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Ein Quantennetzwerk aus Superkühlschränken

Ein ambitioniertes neues Forschungsprojekt will supraleitende Quantencomputer vernetzen. Koordiniert wird es von der TU Wien.

Peter Rabl leitet ein internationales Forschungsprojekt, in dem mehrere gekühlte Quantensysteme verschränkt werden sollen.

© Atominstitut

Peter Rabl leitet ein internationales Forschungsprojekt, in dem mehrere gekühlte Quantensysteme verschränkt werden sollen.

Die Suche nach neuen, besseren Quantentechnologien ist zu einem weltweiten Wettlauf geworden. Wie man die merkwürdigen Phänomene der Quantenphysik nutzen kann, um Information zu verarbeiten und zu übertragen, ist längst nicht mehr bloß eine Frage der Grundlagenforschung, sondern eine weltumspannende Industrie, an der sich auch Firmen wie Google oder IBM beteiligen.

Trotzdem ist noch immer nicht ganz klar, auf welcher Technologie die Quanten-Informationssysteme von morgen basieren sollen. Ein neues Forschungsprojekt, finanziert über das Future and Emerging Technology Programm, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, opens an external URL in a new window der Europäischen Union, soll nun eine vielversprechende Vision umsetzen: Supraleitende Qubits, die in extrem kalten Behältern manipuliert werden, sollen zu einem Quantennetzwerk zusammengeschlossen werden. Koordiniert wird das Projekt von Prof. Peter Rabl vom Atominstitut der TU Wien, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Supraleitende Qubits

Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten, auf quantenphysikalische Weise Information zu speichern, zu verarbeiten und zu übertragen. „Eine besonders vielversprechende Technik sind die sogenannten supraleitenden Qubits“, erklärt Peter Rabl. „Das sind elektronische Strukturen in der Größe von Mikrometern, die fast bis zum absoluten Nullpunkt abgekühlt werden und dann Strom verlustfrei leiten.“

Dadurch lässt sich erreichen, dass diese Strukturen ein völlig anderes Verhalten zeigen als gewöhnliche elektronische Schaltkreise. Während bei einem klassischen Schaltkreis nur mit zwei verschiedenen Zuständen gearbeitet wird, etwa „Stromfluss“ oder „kein Stromfluss“, kann man mit einem Qubit sogenannte Quantensuperpositionen erzeugen – eine Kombination, die verschiedene Zustände gleichzeitig enthält.

Außerdem lassen sich sogenannte Quantenverschränkungen herstellen. Das bedeutet, dass man den Zustand eines Qubits eng mit dem Zustand eines anderen Qubits verknüpft – stärker als das mit den Gesetzen der klassischen Physik möglich wäre. Es ist gerade diese Verschränkung von Information die zukünftigen Quantencomputern einen entscheidenden Vorteil beim Lösen komplexer Aufgaben verschafft.

Vernetzte Kühlschränke

„Für komplizierte Operationen braucht man eine große Anzahl solcher Qubits. Das ist allerdings eine gewaltige technische Herausforderung“, sagt Peter Rabl. Die Qubits müssen extrem kalt bleiben und jedes Kabel, das von außen in den Kühlschrank führt, kann die Quantenphänomene zerstören. Je mehr Qubits man in einem solchen Kühlschrank kombiniert, umso schwieriger wird es, die Quanteneigenschaften der Qubits zu bewahren.

Daher soll nun ein neuer Weg beschritten werden: Ähnlich wie das Internet klassische Computer miteinander verbindet, sollen nun Kühlschränke mit jeweils nur wenigen Qubits miteinander verbunden werden – und zwar so, dass die Quanteneigenschaften erhalten bleiben und Quantenverschränkung auch zwischen den Kühlschränken erzeugt werden kann. So soll ein lokales Quanten-Netzwerk entstehen, das modular erweitert werden kann und damit viel weitreichendere Möglichkeiten bietet als man in einem einzelnen gekühlten System realisieren könnte.

„Sowohl auf technischer als auch auf theoretischer Seite gibt es hier allerdings noch viel zu tun“, sagt Peter Rabl. „Wir werden etwa daran arbeiten, spezielle Quanten-Protokolle zu entwickeln, mit denen die Daten möglichst fehlerfrei ausgetauscht werden können. Wir müssen genau untersuchen, wie sich unvermeidbare Störungen auswirken, wir werden erforschen, mit welchen Methoden wir die Quanteninformation am effizientesten übertragen – etwa mit Mikrowellen, oder auch mit optischen Photonen.“

Erste Grundlagenexperimente dazu, durchgeführt von den Projektpartnern an der ETH Zürich, lieferten bereits vielversprechende Ergebnisse: Das neue Projekt „Quantum Local Area Networks with Superconducting Qubits“ soll die Technologie nun einen entscheidenden Schritt nach vorne bringen. Neben internationalen Expert_innen vom Spanischen Nationalen Forschungsrats (CSIC) und dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik ist mit Prof. Johannes Fink vom IST Austria noch eine weitere österreichische Forschungsgruppe an diesem Projekt beteiligt. In Zusammenarbeit mit der Firma Zurich Instruments sollen dabei nicht nur die wissenschaftlichen Grundlagen, sondern auch erste kommerzielle Produkte entwickelt werden. Der offizielle Startschuss für das Projekt fiel am 3. September 2020 bei einem gemeinsamen Online-Meeting.

„Wenn es uns tatsächlich gelingt, erste Quanten-Algorithmen in einem Netzwerk von Kühlgeräten zu implementieren, wäre das ein gewaltiger Durchbruch“, sagt Peter Rabl. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das schaffen können.“

Das “Future and Emerging Technology”-Programm (FET)

Das Forschungsförderungsprogramm FET ist Teil des „Horizon 2020“-Programms der Europäischen Union. Es soll besonders visionäre Projekte unterstützen, die das Potenzial haben, durch interdisziplinäre Kollaboration neue Technologien hervorzubringen. In Österreich ist die TU Wien einer der Hauptprofiteure dieses Programms. Das neue Projekt zu supraleitenden Quantennetzwerken wird mit einer Gesamtsumme von ca. 3 Millionen Euro über einen Zeitraum von 3 Jahren gefördert.

Kontakt

Prof. Peter Rabl
Atominstitut
Technische Universität Wien
Stadionallee 2, 1020 Wien
T: +43-1-58801-141830
peter.rabl@tuwien.ac.at