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Röntgenstrahlen im Bündel

Ein Österreichisch-Deutsches Forscherteam erzeugte erstmalig laserähnliche Röntgenstrahlen, die außergewöhnliche Anwendungsmöglichkeiten in Aussicht stellen. Radiologen und Biologen haben seit der Entdeckung des Lasers einen Traum. Es ist der Traum von einer kompakten "Lichtquelle" im Labor, die Röntgenstahlen in einer Richtung wie Laserlicht aussendet.

Abb. 1: Das violette Licht entsteht aus Heliumatomen, die durch intensives Laserlicht angeregt werden. Der Laserpuls breitet sich entlang der Achse des violetten Flügels (horizontal) durch das Heliumgas aus. Den gleichen Weg nimmt der nicht sichtbare Röntgenstrahl gebündelt in einem Durchmesser von nur einigen hundert Mikrometern.

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Abb. 1: Das violette Licht entsteht aus Heliumatomen, die durch intensives Lase

Abb. 1: Das violette Licht entsteht aus Heliumatomen, die durch intensives Laserlicht angeregt werden. Der Laserpuls breitet sich entlang der Achse des violetten Flügels (horizontal) durch das Heliumgas aus. Den gleichen Weg nimmt der nicht sichtbare Röntgenstrahl gebündelt in einem Durchmesser von nur einigen hundert Mikrometern.

Abb. 2: Prof. Ferenc Krausz

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Abb. 2: Prof. Ferenc Krausz

Abb. 2: Prof. Ferenc Krausz

Eine solche Quelle wird es in Zukunft ermöglichen, Röntgenbilder mit weit höherer Auflösung bei gewaltig reduzierter Strahlendosis gegenüber der heutigen Bilderstellung zu erzeugen. Bei Anwendung für die Krebsfrüherkennung würde das eine dramatische Reduktion des Risikos bedeuten. Mikroskope, die mit einer solchen Strahlenquelle ausgestatten werden, würden eine Bildauflösung für Biomoleküle in ihrer natürlichen Umgebung (in vivo) im Nanometerbereich zeigen. Es kann noch einige Jahre dauern, bis sich der Forschertraum erfüllt, aber heute beschreiben Wissenschaftler im Rahmen einer Österreichisch-Deutschen Kooperation unter der Federführung von Ferenc Krausz ein Experiment, das einen erfolgversprechenden Weg zeigt, wie der Traum eines Tages Realität werden könnte.

Die Forscher der Technischen Universität Wien (<link http: info.tuwien.ac.at photonik _blank>Institut für Photonik), der Universitäten Würzburg und München und vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching stellen das erste kompakte Gerät im Labor vor, das einen laserartigen Röntgenstrahl für eine Wellenlänge von einem Nanometer erzeugt [Nature 433, 596 (2005)]. Das Experiment wurde in Wien durchgeführt und von den Österreichischen Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung (FWF) unterstützt.

Grundlagen

Die Farbe des Lichtes wird durch die Zykluslänge einer elektromagnetischen Welle festgelegt (von Physikern als Wellenlänge bezeichnet). Rotes Licht hat eine Wellenlänge von etwa 700 Nanometern, während violettes Licht mit einer Wellenlänge von etwa 400 Nanometer vom menschlichen Auge gerade noch wahrgenommen wird. Licht mit kürzeren Wellenlängen (ultraviolettes Licht) ist unsichtbar, und wenn sich der Wellenzyklus auf weniger als einen Nanometer verkürzt, ist der Röntgenstrahlenbereich erreicht.

Kurz und bündig

Das Österreichisch-Deutsche Forscherteam fokussierte eine Sequenz von intensiven ultrakurzen Blitzen von rotem Licht auf Heliumgas, um 700-nm Laserlicht in 1-nm Röntgenlicht umzuwandeln, das von den angeregten He-Atomen ausgestrahlt wird (Abbildung). Das hochintensive Laserfeld bewirkt gigantische Oszillationen der negativ geladenen Elektronenwolke um den positiv geladenen Atomkern und verwandelt dadurch die Atome zu Antennen. Wegen der gigantischen Amplituden ihrer Schwingungen, strahlen die Atome nicht nur mit der Wellenlänge des antreibenden Lasers (700 nm) sondern auch mit kürzeren Wellenlängen. Da die Antennen im Gleichtakt durch das Laserfeld angesteuert werden, wird der Zeittakt auch beim Abstrahlen der Wellen beibehalten. Die winzigen “atomaren“ Wellen sind zwar außerordentlich schwach, aber sie addieren sich, da sie alle im Takt schwingen. Damit entsteht eine Röntgenwelle von signifikanter Intensität, die in einem gerichteten Strahl parallel zum einfallenden Laserlicht ausgesandt wird.

Das oben beschriebene Phänomen ist nicht neu. Es handelt sich dabei um eine Standard-Technik für die routinemäßige Erzeugung laserähnlicher ultravioletter Strahlung für einen Wellenlängenbereich von 100 Nanometer bis unterhalb von 10 Nanometer. Es wird jedoch immer schwerer, die Grenzen dieser Technologie zu kürzeren Wellenlängen hin zu verschieben, da durch das starke Laserfeld mehr und mehr Elektronen aus den Atomen gerissen werden, die dann den Aufbau einer intensiven Welle aus schwachen “atomaren“ Wellen behindern. Das Wien-Würzburg-München Forscherteam hat diese Probleme gelöst, indem sie die Atome mit den weltweit kürzesten hochintensiven Laserpulsen bestrahlten. Die Pulsdauer betrug nur noch 5 millionstel einer milliardstel Sekunde (= 5 Femtosekunden). Diese Pulse treffen die Atome so abrupt, dass Elektronen vor dem Aussenden der Röntgenstrahlen nicht aus den Atomen gerissen werden können. Dank dieser extrem kurzen Wechselwirkungszeit schafften es die Forscher nicht nur die Nanometerbarriere zu durchstoßen, ihre Röntgenstrahlenquelle dürfte auch erstmalig Röntgenpulse mit einer Pulsdauer von kürzer als 0.1 Femtosekunde (= 100 Attosekunden) realisieren. Der von der neuen Quelle gelieferte Röntgenstrahl ist gegenwärtig noch zu schwach für praktische Anwendungen. Aber die Forscher sind überzeugt, dass technische Verbesserungen die Leistung der Röntgenstrahlen um einige Größenordnungen erhöhen werden. Wenn dieses Kunststück gelungen ist, bietet das neue “Werkzeug“ Wissenschaftlern völlig neue Möglichkeiten auf verschiedenen Gebieten der Physik, Biologie und Materialwissenschaften.

Originalveröffentlichung

J. Seres, E. Seres, A.J. Verhoef, G. Tempea, C. Streli, P. Wobrauschek, V. Yakovlev, A. Scrinzi, C. Spielmann, F. Krausz
Source of coherent kiloelectronvolt X-rays
Nature 433, 596, 10. Januar 2005