News

Quanten-Vakuum: Weniger Energie als null

Kann man sich aus dem leeren Raum Energie ausleihen, und muss man sie wieder zurückgeben? Energien kleiner als null sind erlaubt – zumindest innerhalb bestimmter Grenzen.

Das Vakuum ist in der Quantenphysik eine komplizierte Sache.

(Download und Verwendung honorarfrei © TU Wien)

Energie ist eine Größe, die immer positiv sein muss – das sagt uns zumindest unsere Intuition. Wenn man aus einem bestimmten Volumen jedes einzelne Teilchen entfernt, bis es dort nichts mehr gibt, das Energie tragen könnte, dann muss doch Schluss sein. Oder lässt sich dann immer noch Energie herausholen?

Die Quantenphysik hat immer wieder gezeigt, dass sie unserer Intuition widerspricht, und so ist es auch in diesem Fall: Unter bestimmten Bedingungen sind negative Energien erlaubt, zumindest in einem gewissen Bereich von Raum und Zeit. In welchem Rahmen das möglich ist, hat nun ein internationales Forschungsteam der TU Wien, der Université libre de Bruxelles (Belgien) und dem IIT Kanpur (Indien) untersucht. Dabei zeigt sich: Egal, welche Quantentheorien betrachtet, egal, welche Symmetrien man im Universum als gegeben voraussetzt – es gibt immer gewisse Grenzen, an die man sich beim „ausleihen“ von Energie halten muss. Lokal kann die Energie kleiner als null sein, aber wie beim Geldausleihen von der Bank muss man den Betrag am Ende zurückzahlen.

Abstoßende Gravitation

„In der Relativitätstheorie geht man normalerweise davon aus, dass die Energie immer und überall größer als null sein muss“, sagt Prof. Daniel Grumiller vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. Das hat eine ganz wichtige Konsequenz für die Gravitation: Über die Formel E=mc² ist Energie mit Masse verknüpft. Negative Energie würde somit auch negative Masse bedeuten. Positive Massen ziehen einander an, aber mit einer negativen Masse könnte die Gravitation plötzlich zu einer abstoßenden Kraft werden.

Die Quantentheorie allerdings erlaubt so etwas. „Nach der Quantenphysik ist es möglich, sich Energie an einem bestimmten Ort gewissermaßen aus dem Vakuum auszuleihen, wie Geld bei der Bank“, sagt Daniel Grumiller. „Offen blieb lange Zeit die Frage, wie hoch dieser Kredit maximal sein darf, und mit welchen Zinsen man ihn zurückzahlen muss.“ Über diese „Zinsen“ (in der Literatur als „Quantum Interest“ bekannt) gab es verschiedene Vermutungen, aber kein umfassendes Resultat.

Die sogenannte „Quantum Null Energy Condition“ (QNEC), die im Jahr 2017 bewiesen wurde, schreibt bestimmte Grenzen für das „Ausleihen“ von Energie vor, indem sie Relativitätstheorie und Quantenphysik miteinander verknüpft: Eine Energie kleiner als null ist demnach erlaubt, aber nur in einem bestimmten Gebiet und nur für bestimmte Zeit. Wie viel Energie sich man vom Vakuum ausborgen kann, bevor der energetische Kreditrahmen ausgeschöpft ist, hängt mit einer quantenphysikalischen Größe zusammen, der sogenannten Verschränkungsentropie.

„Diese Verschränkungsentropie ist in gewissem Sinn ein Maß dafür, wie quantenphysikalisch sich ein System verhält“, sagt Daniel Grumiller. „Wenn sich irgendwo im Universum ein Objekt befindet, bei dem quantenphysikalische Verschränkungen eine sehr große Rolle spielen, zum Beispiel der Rand eines schwarzen Lochs, dann kann dort für gewisse Zeit ein negativer Energiefluss entstehen, sodass negative Energien möglich werden.

Grumiller konnte diese speziellen Berechnungen nun gemeinsam mit Max Riegler und Pulastya Parekh verallgemeinern. Max Riegler hat seine Dissertation in der Forschungsgruppe von Daniel Grumiller an der TU Wien abgeschlossen und arbeitet ab Oktober als Postdoc in Harvard, Pulastya Parekh vom IIT in Kanpur (Indien) war am Erwin-Schrödinger-Institut und an der TU Wien zu Gast.

„Alle bisherigen Betrachtungen bezogen sich auf Quantentheorien, die den Symmetrien der speziellen Relativitätstheorie folgen. Wir konnten nun aber zeigen, dass diese Verbindung zwischen negativer erlaubter Energie und Quantenverschränkungen ein viel allgemeineres Phänomen ist“, erklärt Grumiller. Die Energiebedingungen, die ein Absaugen unendlicher Energiemengen aus dem Vakuum eindeutig verbieten, gelten unabhängig der speziellen Symmetrien für ganz unterschiedliche Quantentheorien.

Der Energieerhaltungssatz lässt sich nicht überlisten

Mit mystischen „Over-Unity-Maschinen“, die angeblich aus dem Nichts Energie erzeugen, wie sie in esoterischen Kreisen immer wieder präsentiert werden, hat das freilich nichts zu tun. „Dass die Natur für gewisse Zeit an einem bestimmten Ort eine Energie kleiner als null erlaubt, bedeutet nicht, dass der Energieerhaltungssatz verletzt wird“, betont Daniel Grumiller. „Um an einem bestimmten Ort negative Energieflüsse zu ermöglichen, muss es in der näheren Umgebung kompensierende positive Energieflüsse geben.“
Auch wenn die Sache etwas komplizierter ist als man früher dachte: Energie lässt sich nicht aus dem Nichts gewinnen. Durch die neuen Forschungsergebnisse lässt sich nun aber besser verstehen, wie Relativitätstheorie und Quantentheorien bei dieser Frage subtil miteinander zusammenhängen.


Originalpublikation

D. Grumiller, P. Parekh and M. Riegler, Phys.Rev.Lett. 123 (2019) 121602, DOI: 10.1103/PhysRevLett.123.121602, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Frei zugängliche Version: https://arxiv.org/abs/1907.06650, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Kontakt

Prof. Daniel Grumiller
Institut für Theoretische Physik
Technische Universität Wien
Wiedner Hauptstraße 8-10, 1040 Wien
T +43-1-58801-13634
daniel.grumiller@tuwien.ac.at

Aussender:
Dr. Florian Aigner
PR und Marketing
Technische Universität Wien
Resselgasse 3, 1040 Wien
T: +43-1-58801-41027
florian.aigner@tuwien.ac.at