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„Unlösbar“ ist keine Ausrede

Mit einem ESPRIT-Stipendium des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF entwickelt Tobias Schäfer neue Rechenmethoden, um bisher unlösbare quantenphysikalische Probleme in der computergestützten Materialphysik zu lösen.

Tobias Schäfer

Fast hundert Jahre alt ist die Schrödingergleichung, die berühmte Grundgleichung der Quantentheorie, die Erwin Schrödinger im Jahr 1926 erstmals publizierte. Mit dieser Gleichung gelang es erstmals, die Eigenschaften eines Wasserstoffatoms exakt zu erklären, in unzähligen Anwendungen hat sie sich seither glänzend bewährt.

Aber die Schrödingergleichung hat ein großes Problem: Wenn viele Teilchen gleichzeitig im Spiel sind, wird sie äußerst kompliziert und kann selbst mit den besten Supercomputern der Welt nicht exakt gelöst werden. Und das ist schade – denn gerade mit solchen Vielteilchen-Aufgaben hat man es in der Materialphysik besonders oft zu tun: Wie präzise lassen sich Materialeigenschaften berechnen? Was passiert an der Oberfläche eines Katalysators auf atomarer Ebene? Wie stark reduzieren gewisse Materialoberflächen die energetischen Barrieren für die Herstellung von solaren Brennstoffen?

Hochdotierte Förderung für Tobias Schäfer

Tobias Schäfer arbeitet als Postdoc am Institut für Theoretische Physik der TU Wien. Er befasst sich mit neuartigen Rechenmethoden, mit denen man quantenphysikalische Fragen beantworten kann, die bei bloßer naiver Anwendung der Schrödingergleichung völlig unlösbar wären. Dafür erhielt er nun ein ESPRIT-Stipendium des FWF, dotiert mit fast € 300.000.

Das ESPRIT-Programm des FWF hat das Ziel, junge Wissenschaftler_innen in einer frühen Phase ihrer Forschungskarriere zu unterstützen – der Abschluss der Dissertation darf nicht länger als fünf Jahre zurückliegen. Mit dem ESPRIT-Stipendium soll es möglich werden, ein eigenständiges Forschungsprofil zu entwickeln und eine international erfolgreiche Laufbahn zu starten.

Nicht exakt – aber fast

Tobias Schäfer wird sich in seinem Forschungsprojekt in den nächsten drei Jahren mit verschiedenen Rechenverfahren für Quanten-Vielteilchensysteme befassen.

Eine der wichtigsten Methoden in der Materialforschung ist die Dichtefunktionaltheorie – eine führende Rolle bei der Entwicklung der Dichtefunktionaltheorie spielte der Physiker Walter Kohn, der 1998 dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. In der Praxis wird dabei die komplizierte Schrödingergleichung durch eine mathematisch viel simplere Gleichung ersetzt. Bestimmte Eigenschaften von Vielteilchen-Systemen lassen sich damit gut berechnen. Wenn aber die Korrelationen der vielen Elektronen die Materialeigenschaften mitbestimmen, verliert die Dichtefunktionaltheorie rasch an Genauigkeit. Man braucht dann andere Methoden – ein besonders vielversprechender Kandidat dafür ist die „Coupled-Cluster-Methode“, mit der man das quantenphysikalisch hochkomplexe Zusammenspiel mehrerer Teilchen sehr präzise erfassen kann.

„Man bekommt dadurch streng genommen zwar nicht die exakte Lösung, aber eine Näherung, welche die Anforderungen von wissenschaftlicher und auch industrieller Forschung deutlich besser erfüllt.“, sagt Tobias Schäfer. „Wir entwickeln einen neuen Ansatz, um die Rechenkosten massiv zu reduzieren und dadurch den Anwendungsbereich der Coupled-Cluster-Methode deutlich auszuweiten sodass drängende      Fragen mit dieser Methode beantwortet werden können.“

Das FWF-ESPRIT-Projekt „Coupled Cluster Berechnungen für große Simulationszellen“ startet offiziell am 01.04.2023 und ist auf eine Gesamtdauer von 3 Jahren ausgelegt.