Informatik, Konstruktionismus und Kreativität
Der von Seymour Papert geprägte Begriff „Konstruktionismus” beschreibt den lernzentrierten Ansatz, wonach Lernende physische Artefakte konstruieren, die zur Bedeutungskonstruktion gemeinsam genutzt werden können. Basierend auf diesem Ansatz entwickelte Papert in den späten 1960er Jahren die Programmiersprache „Logo”.
Ausgehend von Paperts Annahmen entwickelte Mitchel Resnick später am Massachusetts Institute of Technology (MIT) die Programmiersprache „Scratch“ für Kinder und Jugendliche und leitet heute die so genannte „Lifelong Kindergarten group“ im Medienlabor des MIT. Dort entwickelt er mit seinen KollegInnen neue Technologien um Menschen – vorrangig Kinder – für kreative Lernerfahrungen zu begeistern und einen selbstverständlichen Umgang mit Programmierung zu fördern.
Neben Mitchel Resnick wird auch Brian Harvey (University of Berkeley), der Resnick’s Entwicklung durch die Sprache „SNAP!” weiterentwickelte, auf der Konferenz Einblicke in seine aktuellen Forschungsaktivitäten geben und wie kreative Lernstrategien genutzt werden können. Gerald Futschek, der hiesige Konferenzvorsitzende, freut sich auf die Tagung in Wien: „Die Constructionism and Creativity ist die einzige Konferenz weltweit, die sich mit Konstruktionismus beschäftigt.“
Die Zukunft ist objektorientiert und parallel
Die Idee von derartigen Programmiersprachen ist es, Kindern einen einfachen Zugang zu Computern und Programmierung zu ermöglichen. Die Sprachen „Logo“, „Scratch“ und „SNAP!“ folgen dem Prinzip der objektorientierten und parallelen Programmierung. Besonders die zweite Charakteristik ist in der gegenwärtigen Computerwissenschaft interessant: Computer wurden bislang als Maschinen gedacht und programmiert, die Prozesse sequentiell abarbeiten. Tatsächlich würde aber paralleles Rechnen aufgrund der eingebauten Multi-Prozessoren die Kapazitätsauslastung von Computern optimieren.
Denselben Ansatz verwendete auch Wolfgang Slany (TU Graz) als er ein Programmierwerkzeug für mobile Endgeräte entwickelte: Bei der Konferenz an der TU Wien wird er die Applikation „Catrobat” präsentieren, die inspiriert von Resnick’s „Scratch“ ist, aber ausschließlich für die Nutzung auf Smartphones und Tablets entwickelt wurde. Dafür gewann Wolfgang Slany, der an der Fakultät für Informatik der TU Wien studierte, 2013 den Österreichischen Innovationspreis für Multimedia und E-Business.
Konstruktivismus oder Konstruktionismus?
Die ursprüngliche Idee, dass Lernende Bedeutung konstruieren, stammt von Jean Piaget. Der Konstruktivismus spricht von unsichtbarer Konstruktion von Bedeutung und Bedeutungszusammenhängen quasi im Geist von Lernenden. Im so genannten Konstruktionismus wird hingegen die Ansicht vertreten, dass erst durch die externe Konstruktion realer Artefakte Verstehen möglich ist.
Wenn Wissen von jedem Lernenden konstruiert wird, dann ist Kreativität eine permanente Voraussetzung. Häufig wird unterschätzt, wie viel kreative Energie in Lernprozesse investiert werden muss. Die diesjährige Konstruktionismus-Konferenz beschäftigt sich daher primär mit der Kreativität von Lernenden.
Über die Konferenz
Die Tagung Constructionism and Creativity adressiert ComputerwissenschafterInnen, die aktiv in der Lehre tätig sind, ebenso wie Lehrende in unterschiedlichen Bereichen. 2014 findet die Konferenz zum dritten Mal unter der Bezeichnung statt, beruht aber auf der 27-jährigen Tradition der Eurologo-Konferenzen.
Diese Konferenz wird organisiert vom Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme und der Österreichischen Computergesellschaft (OCG).
Links:
Konferenzhomepage
Conference program
Bild: © Joi Ito