfacher machen werden.

An der TU Academy for Continuing Education (ACE) gibt es den MBA Space Architecture, den Sie leiten. Was erwartet Studierende in diesem MBA?

Sandra Häuplik-Meusburger:Mit unseren EMBA-Programmen möchten wir Personen mit technisch-naturwissenschaftlicher Ausbildung auf Ihrem Weg in eine Führungsposition unterstützen. Wir vermitteln Teilnehmer_innen dabei einerseits Mitsprache- und Entscheidungskompetenz in Managementfragen vor dem Hintergrund neuer technologischer Entwicklungen und fokussieren andererseits auf den Themenkomplex der Führungskompetenz (auf individueller Ebene, auf Team-Ebene sowie auf organisatorischer Ebene).

Dieses ExecutiveMBA-Programm spannt einen Bogen zwischen den Wirtschafts-, Ingenieurswissenschaften und weiteren technischen und sozialen Wissenschaften, in den Weltraum und wieder zurück zur Erde. In diesem einzigartigen fachübergreifenden MBA wird Wissen und Know-how zu neuen Technologien und Strategien zum Planen, Bauen und Leben im Weltraum vermittelt. Gleichzeitig sind die Reflexion und Synergien zu aktuellen Themen auf der Erde, wie der Umgang mit Ressourcen, Technologieeinsatz und Klima wesentlicher Bestandteil in der gemeinsamen Auseinandersetzung mit den international anerkannten Expert_innen und Leader_innen.

Ich freue mich sehr, dass wir an der TU Wien diesen MBA anbieten können, das ist einzigartig. Wie eingangs erwähnt, versuchen wir im Lehrgang Forschung und Wissen zu verknüpfen. Architekt_innen arbeiten immer vorausschauend, sie planen für die Zukunft und beeinflussen dadurch auch indirekt die Zukunftstrends wie das auch Literatur und Filme machen. Wir können mit unserer Vision aufzeigen, wie wir die Zukunft besser gestalten können und Katalysator für neue Technologien sein. Wenn man positiv an eine Sache herangeht, das Beste daraus macht und nicht aufgibt, dann entstehen tolle Lösungen. Vorauszuplanen und zukunftsorientiert zu arbeiten wird auch für Firmen immer wichtiger.
Außerdem forschen und arbeiten wir eng mit Astronauten und Kosmonauten zusammen. Diese sind es gewöhnt in schwierigen sozialen Situationen international und interkulturell zusammenzuarbeiten. Sie sehen die Vielfältigkeit, die daraus entsteht, als etwas Positives und Bereicherndes.

Welche Berufschancen haben Absolvent_innen dieser Disziplin? Wo können sie ihre Expertise einbringen?

Sandra Häuplik-Meusburger:Der Lehrgang bereitet Führungskräfte, High Potentials und am Weltraummarkt-Interessierte auf zukünftige Anforderungen in einem internationalen und interdisziplinären Arbeitsfeld im Weltraum und vor allem auf der Erde vor. Wie bereits erwähnt, sind die Bereiche Raumfahrttechnologien und Weltraumarchitektur ein rasch wachsendes Geschäftsfeld. Absolvent_innen technischer Studienrichtungen mit der entsprechenden Management- und Führungskompetenz haben generell herausragende Berufschancen und sind in Zeiten von Fachkräftemangel gefragter denn je. Da unser MBA-Programm mit dem Fokus auf Space Architecture ziemlich einzigartig in seiner Art ist, erlangen Absolvent_innen auch dadurch einen weiteren Wettbewerbsvorteil und können auch auf ein breites Netzwerk an international anerkannten Expert_innen und Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft, Weltraumorganisationen, Politik und Forschung zurückgreifen.

 

Ab sofort können sich Interessierte für den MBA mit Start März 2023 bewerben.

Einen ersten Einblick in den MBA bietet der online InnovationTalk von Georgi Petrov von SOM am 13.Dezember 2022. Mehr Infos und Anmeldung, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Mehr Informationen zum MBA Weltraumarchitektur unter: https://www.tuwien.at/ace/mba-programme/space-architecture

Weitere Info-Sessions zu diversen ACE MBA-Programmen gibt es hier: https://www.tuwien.at/en/ace/mba-programs/events

Rückfragehinweis:

Senior Lecturer Dipl.-Ing.in Dr.in-Ing.in Sandra Häuplik-Meusburger
Institut für Architektur und Entwerfen
Technische Universität Wien
+43 1 58801 253 581
sandra.haeuplik-meusburger@tuwien.ac.at