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Interview mit Alfred Kieser: Praxisrelevanz der Managementforschung?

„Mit der ersten Nummer der Austrian Management Review starten wir eine Buchreihe, mit der Erkenntnisse aus dem Wissenschaftssystem für Praktikerinnen und Praktiker zugänglich gemacht werden sollen. In der Managementlehre wird zur Zeit das Thema des Theorie-Praxis-Transfers und damit auch die Frage nach der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Relevanz akademischer Forschung kontroversiell diskutiert. Warum werden ausgerechnet in einer angewandten akademischen Disziplin diese Legitimitätsfragen virulent?”

Der Managementwissenschaft wird in der Tat massiv vorgeworfen, eine Forschung zu betreiben, die ohne Relevanz für die Praxis ist. In den Anfängen dieser Wissenschaft, als diese in Europa noch nicht in Universitäten, sondern in Handelshochschulen angesiedelt war, gab es dieses Problem nicht. Viele Dozentinnen und Dozenten kamen aus der Praxis und unterrichteten Ansätze, welche sich dort aus ihrer Sicht bewährt hatten. Die Professoren arbeiteten eng mit Praktikerinnen und Praktikern zusammen und lehrten, welche aus dieser Zusammenarbeit hervorgegangenen Ansätze sich als hilfreich erwiesen hatten. „Handwerkliches“ wie Buchhaltung oder kaufmännische Korrespondenz nahm einen breiten Raum in der Lehre ein. Dieses pragmatische Vorgehen stieß auf Kritik der etablierten Wissenschaften, vor allem als Handelshochschulen in Universitäten eingegliedert wurden und das Promotionsrecht erhielten. In den USA brachten Ende der 50er Jahre zwei bedeutende Stiftungen – die Ford Foundation und die Carnegie Foundation – Berichte heraus, in denen den Business Schools bescheinigt wurde, sie seien bessere Berufsschulen, mit Wissenschaft habe ihr Treiben nichts zu tun. Es wurde die Überzeugung geäußert, dass eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung bessere Lösungen für die Praxis generieren könne. Beträchtliche Mittel zur „Verwissenschaftlichung“ der Managementwissenschaft wurden zur Verfügung gestellt. Die amerikanischen Business Schools rekrutierten daraufhin viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Disziplinen, deren Wissenschaftlichkeit nicht angezweifelt wurde: vor allem aus den Bereichen Psychologie, Soziologie, Mathematik und Volkswirtschaft. Und die brachten das, was Wissenschaft nach dem generellen Verständnis von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern so ausmacht in die Managementwissenschaft: Theorien und wissenschaftliche Methoden.

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Über die Autoren

Wolfgang H. Güttel ist Universitätsprofessor für Personal- und Unternehmensführung am Institut für Managementwissenschaften und Dean der Academy for Continuing Education (ACE) an der Technischen Universität (TU) Wien. Seine Forschung ist den Themen Leadership, Strategie & Change Management gewidmet. Zum Zeitpunkt dieser Publikation war er Vorstand am Institute of Human Resource & Change Management, Johannes Kepler Universität (JKU) Linz.

Em. Univ.Prof. Dr. Dr. hc. mult. Alfred Kieser ist Professor Emeritus der Universität Mannheim und Gastprofessor der Zeppelin University in Friedrichshafen. Er studierte BWL und Soziologie an den Universitäten Würzburg, Köln und Pittsburgh/USA. Er ist Ehrendoktor der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Corvinus Universität Budapest. Er beschäftigt sich vor allem mit Themen wie Lernen der Organisation, Geschichte der Organisation und Organisation der Wissenschaft.