Univ.-Prof. Dr. Walter S. A. Schwaiger, Leiter des Forschungsbereichs „Finanzwirtschaft und Controlling“ am Institut für Managementwissenschaften (IMW) an der TU Wien untersuchte in einer aktuellen Studie1 in Kooperation mit Creditreform die "Corona-Pleitewelle" und die Auswirkungen der Stützungsmaßnahmen der österreichischen Bundesregierung.
Welche Auswirkungen hatte die Corona-Krise auf die Ausfälle von österreichischen Unternehmen im letzten Jahr?
Die Corona-Pandemie hat Österreich – wie alle Länder – wirtschaftlich sehr hart getroffen. Mancherorts unverständlich ist aber, wie es dann sein kann, dass die in der nun bereits einjährig andauernden Corona-Krise so wenig Unternehmen ausgefallen sind, wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Erklärung liegt in den außerordentlichen Stützungsmaßnahmen, welche von öffentlicher Seite ergriffen wurden, um die Wirtschaft in der Krise zu stützen.
In der mit Creditreform durchgeführten Studie wurden die wirtschaftsaktiven Unternehmen hinsichtlich ihrer Ausfälle untersucht. Dabei hat sich für das Corona-Krisenjahr 2020 eine Ausfallrate von 0,76 % ergeben. D.h. von den etwas über 105.000 Unternehmen sind 0,76 % ausgefallen. Im Vergleich dazu sind im Jahr zuvor 1,15 % der Unternehmen ausgefallen. Damit ist die im Corona-Krisenjahr festgestellte Ausfallrate von 0,76 % offensichtlich viel zu nieder und liefert ein verzerrtes Bild der tatsächlichen Gegebenheiten.
Zur Entzerrung dieser verstellten „Tatsachen“ wurde in der Studie die für das Corona-Krisenjahr zu erwartende Ausfallrate anhand der zwischenzeitlich für das Jahr 2020 bereits bekannten Wirtschaftsentwicklung berechnet. Diese liegt bei 1,87 %. Aus der Gegenüberstellung erwarteten mit der verzerrten Ausfallrate lässt sich die Höhe der Verzerrung abschätzen. Ähnliche Verzerrungen werden vom Nobelpreisträger Robert Shiller als „Blasen“ bezeichnet. Zumal dieser Begriff die durch die Corona-Krise bedingte Situation gut charakterisiert, wird die Differenz der beiden Raten in der Höhe von 1,11 % als „Corona-Blase“ bezeichnet. Die entstandene Blase ist somit fast gleich groß wie alle Ausfälle im Jahr 2019 zusammen. Auf die erwartete Ausfallrate von 1,87 % bezogen wurden demnach ca. 60 % der erwarteten Ausfälle durch die Stützungsmaßnahmen vor dem Ausfall bewahrt.
Welche Effekte erwarten Sie langfristig von den Stützungsmaßnahmen der österreichischen Bundesregierung?
Die Corona-Blase ist entstanden, weil die Stützungsmaßnahmen der öffentlichen Seite Wirkung gezeigt haben, was grundsätzlich zu begrüßen ist. Frei nach dem Motto „aufgeschoben ist nicht aufgehoben“ handelt es sich dabei aber um ein Potential an Ausfällen, welches sich wie eine Blase künftig unterschiedlich schnell bzw. stark entladen kann.
Um Anhaltspunkte für die „Entladungsproblematik“ zu erhalten, wurde die Corona-Blase in der Studie in zwei Bestandteile zerlegt, u.z. den Verhinderungs- und den Kriseneffekt. Der Verhinderungseffekt bezieht sich auf jene Unternehmen, welche ohne Stützungsmaßnahmen bereits unter normalen Wirtschaftsbedingungen ausgefallen wären. Der Kriseneffekt bezieht sich auf jene Unternehmen, welche durch den durch die Corona-Pandemie verursachten Konjunktureinbruch in Bedrängnis geraten sind und durch die Stützungsmaßnahmen vor dem Ausfall bewahrt wurden.
Wie wird sich die Corona-Krise 2021 auf die Wirtschaft und Unternehmen auswirken?
Im Jahr 2021 werden die Stützungsmaßnahmen drastisch zurückgefahren bzw. eingestellt werden. Dadurch werden die beiden in der Corona-Blase enthaltenden Effekte zum Platzen gebracht. Die durch den Verhinderungseffekt aufgeschobenen Ausfälle werden ziemlich rasch ausfallen. Dieser Effekt hat ja jene Unternehmen vor dem Ausfall bewahrt, von welchen bereits unter normalen Wirtschaftsbedingungen ein Ausfall erwartet worden wäre. Zumal anzunehmen ist, dass die Reduktion der Stützungsmaßnahmen vor dem Eintreten von normalen Wirtschaftsbedingungen stattfinden wird, werden nach der Stützungsreduktion auch noch Unternehmen ausfallen, welche dem Kriseneffekt zuzuordnen sind und durch die bisherigen Stützungen ebenfalls vom Ausfall geschützt wurden.
Zur Abschätzung der „Entladungsproblematik“ hinsichtlich des Kriseneffekts wurde in der Studie eine Aufspaltung in die von der Corona-Krise unterschiedlich stark betroffenen Branchen vorgenommen. Dabei wurde entsprechend den „Lockdown“-Verordnungen eine Unterscheidung in direkt betroffene, indirekt betroffene und nicht betroffene Branchen vorgenommen. Dabei zeigte sich, dass der Kriseneffekt bei den direkt von Lockdowns betroffenen Branchen ca. doppelt so hoch wie bei den indirekt betroffenen Branchen ist. Die Entladung der deutlich unterschiedlichen großen Potentiale wird maßgeblich davon abhängen, wie rasch sich die Wirtschaft vom durch die Corona-Krise verursachten Konjunktureinbruch erholt. Dabei gilt die einfache Regel: Je rascher die Rückkehr zur wirtschaftlichen Normalität, umso weniger Unternehmen werden ausfallen, welche durch die Stützungsmaßnahmen hinsichtlich des Kriseneffekts bislang vor einem Ausfall bewahrt wurden. Wohl im Sinne aller bleibt zu hoffen, dass die Rückkehr zur Normalität möglichst rasch erfolgen kann und nicht durch „eigenwilliges Gehabe“ unnötig in die Länge gezogen wird!
