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Mit Regelungstechnik die Pandemie vorhersagen

In der Corona-Pandemie bilden Prognosen die Basis für politische Entscheidungen. Betrachtet werden z. B. die Fallzahlen und die Auslastung der Spitäler. Ein Team der TU Wien entwickelte dazu ein neues Prognoseverfahren.

COVID-Patient_innen nach dem neuen Modell

© Stefan Jakubek

Ex-post-Analyse und Validierung von Rolling forecasts der Belegungen von Spitälern und Intensivstationen

Akkurate Prognosen in der Pandemie sind vor allem für politische Entscheidungen entscheidend. Die wichtigsten Kennzahlen sind gemeinhin die Hospitalisierungen und die Belegungen der Intensivbetten. Eine neue Herangehensweise dafür präsentiert nun ein Team um Stefan Jakubek vom Institut für Mechanik und Mechatronik der TU Wien. Der in Kooperation mit der MedUni Wien entwickelte Ansatz liefert einen innovativen Zugang – und zwar aus der Perspektive der Regelungstheorie. Genutzt werden kann die Methode zur quantitativen Analyse und Vorhersage wesentlicher Größen der Pandemie, speziell der Belegung von Spitälern und Intensivstationen.

Zentrale Fragen – zentrale Herausforderungen

Bei der Entwicklung von Prognoseverfahren gilt es diverse Faktoren zu berücksichtigen. Lässt sich die Auslastung der Intensivstationen alleine aufgrund der Corona-Fallzahlen vorhersagen? Welchen Einfluss hat die Corona-Schutzimpfung auf die Dynamik? Diese und ähnliche Zusammenhänge zeichnen sich durch beträchtliche Komplexität und stark nichtlineare Dynamik aus. „Viele Faktoren, die die Fallzahlen oder die Belegung der Intensivbetten signifikant beeinflussen, sind zudem quantitativ schwer oder gar nicht erfassbar,“ sagt Stefan Jakubek. Auch sind die zum Abgleich erforderlichen Daten in vielen Ländern unzureichend beziehungsweise nicht zeitgerecht verfügbar.

Die Lösung: Eine Methode der nichtlinearen Regelungstheorie

Die von Stefan Jakubek entwickelten Ansätze bedienen sich Methoden der nichtlinearen Regelungstheorie. Diese werden auf ein gängiges epidemiologisches Modell angewendet und in Folge mit dynamischen Modellen der Spitalsbelegung erweitert. „Die für die Prognosen erforderlichen Parameter kann man ausschließlich aus offiziell vorhandenen Daten, ohne weitere Annahmen ableiten“,erklärt Jakubek. Die Forscher_innen kalibrierten ihre Methodik mit den von den diversen Ländern veröffentlichten Zahlen der Vergangenheit, von Großbritannien bis Israel. Jakubek und sein Team prognostizieren dabei einerseits die Anzahl der aktiven COVID-Fälle sowie die Belegung der Krankenhäuser und Intensivstationen.

Genauigkeit der Methode bestätigt

Ein Blick in die Vergangenheit belegt die Zuverlässigkeit der Prognosen: „Wir haben unsere Methoden anhand der Daten der vergangenen Monate einer Ex-post-Analyse unterzogen, und selbst für uns ist die Genauigkeit überraschend“, sagt Jakubek. Dabei haben er und sein Team neben Österreich auch andere Länder analysiert. Was die Methodik dabei zusätzlich verrät: Wie bedeutsam etwa saisonale Effekte sind und wie wirksam staatliche Interventionen wie zum Beispiel Lockdowns waren – man nennt das „exogene Variablen”. „Das besondere an der Methode ist zudem, dass die Summe all dieser sonst schwer oder gar nicht zugänglichen exogenen Variablen in Echtzeit quantitativ bestimmt werden können“, stellt Jakubek heraus.

Der Lösungsansatz im Detail

Wie die von Stefan Jakubek und seinem Team entwickelte Methodik grundsätzlich funktioniert, findet man in der Fachzeitschrift Journal of Nonlinear Dynamics sowie in unserem Beitrag von Februar: Zustandsdiagnose: Methoden der Regelungstechnik in der Pandemie, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster.

Weitere Informationen finden Sie auf der Info-Webseite: imm-covid-analytics.at, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster. Dort können Sie auch die wöchentlich aktualisierten Analysen und Prognosen für Österreich und weitere Länder einsehen.

 

Originalpublikation

Christoph Hametner, Martin Kozek, Lukas Böhler, Alexander Wasserburger, Zhang Peng Du, Robert Kölbl, Michael Bergmann, Thomas Bachleitner-Hofmann, Stefan Jakubek, 2021, Estimation of exogenous drivers to predict COVID-19 pandemic using a method from nonlinear control theory, Journal of Nonlinear Dynamics https://doi.org/10.1007/s11071-021-06811-7, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Kontakt

Univ. Prof. Dr.  Stefan Jakubek, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Institut für Mechanik und Mechatronik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 325510
stefan.jakubek@tuwien.ac.at

Text: Sarah Link