Roland Grössinger wird als liebenswerter, zuvorkommender und engagierter Kollege in Erinnerung bleiben, der mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten am Institut für Festkörperphysik (vormalig: Institut für Experimentalphysik) über mehr als vier Jahrzehnte durch seinen Enthusiasmus und seiner Begeisterung für Magnetismus bei vielen Kolleginnen und Kollegen das Interesse für diesen Bereich geweckt hat und vielen Studierenden einen ersten Kontakt mit diesen physikalischen Phänomenen ermöglichte.
Roland Grössinger hatte an der Technischen Hochschule Wien Technische Physik studiert und im Februar 1970 sein Studium mit der Diplomarbeit über die "Konstruktion eines Mössbauer-Spektrometers" abgeschlossen. Parallel zum Studium hat er als Entwicklungsingenieur bei Schlumberger und als Konsulent am Elektrotechnischen Institut am Arsenal gearbeitet, sowie als Projektleiter über "Verformung mittels Hochenergie-Ultraschall".
Im Juli 1971 trat Roland Grössinger eine Stelle als Assistent am Institut für Experimentalphysik der Technischen Hochschule Wien (ab 1. Oktober 1975: Technische Universität Wien) an. Seine Doktorarbeit mit dem Titel "Magnetische Eigenschaften der RE(Fe,Al)2 Laves Phasen, RE = Seltene Erden" schloss er im Mai 1975 bei Walter Steiner ab. Die weitere, vertiefte Arbeit an Seltenen Erd-Systemen erlaubte ihm, sich im Fachbereich "Experimentelle Metallphysik" zu habilitieren und damit die Grundlage zum Aufbau seiner Arbeitsgruppe am Institut für Experimentalphysik der TU Wien zu schaffen. Am 27. April 1983 wurde ihm die Venia Legendi als Universitätsdozent verliehen und im Dezember 1993 ernannte ihn der zuständige Wissenschaftsminister zum "außerordentlichen Universitätsprofessor". 2002 wurde ihm der Titel "Universitätsprofessor" verliehen.
Roland Grössinger hat zu Beginn seiner aktiven Zeit an der TU Wien wichtige experimentelle Einrichtungen am damals neu gegründeten Institut für Experimentalphysik aufgebaut und in der Folge zahlreiche wissenschaftliche sowie technische Kooperationen im In- und Ausland etabliert, die teilweise bis heute aktiv sind, wie es ein langlaufendes Forschungsprojekt mit der schwedischen ABB Gruppe zeigt. Zu den bedeutendsten Zeugnissen seiner Tätigkeit zählt sicherlich das magnetische Hochfeldlabor, das in seinen Anfängen bis in die 1970er Jahre zurückreicht und das seinen endgültigen Ausbau im Zuge der Institutsübersiedlung ins Freihaus erfuhr. Die Leistungsfähigkeit dieser Anlage ist durchaus vergleichbar mit internationalen Großforschungsanlagen in diesem Bereich und zeigt insbesondere den Mut, die Geschicklichkeit und das Können von Roland Grössinger. Bemerkenswert in diesem Kontext sind sein Wissen und seine Kompetenz bezüglich elektronischer Schaltungen und selbstgebauter Messsysteme, die heute noch Bestandteil mancher Messplätze am Institut sind.
Die wissenschaftliche Arbeit, die uns Roland Grössinger hinterlässt, ist in über 400 Publikationen dokumentiert. Dazu kommen mehr als 100 eingeladene Vorträge bei internationalen Fachtagungen sowie mehrere hundert sonstige wissenschaftliche Beiträge. Er war überdies Mitglied in zahlreichen internationalen Fachkollegien und konnte so wichtige Entwicklungen im Bereich des Magnetismus auch weltweit mitgestalten. Der "Techniker" im Wissenschafter Roland Grössinger ist durch 10 Patente sowie durch sein Engagement als Ziviltechniker ausgewiesen.
Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit hat Roland Grössinger die Lehre an der Technischen Universität Wien nicht nur mit viel Engagement wahrgenommen, er hat sie auch als seine persönliche Pflicht verstanden, wie es die große Anzahl der von ihm gestalteten Pflicht- und Wahllehrveranstaltungen demonstriert. Daraus resultierten auch mehr als 50 betreute Diplomarbeiten sowie mehr als 20 Dissertationen. Bemerkenswert ist auch sein Einsatz als Vorsitzender der Studienkommission "Technische Physik" von 1999 bis 2007. In diese Zeit fällt auch die Umstellung der Studien an Technischen Universitäten, von Diplomstudiengängen zum Bachelor- und Mastersystem. Mehr als 300 Studienanfänger_innen pro Jahr zeigen die erfolgreiche Transformation im Bereich des Studiums "Technische Physik" an der TU Wien. Roland Grössinger hat sich dabei insbesondere der Betreuung von Studentinnen und Studenten aus außereuropäischen Ländern wie Vietnam, Kuba, Pakistan oder Brasilien angenommen, die technisch noch nicht so gut ausgestattet waren, und sich somit sehr für den Fortschritt von Wissenschaft und Technik in diesen Ländern eingesetzt
In einem kurzen Nachruf ist es nicht möglich, das Engagement von Roland Grössinger in allen Details auszuleuchten, sowie alle seine Errungenschaften zu dokumentieren. Wir, seine Kolleginnen und Kollegen am Institut für Festkörperphysik, sind aber sehr dankbar dafür, Roland an unserem Institut gehabt zu haben: er war ein stets kompetenter Ansprechpartner, wenn beispielsweise elektronische Schaltungen wieder einmal das Gegenteil davon taten, was man erwartete. Man konnte mit ihm aber auch einfach über neue Entwicklungen in der Festkörperphysik oder das internationale Tennisgeschehen diskutieren. Roland hat über seinen Tod hinaus einen bleibenden Beitrag in der Wissenschafts- und Universitätswelt hinterlassen; allein schon aufgrund seiner von ihm betreuten Absolventinnen und Absolventen, die großteils beeindruckende berufliche Karrieren aufweisen, bleibt er in unvergesslicher Erinnerung.
Abgesehen von seinen großartigen Leistungen in Forschung und Lehre werden wir auch nie vergessen, dass Roland ein ausgeprägtes Gespür dafür hatte, ob Sachfragen gerecht entschieden wurden. War das nicht der Fall, scheute er sich nicht im Geringsten, dies auch offen anzusprechen, selbst wenn dies mit Nachteilen für ihn verbunden war. In Diskussionen vertrat er seinen Standpunkt stets mit Vehemenz, aber ohne seinem Gegenüber den gebührenden Respekt zu verweigern. Roland konnte sehr genau zuhören und er war grundsätzlich immer bereit, seinen Standpunkt zu hinterfragen oder zu ändern, falls Argumente der Gegenseite ihn überzeugten.
Wir werden ihn sehr vermissen!