Wie können sich Unternehmen aus Ihrer Sicht vor Ausfällen schützen?
Ein Unternehmen kann aus verschiedenen Ursachen ausfallen, u.z. selbst-, fremd- oder unverschuldet. Folglich gibt es auch verschiedene Ansatzpunkte, um sich ursachenbedingt vor Ausfällen zu schützen. Hinsichtlich der Corona-Krise ist sicherlich die Unterscheidung von fremd- oder unverschuldet das Hauptthema. Klar sollte dabei sein, dass dabei die Corona-Pandemie Ursache allen Übels ist. Wer, dann was und wie dazu beigetragen hat, das ist eigentlich Nebensache, und sollte nicht durch ein im Nachhinein immer mögliches Besserwissen zur Hauptsache erhoben werden.
Mit diesem Verständnis ist auch klar, dass verschiedene Branchen unterschiedliche stark von der Corona-Krise betroffen wurden, wobei ihnen aufgrund ihrer Betroffenheit durch die verschiedenen Stützungsmaßnahmen auch unterschiedlich stark unter die Arme gegriffen wurde. Wie bereits besprochen werden diese Stützungen reduziert, und dann kommt es darauf an wie die Unternehmen darauf reagieren werden bzw. können. Dabei ist es wichtig, wie die von der Corona-Krise betroffenen Unternehmen sich selbst sehen. Sich selbst nur als Opfer zu sehen, das wird wenig bringen. Ein gewisses Maß an Optimismus ist unumgänglich. Gepaart mit rationalen Überlegungen sollte ein „realistischer Optimismus“ an den Tag gelegt werden, was zwar nicht einfach ist, sich aber zur Bewältigung von Krisen bislang häufig gut bewährt hat.
Sie unterrichten im neuen Strategic Management & Technology MBA das Modul "Financial Performance Management & Budgeting" - Auf welche Themen gehen Sie hier besonders ein?
Thematisch machen wir da zwar einen großen Schwenk, doch inhaltlich liegen die beiden Themen gar nicht so weit auseinander wie es zuerst scheint. Entsprechend meines persönlichen Werdegangs sehe ich mich selbst als „Mischung aus Theorie und Praxis“. Neben meiner schulischen Ausbildung habe ich im elterlichen Betrieb das Fleischerhandwerk erlernt und mit der Gesellenprüfung zertifiziert. Die anschließende universitäre Ausbildung im In- und Ausland hat mich in die Welt der Theoriemodelle und in die akademische Wissenschaft eingeführt. Insofern sehe ich mich als die gerade angesprochene Mischung aus Theorie und Praxis.
Wenn wir jetzt an die vorliegende Studie denken, dann sehe ich mich selbst aus der Perspektive des Wissenschaftlers (Theoretiker) argumentierend. Dabei ist mir wichtig, die Argumentation auf solider wissenschaftlicher (statistischer) Methodik zu fundieren und wissenschaftlich fundierte Einblicke hinsichtlich empirischer Evidenz zu geben. Vollkommen zuwider laufen würde mir eine „emotionale“ Argumentation, wo ich nur meiner Empfindungen entsprechend argumentieren würde.
Hinsichtlich der MBA-Lehrtätigkeit an der TU Wien, wo ich seit ziemlich genau 20 Jahren als Professor tätig bin, fühle ich mich der wissenschaftlichen Tradition verpflichtet, wobei es mir um die Vermittlung von Wissen geht und nicht von „Halbwissen“ wie es heutzutage oft leider nur zu oft propagiert wird. Darüber hinaus ist mir aber die praktische Relevanz des vermittelten Wissens ein großes Anliegen. Ich möchte nicht der Spezialist über ein Thema sein, das praktisch vollkommen irrelevant ist, und nur darauf hoffen, dass es einmal Relevanz bekommen wird. Das ist mir zu fern in der Zukunft liegend. Andererseits möchte ich auch nicht der Praktiker sein, der von der Theorie keine Ahnung hat.
Konkret bezogen auf die Inhalte des Moduls "Financial Performance Management & Budgeting" heißt das, dass dabei statistisch fundierte Prognosen hinsichtlich künftig erwarteter Performance-Entwicklung erstellt werden, um diese dann durch Ergreifung geeigneter Lenkungsmaßnahmen bestmöglich zu realisieren. Meiner Praxis- und sozialwissenschaflichen Ader zufolge geht es mir aber auch darum, verständlich zu machen, dass es sich dabei nicht einfach um ein mathematisches Optimierungsproblem, sondern um ein organisationales Problem handelt, wobei zur Lösung die Besonderheiten der beteiligten Personen einzubeziehen sind. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es mir um die Vermittlung wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse mit praktischem Nutzen geht.
Zur Person
Univ.-Prof. Dr. Walter S. A. Schwaiger ist Leiter des Forschungsbereichs „Finanzwirtschaft und Controlling“ am Institut für Managementwissenschaften (IMW) an der TU Wien. Am Continuing Education Center der TU Wien unterrichtet Walter Schwaiger im MBA Strategic Management & Technology sowie im MBA Risk Management & Corporate Finance.
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