Kühlkette unterbrochen? Magnet-Sensor bringt Sicherheit

An der TU Wien wurde ein kostengünstiger Indikator entwickelt, der zuverlässig nachweist, ob ein Produkt eine bestimmte Temperatur überschritten hat.

 Dieter Süss

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Dieter Süss

 Im Inneren befindet sich das Material mit den maßgeschneiderten magnetischen eigenschaften.

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Im Inneren befindet sich das Material mit den maßgeschneiderten magnetischen eigenschaften.

 Der neuartige Temperatursensor, hier in einem Plastikgehäuse

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Der neuartige Temperatursensor, hier in einem Plastikgehäuse

Wer isst schon gerne eine Tiefkühlpizza, die beim Transport bereits aufgetaut war? Noch viel problematischer sind solche Kühlketten-Unterbrechungen bei medizinischen Präparaten oder Blutkonserven. Einfache, zuverlässige Nachweismethoden gab es dafür aber bisher nicht. An der TU Wien wurde nun ein Indikator entwickelt, dessen Material sich bei einem Temperaturanstieg irreversibel verändert. Ausgelesen wird er mit einem einfachen Magnetpuls, ähnlich wie bei der Diebstahlsicherung im Supermarkt. Die Methode kommt ohne Stromversorgung aus und ist sehr kostengünstig. 

Große Schäden durch schlechte Kühlung
„Einige Prozent aller Tiefkühllebensmittel müssen entsorgt werden, weil die lückenlose Einhaltung der Kühlkette nicht garantiert werden kann“, sagt Dieter Süss, Materialwissenschaftler am Institut für Festkörperphysik der TU Wien. Er entwickelte mit seinem Forschungsteam dünne Streifen aus Materialien mit ganz besonderen magnetischen Eigenschaften, die Auskunft über gefährliche Temperaturüberschreitungen geben können.

Magnet-Resonator und Magnet-Schalter
„Unsere Methode beruht auf dem Phänomen der Magnetostriktion“, erklärt Süss. Ein magnetisches Feld kann bestimmte Materialien in minimalem Ausmaß verformen, dadurch kann man diese Materialien bei einer ganz bestimmten Resonanzfrequenz magnetisch zum Vibrieren bringen. „Zusätzlich zu diesem magnetischen Resonator verwenden wir einen ‚Schalter‘ - ein Material, das seine magnetischen Eigenschaften bei einer bestimmten Temperatur drastisch verändert“, erklärt Süss. 

Eigens hergestellte Verbindungen aus Nickel, Mangan, Zinn und Kobalt können von einem paramagnetischen Zustand in einen ferromagnetischen Zustand wechseln, wenn sie erwärmt werden. Auch ein neuerliches Absenken der Temperatur macht diesen Zustandswechsel nicht rückgängig. „Durch sein Magnetfeld ändert dieser Schalter die Resonanzfrequenz des Resonators“, erklärt Dieter Süss. „Wir müssen also nur durch einen magnetischen Puls von außen die Resonanzfrequenz messen und wissen dadurch, ob der Schalter irgendwann mal zu warm wurde und seinen magnetischen Zustand geändert hat.“

Genau einstellbarer Temperaturbereich
Durch Änderungen der Materialmischung kann man den Sensor auf unterschiedliche Temperaturen einstellen. Man kann auch Sensoren bauen, die statt einer Temperatur-Überschreitung eine Unterschreitung nachweisen. „Der große Vorteil unserer Technologie ist, dass die Sensoren ohne Stromversorgung auskommen und berührungslos in wenigen Augenblicken ausgelesen werden können“, erklärt Bernhard Bergmair, technischer Entwickler im Team von Dieter Süss. Ganz ähnlich wie Sicherheits-Chips in Warenhäusern, die bei Diebstahl einen Alarm auslösen, muss man die Produkte mit den Temperatur-Sensoren nur an einer magnetischen Messstelle vorbeitransportieren und erhält sofort ein Ergebnis.

Billig und einfach
„Heute gibt es Daten-Logger, die Temperaturen automatisch messen und speichern, doch sie benötigen Batterien und bewegen sich im zweistelligen Euro Bereich“, sagt Dieter Süss. „Unsere Sensoren haben ein weit besseres Preis-/Leistungsverhältnis, sie machen sich deshalb auch bei einmaliger Verwendung schon bezahlt.“ Besonders große Summen könnte man im medizinischen Bereich sparen: So kommt es etwa vor, dass Blutkonserven entsorgt werden müssen, weil die Einhaltung der Kühlkette nicht mehr nachgewiesen werden kann. Ein Blick auf einen zuverlässigen Temperatur-Sensor könnte nicht nur vor verdorbenen Produkten warnen, sondern gleichzeitig unnötiges Entsorgen noch intakter Ware verhindern.

„Aus wissenschaftlicher Sicht sind alle Probleme gelöst, der Temperatursensor ist marktreif“, sagt Dieter Süss. „Wir suchen nun noch nach einem Partner aus der Wirtschaft, der diese Sensoren mit uns vermarkten möchte.“

Die Sensortechnologie wurde an der TU Wien entwickelt, mit Unterstützung des Forschungs- und Transfersupports der TU Wien erfolgreich an die Firma Suessco verkauft und von Suessco patentiert.

 

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Originalpublikation: B. Bergmair, J. Li, T. Huber, O. Gutfleisch, and D. Suess, Appl. Phys. Lett. 101, 042412 (2012), öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster


Rückfragehinweis:
Dr. Dieter Süss
Institut für Festkörperphysik,
Technische Universität Wien
Wiedner Hauptstraße 8-10, 1040 Wien
T: +43-1-58801-13746
dieter.suess@tuwien.ac.at 


Aussender:
Dr. Florian Aigner
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Technische Universität Wien
Operngasse 11, 1040 Wien
T: +43-1-58801-41027
florian.aigner@tuwien.ac.at  
 


Materials & Matter ist – neben Computational Science & Engineering, Quantum Physics & Quantum Technologies, Information & Communication Technology sowie Energy & Environment – einer von fünf Forschungsschwerpunkten der Technischen Universität Wien. Geforscht wird von der Nanowelt bis hin zur Entwicklung neuer Werkstoffe für großvolumige Anwendungen. Die Forschenden arbeiten sowohl theoretisch, beispielsweise an mathematischen Modellen im Computer, wie auch experimentell an der Entwicklung und Erprobung innovativer Materialien.



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