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Internationaler Frauentag – Ein Tag ist nicht genug

1911 fand erstmals der Internationale Frauentag statt. Vizerektorin Anna Steiger im Gespräch zu Gleichberechtigung und Chancengleichheit und warum auch nach 110 Jahre Aktion gefragt ist.

Vizerektorin Anna Steiger neben Logo International Women´s Day © Raimund Appel

© Raimund Appel

Vizerektorin Anna Steiger

1911 diente der 8. März erstmals dazu Forderungen zu Gleichberechtigung und Chancengleichheit öffentlich und grenzüberschreitend zu artikulieren, seit 1921 wird der Tag jährlich begangen. Ursprüngliches Ziel des Internationalen Frauentages war die Agitation für das Frauenwahlrecht. Dieses Ziel ist in Österreich seit 1918 erreicht, der Studienzugang für Frauen an der damals Technischen Hochschule ist seit 1919 umgesetzt. Es gibt aber eine Reihe an weiteren Bereichen, in denen auch 2021 Handlungsbedarf besteht: Lohngerechtigkeit, Karrierechancen oder Bekämpfung der Alltagsdiskriminierung.

Anna Steiger, Vizerektorin für Personal und Gender an der TU Wien im Gespräch zu Frauenförderung, Quoten und warum ein Tag im Jahr zu wenig ist:

Was ist das generelle Ziel von Frauenförderung an der TU Wien?

Ich bin 2011 an die TU gekommen, schon damals hat die TU Uni darum gekämpft mehr Frauen für Technik zu interessieren, mehr Frauen als Mitarbeiterinnen und Studierende zu gewinnen. Mit dem Begriff Frauenförderung wurden allerdings auch negative Aspekte verbunden. Es geht ja tatsächlich nicht darum ein Defizit bei Frauen auszugleichen, sondern an der Gleichstellung zu arbeiten und die gesellschaftliche Wahrnehmung zu verändern. Wir machen das unter der mittlerweile gut etablierten Marke "Genderkompetenz". Ziel ist und bleibt Frauen im technischen-naturwissenschaftlichen Bereich als Selbstverständlichkeit zu platzieren. Mein Ziel ist Chancengleichheiten für alle TU-Angehörigen, einen bestmöglichen Rahmen für Studierende und Mitarbeiter_innen und eine Vorbildrolle der TU Wien, die über die Universität hinausgeht.

Wie genau soll das erreicht werden?

Reine Bekenntnisse ändern bekanntlich nichts. Deshalb sind im Frauenförderungsplan der TU Wien konkrete Maßnahmen zusammengefasst, die strategische Verankerung ist im Entwicklungsplan erfolgt. Maßnahmen reichen von Mädchenworkshops ab dem Kindergartenalter über Infoangebote für Schüler_innen, Mentoring-Angebote für Studieninteressierte und -beginnerinnen bis hin zu Karrierecoachings für Wissenschaftler_innen. Die Abteilung Genderkompetenz ist als interne Servicestelle für Studierende, Lehrende und Wissenschaftler_innen etabliert. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Netzwerken auf nationaler und internationaler Ebene, wie bspw. CESAER gehört zum Paket. Wir wollen nicht weniger als eine gesellschaftliche Revolution erreichen. Das ist natürlich nicht alleinige Aufgabe einer Vizerektorin oder der Frauen an der TU Wien, sondern eine gemeinsame Aufgabe von Männern und Frauen weit über die TU hinaus. Und das 365 Tage im Jahr und nicht nur an einem Internationalen Frauentag. Das ist nicht immer bequem und Fortschritte stellen sich mitunter nur langsam ein. Aber gerade deshalb heißt es dranzubleiben. 

Was verstehen Sie unter Feminismus, ist das der Schlüssel zu Veränderungen?

