Aluminiumoxid (Al2O3, als Einkristall als Saphir bezeichnet) ist ein perfekter elektrischer Isolator, und daher ein schwieriges Objekt für die Oberflächenphysik. Schließlich beruhen die meisten Untersuchungsmethoden für Oberflächen auf Elektronen, die auf die Probe auftreffen oder von dieser emittiert werden. Daher verwundert es nicht, dass-Oberflächen noch viele ungelöste Fragen aufwerfen.

Wir konnten kürzlich eine dieser Fragen lösen, nämlich die Struktur der (0001)-Oberfläche von Al2O3 (die Basisfläche der Struktur). Die stabilste Oberfläche ist eine sogenannte (√31 × √31)R±9° Überstruktur; bisher wurde diese Struktur als eine ultradünne Schicht von metallischem Aluminium auf der Oxidoberfläche interpretiert. Dass diese Ansicht fragwürdig ist, kennt man schon daran, dass diese Oberfläche bei ca. 1200 °C präpariert wird, und bei dieser Temperatur eine Aluminiumschicht in einer Millisekunde verdampfen würde! Wir konnten sehr gute AFM-Bilder aufnehmen, wo die Position jedes Aluminium- und Sauerstoffatoms dieser Oberfläche zu erkennen ist. Mit Hilfe von Dichtefunktionaltheorie-Rechnungen wurde dann die Anordnung der Atome unterhalb der Oberfläche bestimmt. Diese Resultate werden in Kürze veröffentlicht!

Ultradünnes Aluminiumoxid

Die anfängliche Oxidation von reinem oder fast reinem Aluminium führt zu ziemlich ungeordneten Oxiden mit unterschiedlicher Dicke, die derzeit für eine genaue Untersuchung der Oberflächenstruktur nicht zugänglich sind. Anders verhält es sich bei Aluminiumlegierungen, vor allem bei solchen, die Aluminiumatome eher langsam freisetzen, so dass das Oxid genug Zeit hat, eine geordnete Struktur zu bilden.

Ultradünnes Aluminiumoxid auf NiAl(110)

© Michael Schmid/IAP

Ultradünnes Aluminiumoxid auf NiAl(110): STM-Bild mit darübergelegtem Strukturmodell aus DFT-Rechnungen

Ultradünnes Aluminiumoxid auf NiAl(110)

Die bekannteste gut geordnete Aluminiumoxidschicht ist die auf NiAl(110), die in den frühen 1990er Jahren entdeckt wurde. Nach zahlreichen Versuchen sowohl von experimentellen als auch von rechnerischen Gruppen konnten wir 2004 endlich hochauflösende STM-Bilder dieser Oberfläche aufnehmen. Mit dieser Grundlage und ab-initio-Berechnungen von Georg Kresse wurde das alte Rätsel endlich gelöst. Es stellte sich heraus, dass sich die Regeln für den Aufbau der Oxidschicht von allen bekannten Aluminiumoxid-Phasen unterscheiden, und sogar die Stöchiometrie ist anders als bei Al2O3. Dies konnte nach einer detaillierten Analyse verstanden werden - dann erschien alles so einfach! Die Al-Atome, die die Grenzfläche zwischen Oxid und Substrat bilden, können nicht alle ihre Elektronen an das Oxid abgeben, sondern müssen sich an das darunter liegende Metall binden. Ihre formale Ladung ist also nicht Al3+, sondern Al2+. Um das Oxid ladungsneutral zu halten, werden mehr Al-Atome als in Al2O3 benötigt.

Wir haben auch Defekte in diesen ultradünnen Aluminiumoxidschichten sowie eine Aluminiumoxidschicht auf einer Cu-Al-Legierung untersucht, die genau dieselbe Struktur wie die auf NiAl(110) aufwies. Offensichtlich ist diese Struktur eine sehr stabile Konfiguration.

  • G. Kresse, M. Schmid, E. Napetschnig, M. Shishkin, L. Köhler, P. Varga
    Structure of the ultrathin aluminum oxide film on NiAl(110)
    Science
    308, 1440 (2005); doi: 10.1126/science.1107783
  • M. Schmid, M. Shishkin, G. Kresse, E. Napetschnig, P. Varga, M. Kulawik, N. Nilius, H.-P. Rust, H.-J. Freund
    Oxygen-deficient line defects in an ultrathin aluminum oxide film
    Physical Review Letters
    97, 046101 (2006); doi: 10.1103/PhysRevLett.97.046101

Ein Loch füllen

Eine Überraschung gab es, als wir das Oberflächenoxid auf einer anderen Legierungsoberfläche, Ni3Al(111), untersuchten. Auch hier erreichten wir eine atomare Auflösung, und mit der inzwischen gewonnenen Erfahrung dachten wir, dass das Strukturmodell ziemlich klar sei. Georg Kresse führte erneut ab-inito-Berechnungen durch, wobei er seinen Computer-Cluster erneut bis an die Grenzen belastete (die Zelle hat >1200 Atome!). Unser einfaches Modell zeigte nicht die korrekte Symmetrie, die auf den STM-Bildern zu sehen war. Also schlug Georg vor, dass es an der Ecke der Einheitszelle ein Loch im Oxid geben müsse, und plötzlich passte alles!

Ultradünnes Aluminiumoxid auf Ni3Al

© Michael Schmid/IAP

Ultradünnes Aluminiumoxid auf Ni3Al

Der interessanteste Aspekt war noch zu entdecken: Mit einem Durchmesser von etwa 0,4 nm (0,0000004 mm) sind diese Löcher gerade breit genug, um ein paar Atome hineinzubekommen, die in dem Loch ungefähr übereinander sitzen. Wir brauchen 3 Palladiumatome, um das Loch zu füllen; das leicht überstehende oberste Pd-Atom dient dann als Keim für das Wachstum größerer Metallcluster. Auf diese Weise haben wir eine Schablone für das Wachstum gut geordneter Metallcluster mit regelmäßigen Abständen von 4,1 nm entdeckt - es bildet sich also selbstorganisiert eines der bisher schönsten, regelmäßigen Gitter der Nanotechnologie!

  • M. Schmid, G. Kresse, A. Buchsbaum, E. Napetschnig, S. Gritschneder, M. Reichling, P. Varga
    Nanotemplate with holes: Ultrathin alumina on Ni3Al(111)
    Physical Review Letters
    99, 196104 (2007); doi: 10.1103/PhysRevLett.99.196104
  • A. Buchsbaum, M. De Santis, H. C. N. Tolentino, M. Schmid, P. Varga
    Highly ordered Pd, Fe, and Co clusters on alumina on Ni3Al(111)
    Physical Review B
    81, 115420 (2010); doi: 10.1103/PhysRevB.81.115420