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Hoffnung auf revolutionären Hochtemperatur-Supraleiter lebt fort

Berechnungen der TU Wien zeigen: Neuentdecktes Material LK-99 hat tatsächlich Eigenschaften, die für Supraleitung vorteilhaft sein könnten.

Ein Supraleiter schwebend über einem Magneten

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zwei Personen vor einer Tafel

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Graphik, die die Anordnung der Atome im Kristall zeigt

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LK-99 heißt das Material, über das in diesen Tagen weltweit heiß diskutiert wird: Eine koreanische Forschungsgruppe veröffentlichte Ende Juli 2023 Ergebnisse, die darauf hindeuten, dass es sich dabei um einen Supraleiter handeln könnte, der auch bei Raumtemperatur und normalem Atmosphärendruck supraleitend bleibt, also Strom völlig ohne elektrischen Widerstand leitet. Bisher bekannte Supraleiter behalten ihre Eigenschaften nur, wenn sie entweder auf sehr tiefe Temperaturen gekühlt oder extrem hohem Druck ausgesetzt werden.

Sollte sich diese Vermutung bestätigen, wäre das ein gewaltiger Durchbruch: Als „Heiliger Gral“ der Materialwissenschaft wurde ein solcher Hochtemperatur-Supraleiter immer wieder bezeichnet. Ein solches Material würde die Art revolutionieren, wie wir Strom generieren, transportieren, speichern und Elektromotoren nutzen. Allerdings gibt es noch berechtigte Zweifel. An der TU Wien analysierte man nun das Material mit Computersimulationen und machte dabei einige interessante Entdeckungen: Die berechneten Elektronenzustände sind tatsächlich recht günstig für Supraleitung. Beweis ist das freilich noch keiner – aber ein weiterer Grund, dem neuen Material ernsthafte Aufmerksamkeit zu schenken.

Der erste Schritt ist die Bandstruktur

Prof. Liang Si von der Northwestern University Xi'an und Prof Karsten Held vom Institut für Festkörperphysik der TU Wien starteten sofort nach Bekanntwerden der Entdeckung Computersimulationen, um das neue Material LK-99 zu analysieren. „Entscheidend ist die sogenannte Bandstruktur des Materials“, erklärt Karsten Held. „Sie sagt uns, welche Kombinationen aus Geschwindigkeit und Energie für die Elektronen in diesem Material möglich sind. Wenn man diese Bandstruktur kennt, kann man viel über die elektrischen Eigenschaften des Materials aussagen.“

Mit Hilfe der Dichtefunktionaltheorie konnten Liang Si und Karsten Held diese Bandstruktur berechnen. Dabei zeigt sich: Die elektrische Abstoßung zwischen den Elektronen führt dazu, dass das Material in Reinform eigentlich ein sogenannter Mott-Isolator sein müsste – ein Material, das gar keinen Strom leitet, in gewissem Sinn das Gegenteil eines Supraleiters. In den Experimenten dürfte somit unbeabsichtigt eine dotierte Variante des Materials verwendet worden sein – also eine, bei der bestimmte Zusatzatome eingebaut wurden. Und wenn dem Material durch diese Art der Dotierung zusätzliche Elektronen hinzufügt werden, dann sieht das Ergebnis völlig anders aus.

„Wir sehen relativ flache Linien in der Bandstruktur, und man weiß, dass es verschiedene Mechanismen gibt, die bei einer solchen Bandstruktur zu Supraleitung führen können“, sagt Karsten Held. Es scheint also tatsächlich im Bereich des Möglichen zu sein, dass LK-99 (mit passender Dotierung) ein Supraleiter ist. „Bestätigt wird das von einer anderen Arbeitsgruppe aus Peking, die bei ersten Experimenten zum Ergebnis kamen, dass es sich bei LK-99 um einen paramagnetischen Isolator handelt. Man muss das Material dotieren, um die Bandstruktur zu erhalten, die potenziell Supraleitung ermöglicht.“, so Held.

