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Weniger Abfall durch Mechanochemie

„Chemie ist, wenn es raucht und stinkt“ lautet eine alte Volksweisheit. Grüne Chemie aber zeigt, dass es auch anders gehen kann.

Michael Schnürch und Johanna Templ im Labor.

An der TU Wien ist grüne Chemie bereits seit mehr als einem Jahrzehnt in der Forschung verankert. Mit dem interuniversitären Master „Green Chemistry“ gewinnt sie nun auch in der Lehre an Sichtbarkeit. Michael Schnürch leitet den Forschungsbereich Organische und Biologische Chemie an der TU Wien und forscht selbst an grünen Alternativen zu herkömmlichen Verfahren. Ziel der grünen Chemie ist es, negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, aber auch auf die Umwelt zu reduzieren.

Die zwölf Prinzipien der grünen Chemie

Damit dies gelingt, stützt sich die grüne Chemie auf zwölf Prinzipien: (1) Abfallvermeidung, (2) Atomökonomie, (3) weniger schädliche Synthese, (4) Entwicklung sicherer Chemikalien, (5) sicherere Lösungsmittel und Hilfsstoffe, (6) effiziente Energienutzung, (7) Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen, (8) Minimierung von Derivaten, (9) Katalyse, (10) biologische Abbaubarkeit, (11) Echtzeitanalysen zur Reduktion von Schadstoffemissionen und (12) von Natur aus sicherere Chemie zur Unfallvermeidung.

Eine jüngst erfolgreich angewendete Methode bedient sich daher mechanischer Hilfsmittel, um Materialien zu synthetisieren. „Die Mechanochemie kommt ohne Lösungsmittel aus, oder benötigt nur sehr geringe Mengen davon. Es braucht alleine die Reaktanten und einen Mechanismus, der die einzelnen Komponenten miteinander verreibt und dabei in engen Kontakt bringt“, erklärt Michael Schnürch. Zum Einsatz kommen hier Kugelmühlen, wie man sie eigentlich aus dem Bereich der Verfahrenstechnik kennt. „Dass Reaktanten bereits bei der mechanischen Vermengung miteinander reagieren können, habe ich damals als Doktorand erstmals zufällig festgestellt, als ich zwei Stoffe gemeinsam gemörsert habe“, erinnert sich Schnürch.         

Abfallreduktion durch Mechanochemie

Die Mechanochemie eröffnet somit ganz neue und gleichzeitig nachhaltige Möglichkeiten, denn bei klassischen Verfahren wird ein Großteil der verwendeten Ressourcen wie Lösungsmittel und kontaminiertes Wasser (gemeinsam oft über 80 %) nach der Synthese entsorgt. Da die Mechanochemie ohne, beziehungsweise mit deutlich weniger dieser beiden Komponenten auskommt, kann entsprechend viel Abfall verhindert werden. Gerade in der Pharmaindustrie sieht Schnürch einen potenziellen und wichtigen Anwender grüner Methoden. „Besonders bei der Medikamentenproduktion fallen große Abfallmengen an, da Arzneimittel häufig komplex aufgebaut sind und ihre Produktion in mehreren Schritten erfolgt.“

Gleichzeitig weiß Michael Schnürch, dass nicht jede Reaktion in einer Kugelmühle erfolgreich ist. „Manchmal braucht es einfach Lösungsmittel oder zusätzliche Energie“, so der Chemiker. Dabei gilt: Je mehr Reaktanten an einer Reaktion beteiligt sind, desto schwieriger ist der Einsatz mechanochemischer Methoden. In der jüngeren Vergangenheit wurden daher auch andere, als nachhaltig geltende Syntheseverfahren eingesetzt, wie zum Beispiel die organische Elektrochemie oder photochemische Verfahren. Dort spielt vor allem auch sichtbares Licht eine wichtige Rolle. Beides lässt sich sogar mit der Mechanochemie verbinden, zum Beispiel, indem man durchsichtige Kugelmühlen verwendet und Licht eindringen kann. Aber auch der Einsatz von Kugelmühlen aus bestimmten Materialien – wie beispielsweise Kupfer – kann einen Einfluss auf die chemische Reaktion haben. Die Möglichkeiten, hier neue Methoden zu finden, sind quasi unerschöpflich.

Fast einhundertprozentige Ausbeute

Schnürch und sein Team konnten nun zeigen, dass ihre mechanochemische Methode zur Allylierung der traditionellen Chemie in Lösung deutlich überlegen ist und fast fünfmal mehr Ausbeute an gewünschtem Produkt liefern kann. So lässt sich nicht nur jede Menge Abfall vermeiden (Prinzip 1), es werden noch vier weitere Prinzipien der grünen Chemie erfüllt (Prinzip 3, 5, 6 und 9). Hinzu kommt, dass sich mit der von Michael Schnürch und Johanna Templ vorgestellten Methode auch zu einem späteren Zeitpunkt im Syntheseprozess noch Modifikationen an chemischen Verbindungen durchführen lassen, was insbesondere in der Entwicklung pharmazeutischer Wirkstoffe von großer Bedeutung ist. Dies wurde durch die Modifikation etlicher Arzneistoffe gezeigt, wie zum Beispiel dem Antidepressivum Paroxetin oder der Verbindung Betahistin, die gegen Schwindel eingesetzt wird.

Originalpublikation

Templ, J., & Schnürch, M. (2023). Allylation of C‐, N‐, and O‐Nucleophiles via a Mechanochemically‐Driven Tsuji‐Trost Reaction Suitable for Late‐Stage Modification of Bioactive Molecules.Angewandte Chemie International Edition, https://doi.org/10.1002/anie.202314637, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster.

Rückfragehinweis

Prof. Michael Schnürch
Forschungsbereich Organische und Biologische Chemie
Technische Universität Wien
+43 1 58801 163616
michael.schnuerch@tuwien.ac.at

Text:Sarah Link