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Erst denken, dann bauen

Prof. Gerald Goger im Portrait

Porträtfoto

© Klaus Ranger

Gerald Goger

„Das wird sich schon irgendwie ausgehen“, sagt man in Wien gerne. Man wartet ab und verlässt sich auf die Kunst des Improvisierens. Bei großen Bauprojekten ist das allerdings nicht unbedingt eine gute Idee. Prof. Gerald Goger vom Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement weiß, dass man große Projekte in der Baubranche sorgfältig planen muss. Digitalisierung und vorausschauendes Prozessmanagement können viel Geld sparen und die Qualität des Endergebnisses deutlich verbessern. Gleichzeitig darf man aber nicht vergessen, dass man es bei solchen Projekten mit Menschen zu tun hat – ohne soziale Kompetenz kommt man nicht weit. Gerald Goger ist seit 1. April 2016 Professor an der TU Wien, am 11. Mai hält er nun seine Antrittsvorlesung.

Der digitale Gebäudeplan kommt vor dem Bagger
„Immer wieder gibt es Bauprojekte, bei denen viel zu früh mit dem Bauen begonnen wird“, findet Gerald Goger. „Oft ist die Planung noch nicht ganz fertig, bestimmte Entscheidungen sind noch gar nicht getroffen, manchmal ist noch nicht einmal vollständig geklärt, welche Anforderungen das Gebäude genau erfüllen soll – aber man beginnt schon mal mit der Arbeit und hofft, dass sich mögliche Änderungswünsche später noch umsetzen lassen.“ Sinnvoller wäre es, die Baumaschinen erst dann zu starten, wenn die Projektplanung wirklich abgeschlossen ist.

Ähnlich wie in der Industrie die Digitalisierung heute unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ vorangetrieben wird, spielt auch im Bauwesen und im Bauprozessmanagement die Digitalisierung eine wichtige Rolle. In Zukunft wird man ganze Gebäude bereits vor dem ersten Spatenstich am Computer durchplanen – man spricht von „Building Information Modeling“.

Ein solches Computermodell soll nicht nur virtuelle Rundgänge durchs Gebäude ermöglichen, auch alle technischen Details, von der Elektrik bis zur Heizungsanlage, sollen in so einem Modell enthalten sein. Der kleine technische Zulieferer soll auf diese Daten genauso zugreifen können wie der große Baukonzern.

Viel Wissenschaft und ein bisschen Kunst
Die wissenschaftliche Forschung kann helfen, allgemeine Standards zu definieren, sie kann Leistungsketten abbilden, untersuchen und optimieren – aber nicht alle wichtigen Aspekte des Bauprozessmanagements lassen sich mit Zahlen und Fakten erfassen. „Auf der Baustelle ist es wichtig, ein Team zu formen, wie bei einer Fußballmannschaft“, erklärt Goger. „Bauprozessmanagement ist zu einem großen Teil Wissenschaft, aber das Führen von Teams, die richtige Art der Kommunikation – das ist auch eine Kunst.“

Gerald Goger ist es wichtig, all das auch in die Lehre hineinzutragen: Die Studierenden sollen Bauprozesse verstehen, Kostenkalkulationen erstellen, sich in Technik, Wirtschaft und Recht auskennen und die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen. Gleichzeitig ist es auch unerlässlich, die eigenen Grenzen zu kennen, und zu wissen, an welchem Punkt man sich Hilfe von anderen Leuten holen muss. Teamarbeit und Präsentationstechnik gehören für Goger genauso zur akademischen Ausbildung wie das technische Wissen.

Aus der Wirtschaft an die Universität
Gerald Goger schloss sein Studium an der TU Wien im Jahr 1998 ab – eigentlich mit dem festen Entschluss, danach in die Wirtschaft zu gehen. Doch während er sich bereits nach Jobmöglichkeiten im Ausland umsah, wurde ihm eine Assistentenstelle am Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement angeboten. So arbeitete er noch vier Jahre lang bei Prof. Hans Georg Jodl und schloss eine Dissertation über Tunnelbau ab.

Danach wechselte Goger zur Baugesellschaft Swietelsky und war dort für ganz unterschiedliche Bauprojekte zuständig – vom Notstromaggregat am Wiener Karlsplatz bis zu einem großen Pumpspeicherkraftwerksprojekt in Vorarlberg, das er fünf Jahre lang betreute. Danach widmete er sich zentralen Aufgaben im Unternehmenssitz in Wien, unterrichtete nebenbei am FH Campus Wien, und auch den Kontakt zu seinem Institut an der TU Wien gab er niemals auf.

Als sein Dissertations-Betreuer Hans Georg Jodl schließlich emeritierte, war es für Goger ein logischer Schritt, sich um dessen Nachfolge zu bewerben: „In der wissenschaftlichen Forschung ist man thematisch völlig frei. Man kann interessante Projekte wagen, und wenn sich die im Lauf der Zeit in eine ganz andere Richtung entwickeln als ursprünglich gedacht, ist das normalerweise auch kein Problem“, erklärt Goger.

Gleichzeitig freut er sich über einen großen Zulauf engagierter Studierender. „Zum Glück gibt es bei uns am Institut viele talentierte junge Leute, mit denen wir auch spannende Kooperationen mit Firmen durchführen können, und wenn alles gut läuft, haben die dann in diesen Firmen gleich einen Fuß in der Tür, oft können sie dann nach dem Studium gleich dort anfangen.“

Auch wenn Gerald Goger genau weiß, wie wichtig vorausschauende Planung ist – beim Kontakt mit Studierenden ist ihm das nicht so wichtig. Bei ihm darf man auch unangemeldet und abseits fixer Sprechstunden vorbeikommen. „Wir sind ein offenes Institut“, sagt er. „Neue Ideen und auch kritisches Feedback sind bei uns immer willkommen.“

Foto: © Klaus Ranger