Drei andere Forschungsgruppen führten zur selben Zeit ebenfalls Dichtefunktionaltheorie-Rechnungen mit ähnlichen Ergebnissen durch. „Das ist noch kein Beweis für Hochtemperatur-Supraleitung, es ist nach wie vor möglich, dass es sich nicht um einen Supraleiter handelt. Aber unserer Ergebnisse nähren zumindest ein bisschen die Hoffnung, dass es sich tatsächlich um einen lange gesuchten Hochtemperatur-Supraleiter handeln könnte“, sagt Karsten Held.

Supraleitung oder Diamagnetismus?

Wenn man einen Supraleiter auf einem Magneten platziert, so beginnt auf der Oberfläche des Supraleiters elektrischer Strom zu fließen, der seinerseits ein Magnetfeld erzeugt. Der Supraleiter wird vom Magneten abgestoßen und kann somit über dem Magneten schweben. Daher war eines der zentralen Argumente dafür, dass LK-99 ein Supraleiter ist, ein Video, das LK-99 beim Schweben über einem Magneten zeigt. Diese Experimente wurden mittlerweile von anderen experimentellen Gruppen bestätigt.

Kritisiert wurde allerdings, dass es sich in diesem Fall auch um einen anderen Effekt handeln könnte – es gibt nämlich verschiedene Formen von Magnetismus: Am bekanntesten ist der Ferromagnetismus, den zeigen zum Beispiel Eisenstücke, die man mit einem Magneten anziehen kann. Auch paramagnetische Materialien lassen sich mit einem Magneten anziehen, im Gegensatz zu Eisen lassen sie sich aber nicht selbst permanent magnetisieren. Das Gegenteil davon ist Diamagnetismus: Diamagnetische Materialien werden von einem Magneten abgestoßen.

„Somit wäre es denkbar, dass LK-99, wenn es über einem Magneten schwebt, auch ein gewöhnlicher Diamagnet sein könnte. Das wurde in den letzten Tagen auch immer wieder vermutet“, sagt Karsten Held. Er selbst hält das aber nach den theoretischen Rechnungen nun für weniger wahrscheinlich: „Die elektronischen Eigenschaften, die wir ausgerechnet haben, lassen nicht erwarten, dass LK-99 ein Diamagnet ist. Im Gegenteil: Angesichts der Verteilung der Elektronen würde man eher vermuten, dass LK-99 paramagnetisch sein sollte.“ Die Experimente aus Peking zeigen das auch. Das würde bedeuten, dass ein Schweben der LK-99-Proben tatsächlich auf einen Übergang in den supraleitenden Zustand hindeuten würde.

Ist der „Heilige Gral der Materialwissenschaft“ nun also gefunden? Noch sind viele weitere Schritte notwendig, um das zu überprüfen. „Es gibt noch immer sehr gute Gründe, skeptisch zu sein“, sagt Karsten Held. „Mein Geld würde ich derzeit nicht darauf wetten, dass es sich hier tatsächlich um einen Hochtemperatur-Supraleiter handelt – zumindest nicht bei einer Wettquote von 1:1. Aber die Ergebnisse zeigen zumindest, dass LK-99 tatsächlich ein sehr interessantes Material ist, das nähere Aufmerksamkeit verdient hat. Es bleibt spannend.“


Originalpublikation 

nicht peer-reviewed, frei zugänglich auf arxiv:
https://arxiv.org/abs/2308.00676, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Rückfragehinweis

Prof. Karsten Held
Institut für Festkörperphysik
Technische Universität Wien
Wiedner Hauptstraße 8-10, 1040 Wien
+43-1-58801-13710
karsten.held@tuwien.ac.at 

Aussender:
Dr. Florian Aigner
PR und Marketing
Technische Universität Wien
Resselgasse 3, 1040 Wien
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florian.aigner@tuwien.ac.at