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Materialforschung, die Theorie und Praxis vereint

Spezialforschungsbereiche bieten die Möglichkeit, über Institutsgrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. TU Wien und Uni Wien erforschen nun mit vereinten Kräften komplexe Materialien.

Ulrike Diebold

© David Rath

Die vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) geförderten Spezialforschungsbereiche (SFBs) bieten ein hohes Maß an Vernetzung und Interdisziplinarität. Denn darin arbeiten Wissenschaftler_innen aus verschiedenen Forschungsgruppen zusammen und widmen sich gemeinsam einem größeren Forschungsvorhaben.

Ein neuer Spezialforschungsbereich „Taming Complexity in Materials Modeling“, kurz TACO, nahm im März dieses Jahres seine Arbeit auf. Er ist damit der elfte SFB, an dem die TU Wien beteiligt ist. Die einzelnen Projekte aus dem Spezialforschungsbereich TACO werden am 27. und 28. September öffentlich vorgestellt, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Von der wissenschaftlichen Neugierde getrieben

Warum die Komplexität bei der Entwicklung neuer Materialien eine zentrale Rolle spielt und welche Synergien sich aus der Kooperation ergeben können, lesen Sie im Interview mit Prof. Ulrike Diebold, Koordinatorin von TACO.

Frau Prof. Diebold, warum ist es wichtig, dass man komplizierte Materialien besser versteht?

Ulrike Diebold: Erstens ist da natürlich die wissenschaftliche Neugierde: uns Wissenschaftler_innen interessiert ja immer gerade das, was wir noch nicht verstehen. Während wir Materialien mit einer einfacheren chemischen Zusammensetzung schon ganz gut im Griff haben, wird es kompliziert, sobald sich mehrere Elemente zusammentun.

Zweitens hat unser Interesse auch handfeste Gründe: die Materialien, die uns speziell beschäftigen – Oxide mit mehreren Komponenten – eignen sich aufgrund ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften besonders gut für Energieumwandlung und -speicherung. Sie kommen in Gebieten zur Anwendung, die gerade jetzt hochrelevant sind, etwa bei der Nutzung von CO2. Um die Effizienz zu steigern muss man die zugrundeliegenden Prozesse, die sich auf molekularer Ebene abwickeln, sehr genau kennen.

Und wie gelingt Ihnen das?

Ulrike Diebold: Das Stichwort ist „Materialmodellierung“ – Mithilfe von quantenmechanischen Methoden kann man vieles schon gut berechnen. Aber die Rechnungen dauern noch viel zu lange, um die gerade erwähnten Prozesse wirklichkeitsgetreu modellieren zu können. Unsere Theoretiker_innen verwenden unterschiedlichste Methoden des „Machine Learnings“, um dies um Größenordnungen zu beschleunigen.

Welche Chancen bietet die enge Zusammenarbeit mit Forschungsgruppen der Universität Wien im Rahmen des neuen Spezialforschungsbereichs?

Ulrike Diebold: Die TU Wien und die Uni Wien sind schon allein geographisch recht eng beieinander, ich brauche mit meinem Fahrrad nur 10 Minuten und schon bin ich bei meinen Kolleg_innen an der Uni Wien. Einige von uns haben auch bisher schon gut zusammengearbeitet, auf informeller Basis. Mit diesem SFB werden wir zu einer echten Gemeinschaft zusammenzuwachsen – mit einem gemeinsamen Ziel.

Theorie und Praxis klaffen manchmal weit auseinander. In Ihrem Fall sollen sie eng miteinander vernetzt werden. Wie möchten Sie das schaffen?

Ulrike Diebold: Indem wir uns bei unseren Untersuchungen auf einige wichtige Materialien konzentrieren, diese aber in ihrer Form immer komplexer werden. In meiner eigenen Forschung etwa verwenden wir wohldefinierte Proben und kontrollieren die Umgebung der Proben extrem genau. Unsere Resultate sind mit den theoretischen Rechnungen sehr direkt vergleichbar. Dieser physikalische Ansatz ist dann die Grundlage für Experimente mit Nanomaterialien und Pulvern, die der technischen Anwendung näherkommen. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen den experimentellen Gruppen und im konstanten Feedback mit der Theorie wagen wir uns zu immer komplexeren Materialien vor. Wir sind sicher, dass wir im Team bei der Materialmodellierung große Sprünge machen werden!

Kontakt

Prof. Dr. Ulrike Diebold
Institut für Angewandte Physik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 13425
ulrike.diebold@tuwien.ac.at

Text: Sarah Link