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Quanten-Tornado im Elektronenstrahl

Prof. Schattschneider von der Technischen Universität (TU) Wien entwickelt mit Kollegen aus Belgien eine Methode, rotierende Elektronenstrahlen zu erzeugen und veröffentlicht die neue Technik im Fachjournal „Nature“.

Der Vortex-Strahl

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Der Vortex-Strahl

Der Vortex-Strahl

Ao.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Mag.rer.nat. Dr.techn. Peter Schattschneider

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Ao.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Mag.rer.nat. Dr.techn. Peter Schattschneider

Ao.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Mag.rer.nat. Dr.techn. Peter Schattschneider

Eine ebene Welle (links) trifft auf die speziell geformte Gittermaske, die den Elektronenstrahl in einen rechts- und einen linksdrehenden Vortex-Strahl (oben und unten), sowie einen mittleren Strahl ohne Drehung umwandelt. Ähnlich wie bei einem Tornado ist die Rotation des Elektronenstroms im Inneren gering.

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Eine ebene Welle (links) trifft auf die speziell gefor

Eine ebene Welle (links) trifft auf die speziell geformte Gittermaske, die den Elektronenstrahl in einen rechts- und einen linksdrehenden Vortex-Strahl (oben und unten), sowie einen mittleren Strahl ohne Drehung umwandelt. Ähnlich wie bei einem Tornado ist die Rotation des Elektronenstroms im Inneren gering.

Wien (TU) - Mit rotierenden Quantenteilchen Materie manipulieren: Einem Team von der Universität Antwerpen und der TU Wien (Prof. Peter Schattschneider, Institut für Festkörperphysik) gelang es, sogenannte Vortex-Strahlen zu erzeugen: Rotierende Elektronenstrahlen, die es erlauben, magnetische Eigenschaften der Materie zu untersuchen. In Zukunft können sie es sogar ermöglichen, winzigste Bauteile gezielt zu manipulieren und in Rotation zu versetzen. Über diesen Durchbruch in der Elektronenphysik und seine Anwendung berichten die Physiker in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Nature“.

Rotierender Strom: der Quanten-Tornado

Elektronenstrahlen werden schon lange zur Analyse von Materialien verwendet – etwa in Elektronenmikroskopen. Ihre Drehung spielt dabei meist keine Rolle. Klassisch betrachtet trägt ein Elektronenstrom im Vakuum keinen Bahndrehimpuls. Quantenmechanisch allerdings muss man sich die Elektronen wie einen wellenartigen Strom vorstellen – und der kann sich insgesamt umseine Ausbreitungsrichtung herum drehen, ähnlich wie der Luftstrom in einem Tornado.
Vortex-Lichtstrahlen  werden in der Optik seit einiger Zeit verwendet (etwa als optische Pinzetten, um kleine Teilchen zu manipulieren).  Vortex-Strahlen aus Elektronen bieten ebenfalls viele neue Möglichkeiten, Nanoteilchen zu steuern oder drehimpulsbezogenen Größen zu messen. Allerdings hatte man bisher keine wirklich effizienten Methoden, sie herzustellen. „Als ich dann an einer Idee arbeitete, wie man diese Strahlen technisch erzeugen könnte, stellte sich heraus, dass Kollegen aus Antwerpen die gleiche Idee gehabt hatten“, erzählt Prof. Schattschneider. „So beschlossen wir also, das Projekt gemeinsam weiterzuverfolgen: Antwerpen war in der Herstellung weiter, und aus Wien kam dann ein Vorschlag zur ersten Anwendung.“

Der Trick mit der Maske

Möglich wurde die Erzeugung der Vortex-Elektronenstrahlen mit Hilfe einer gitterartigen Maske, die aus einer Platinfolie herausgeschnitten wird. Ähnlich wie Lichtstrahlen gebeugt werden, wenn man sie durch ein feines Gitter sendet, verhält  sich auch der Elektronenstrahl, wenn er die Platinmaske passiert. Die Form dieser Maske, die nur einige Millionstel Meter misst, wurde speziell so berechnet, dass eine einfallende ebene Elektronenwelle in Vortex-Strahlen umgewandelt wird. So bildet sich hinter dem Gitter ein rechtsdrehender und ein linksdrehender Vortex-Strahl, und in der Mitte ein gewöhnlicher Elektronenstrahl ohne Rotation. Bestrahlt man mit den Elektronen ein Material, das seinerseits Einfluss auf den Drehimpuls der Elektronen ausübt, und schickt man die Elektronen anschließend durch die maßgeschneiderte Platinmaske, so ist danach entweder der rechtsdrehende oder der linksdrehende Vortex-Strahl intensiver. „Das gibt uns die Möglichkeit, drehimpulsbehaftete Prozesse in Nanomaterialien viel genauer zu untersuchen als das bisher machbar war“, erklärt Prof. Schattschneider.

Besser als Science Fiction

Dem Physiker, der gelegentlich auch wissenschaftliche  Science-Fiction schreibt, fällt es nicht schwer, sich noch exotischere Anwendungen der Vortex-Strahlen auszudenken: „Man könnte mit diesen Elektronenstrahlen gezielt  winzige Räder eines mikroskopisch kleinen Motors in Drehung versetzen. Auch das Magnetfeld der kreisenden Elektronen könnte auf winzigsten Längenskalen eingesetzt werden“, spekuliert Schattschneider. Selbst Anwendungen in der  Datenübertragung (Quantenkryptographie) und bei Quantencomputern sind denkbar.

Infobox: Drehimpuls

In der Quantenmechanik unterscheidet man den Bahndrehimpuls eines Teilchens (etwa bei der Drehung eines Elektrons um den Atomkern) vom inneren Drehimpuls (Spin). Der Spin wird oft mit der Eigenrotation eines Teilchens verglichen – ähnlich wie sich auch die Erde um ihre eigene Achse dreht. Nachdem Elektronen keine Kugeln sind, sondern punktförmig und ohne eigene Ausdehnung beschrieben werden, ist dieser Vergleich nur eingeschränkt gültig. Im Gegensatz zur Eigenrotation der Erde, die theoretisch jede beliebige Geschwindigkeit annehmen könnte, kann der Spin eines Elektrons immer nur einen von zwei Werten haben. Man spricht von „Spin up“ oder „Spin down“.

Die Vortex-Strahlen allerdings tragen ihren Drehimpuls nicht aufgrund des Elektronenspins, ihr Drehimpuls ergibt sich durch eine räumliche Rotation der Teilchenstroms um die Ausbreitungsrichtung der Elektronenwelle, er ist somit ein Bahndrehimpuls. Damit kann er höhere Werte annehmen als jene, die für den Elektronenspin quantenmechanisch möglich wären.

Fotodownload: <link http: www.tuwien.ac.at>

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Originalpublikation:
J. Verbeeck, H. Tian, P. Schattschneider: Production and application of electron vortex beams, Nature, 2010.

Rückfragehinweis:
Ao. Univ. Prof. Mag. Dr.
Peter Schattschneider
Institut für Festkörperphysik
Technische Universität Wien
Wiedner Hauptstraße 8-10
1040 Wien
T +43-1-58801-13722
<link>peter.schattschneider@tuwien.ac.at

Aussender:
Dipl.-Ing. Florian Aigner
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Technische Universität Wien
Operngasse 11, 1040 Wien
T: +43-1-58801-41027
<link>florian.aigner@tuwien.ac.at