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Fukushima: TU Wien untersucht Japans Lebensmittelsicherheit

Das Atominstitut der TU Wien wertete japanische Messdaten aus, die nach dem Reaktorunglück in Fukushima gesammelt wurden. Die Bemühungen Japans waren erfolgreich – trotzdem werden zusätzliche Messungen empfohlen.

Lebensmittel, unterschiedliche Gemüse

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Was bedeuten die Ergebnisse japanischer Radioaktivitätsmessungen nach dem Unglück in Fukushima?

Georg Steinhauser und Katsumi Shozugawa in Fukushima

© Bob Kaempfe

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Georg Steinhauser und Katsumi Shozugawa in Fukushima

Porträtfotos

© Foto von Stefan Merz: Christina Eder

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Georg Steinhauser (l) und Stefan Merz

Noch nie wurden so viele Daten über Radioaktivität von Lebensmitteln gesammelt wie in Japan seit dem Reaktorunglück von Fukushima. Über 900.000 Proben wurden untersucht, die Messergebnisse wurden von den japanischen Behörden online zugänglich gemacht. Eine systematische Analyse dieser Daten fehlte bisher allerdings, deshalb nahmen sich nun Spezialisten der TU Wien dieser Aufgabe an. Die Bemühungen Japans werden gelobt, trotzdem werden zusätzliche Messungen empfohlen: Strontium-90 wurde bisher in den Analysen nicht berücksichtigt, langfristig könnte dieses Nuklid aber eine wichtige Rolle spielen.

Japan stellt Daten frei zur Verfügung
„Die Bemühungen der japanischen Behörden waren gigantisch und im Wesentlichen auch sehr erfolgreich“, sagt Georg Steinhauser (Colorado State University / TU Wien). „Auch die Entscheidung, die Daten online zugänglich zu machen, ist sehr begrüßenswert.“ Allerdings ist das bloße Sammeln von Daten ohne eine fundierte Interpretation wenig hilfreich. Steinhauser analysierte daher gemeinsam mit Stefan Merz (TU Wien) die Radiocäsium-Daten, die im ersten Jahr nach dem Unglück gemessen wurden.

Insgesamt überschritten im ersten Jahr nach dem Unfall japanweit 0,9% der gemessenen Proben die Grenzwerte (in der Präfektur Fukushima waren es 3,3%). In der letzten zur Verfügung stehenden Beobachtungsperiode vom 1. April 2014 bis 31. August 2014 waren es japanweit 0,2% (Präfektur Fukushima: 0,6%). „Das sind allesamt relativ niedrige Prozentsätze“, meint Georg Steinhauser.

Pflanzen, Tiere, Wasser
Untersucht wurden die Daten in drei Kategorien: Pflanzliche Produkte, tierische Produkte und Trinkwasser. „Die Belastung des Trinkwassers war sehr gering, in den anderen Kategorien zeigen sich ganz typische zeitliche Verläufe“, erklärt Steinhauser. Die Radioaktivität der Gemüseproben war direkt nach dem Unfall sehr hoch – allerdings kamen die meisten der Proben, die über dem Grenzwert lagen, nie auf den Markt. Die japanischen Behörden hatten den Verkauf von Gemüse aus den betroffenen Gebieten rechtzeitig gesperrt.

Innerhalb eines Monats fielen die Maximalwerte etwa um einen Faktor zehn, vier Monate nach dem Unfall waren dann gar keine Grenzwertüberschreitungen mehr festzustellen. „Interessant ist, dass einen weiteren Monat später, im August 2011, die Maximalwerte wieder stiegen“, berichtet Georg Steinhauser. „Die Pilzsaison hatte begonnen, und Pilze sind bekannt dafür, Cäsium gut zu speichern.“ Dieser Effekt ging bald wieder zurück, Mitte November 2011 allerdings waren noch einmal erhöhte Werte zu finden: Das war der Zeitpunkt, als die getrockneten Pilze verkaufsfertig waren.

Bei den tierischen Produkten ergab sich ein völlig anderer zeitlicher Verlauf. Sie waren zunächst kaum belastet, weil es Monate dauert, bis ein Tier relevante Mengen von radioaktivem Cäsium über die Nahrung aufgenommen hat. Ab Frühsommer 2011 kam es aber auch bei tierischen Produkten zu Grenzwertüberschreitungen.

„Die Zahl der Personen, die aufgrund des Reaktorunglücks von Fukushima mehr als das erlaubte Millisievert pro Jahr mit der Nahrung aufgenommen haben, dürfte sehr gering gewesen sein“, sagt Georg Steinhauser. „Solche Überschreitungen dürften fast ausschließlich bei Personen vorgekommen sein, die selbst im Garten Lebensmittel angebaut oder Pilze gesammelt haben und somit die behördlichen Vorsichtsmaßnahmen umgingen.“

Zusätzliche Strontium-Messung nötig
Einen wichtigen Verbesserungsvorschlag für die japanischen haben die österreichischen Strahlenschutzexperten allerdings trotzdem: „Strontium-90 ist ein besonders schwierig nachzuweisendes Radionuklid, es wurde bisher von den Behörden ignoriert“, sagt Steinhauser. Anfangs war das auch in Ordnung so – Strontium-90 tritt nämlich immer gemeinsam mit Cäsium-137 auf. Eine Cäsium-Messung genügt nach dem Reaktorunfall also, um die Gefahr einschätzen zu können.

Längerfristig ändert sich aber das Verhältnis der beiden Nuklide: Cäsium wird relativ schnell von Mineralien immobilisiert, Strontium bleibt längere Zeit verfügbar und kann auch weiterhin von Pflanzen aufgenommen werden. Wenn man also nun weiterhin bloß Cäsium misst, unterschätzt man möglicherweise die Belastung durch Strontium-90. „Wir appellieren daher dringend an die japanischen Behörden, die Vorschriften basierend auf einer Korrelation zwischen Strontium-90 und Cäsium-137 gemäß den Erkenntnissen in unserem Paper anzupassen“, sagt Georg Steinhauser.

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Rückfragehinweis:
Dr. Georg Steinhauser
Colorado State University / TU Wien
Atominstitut
Stadionallee 2, 1020 Wien
georg.steinhauser@tuwien.ac.at

Aussender:
Dr. Florian Aigner
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Technische Universität Wien
Operngasse 11, 1040 Wien
T.: +43-1-58801-41027
florian.aigner@tuwien.ac.at