Feminismus ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Da muss ich gar nicht drüber nachdenken und möchte das auch nicht genau definieren. Feminismus bedeutet für mich Emanzipation und Gleichstellung von Frauen und Männern. Den Schlüssel für Veränderungen zu kennen wäre toll, aber ich befürchte die eine einfache Antwort darauf gibt es nicht. Wenn allen Beteiligten klar ist, dass Gleichstellung Vorteile für alle bringt, dann wären wir einen wichtigen Schritt weiter. Das bedarf aber viel Überzeugungsarbeit und Sensibilisierung. Das Familienbild in Österreich ist sehr traditionell, das drückt sich auch in der aktuellen Pandemie aus. Die Erwartungshaltung scheint zu sein, dass die Frauen sich schon um alles zuhause kümmern und Homeoffice, Homeschooling und Haushalt nebenbei organisieren. Um hier ein anders Bild an unsere Kinder zu vermitteln muss bereits früh angesetzt werden und z.B. der Unterricht gendersensibel gestaltet werden.

Sind Quotenregelungen ein Weg zu diesem Ziel?

Das Universitätsgesetz hatte ja von Beginn an eine Quote definiert. Insofern haben Universitäten eine Vorreiterrolle und ich finde das gehört auch zu unserer gesellschaftlichen Verantwortung. 2004 gab es keine Rektorin, 2020 waren es 6 Rektorinnen und 43 Vizerektorinnen. Hätten wir die Quote nicht, wären wir wahrscheinlich nicht dort, wo wir jetzt sind. Als Juristin muss ich auch sagen, dass auch für Firmen gesetzliche Regelungen getroffen werden müssen um hier weiterzukommen. Bis umfassende Gleichstellung erreicht ist, ist die Quote für mich ein probates Mittel aktiv einzuwirken und auch ein Internationaler Frauentag sinnvoll um Aufmerksamkeit auf die Gebiete zu lenken, in denen etwas verändert werden muss.

Oft wird argumentiert es gäbe ja keine qualifizierten Frauen, vor allem in technisch-naturwissenschaftlichen Bereichen.

Das stimmt einfach nicht, man muss nur bewusst suchen. Oft neigen Frauen dazu ihr Licht unter den Scheffel zu stellen bzw. weniger in den Vordergrund zu drängen. Das liegt auch daran, dass es natürlich seltsam ist die einzige Frau in einem Gremium oder auf einem Podium zu sein. Aber gerade diese Role Models sind wichtig um als Vorbilder für die Technikerinnen der Zukunft zu fungieren und die Karriereoption Technik lebendig zu machen. Die TU Wien vergibt deshalb seit 2015 den Frauenpreis, um tolle, erfolgreiche Frauen mit spannenden Biografien vor den Vorhang zu holen, 2021 war das Katrin Zorn von der Miba Gruppe. Als Teil der TU Austria, dem Verband der drei technischen Universitäten vergeben wir zusätzlich jährlich den "Technikerin der Zukunft"-Preis, für den Schülerinnen ihre Projekte in einem Wettbewerb einreichen. Es gibt genug erfolgreiche Frauen, auf allen Ebenen der Karrierelaufbahn. Trotzdem hält sich das Bild der männlich dominierten Technik. Und hier sind wir wieder beim Auftrag dieses Bild aufzubrechen.

Am Frauentag wird an der TU Wien traditionell trotzdem gefeiert. Weshalb?

Um den Internationalen Frauentag auch als Feiertag zu begehen, lade ich seit Jahren zum gemeinsamen Frauenfrühstück. Es geht mir darum bei diesem Anlass allen Frauen ein Dankeschön auszusprechen, zu ihren Erfolgen zu gratulieren und gemeinsam zu feiern. Pandemie-bedingt findet das heuer online statt. Die Mission der TU Wien ist "Technik für Menschen" – dies bedeutet auch, dass wir unseren Weg zur Gleichstellung von Frauen und Männer jedenfalls fortsetzen!

In diesem Sinne einen schönen Internationalen Frauentag!

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