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Eine Smartphone-Tastatur für Blinde

Dreifacherfolg: Eine Braille-Tastatur der TU Wien gewinnt den WINTEC-Preis für Inklusion durch Naturwissenschaft. Auch die Plätze 2 und 3 gehen an die TU Wien.

Tastatur für Blinde

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Tastatur für Blinde

(Download und Verwendung honorarfrei © TU Wien)

Johannes Strelka-Petz

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Johannes Strelka-Petz mit der von ihm entwickelten Tastatur

(Download und Verwendung honorarfrei © TU Wien)

Beim Warten auf die Straßenbahn schnell mal eine Textnachricht ins Smartphone tippen – das ist für viele Leute ganz normal. Menschen mit Sehbehinderung haben es dabei deutlich schwerer. Zwar gibt es eigene Braille-Schrift-Tastaturen für den Computer, eine einfache, tragbare Lösung für das Smartphone gab es bisher nicht. Durch eine Bachelorarbeit der TU Wien ist das nun anders: Johannes Strelka-Petz (Forschungsbereich Multidisciplinary Design & User Research) hat eine Braille-Tastatur entwickelt, die ganz einfach auf der Rückseite eines Smartphones angebracht werden kann. Das mobile Braille-Keyboard „Oskar“ ermöglicht rasches Tippen unterwegs.

Dafür wurde Johannes Strelka-Petz mit dem WINTEC-Preis für Inklusion durch Naturwissenschaft ausgezeichnet, der vom österreichischen Sozialministerium vergeben wird. Die diesjährige Preisvergabe am 24. September 2019 war für die TU Wien ein Grund zu großer Freude: Neben dem ersten Preis gingen auch noch die Plätze zwei und drei an die TU Wien – ausgezeichnet wurde das Projekt „iToilet“, eine Toilette, die individuell angepasst beim Hinsetzen und Aufstehen hilft, und das Projekt „Phobility“, bei dem untersucht wird, welche Probleme Menschen mit Phobien beim Benützen öffentlicher Verkehrsmittel haben.

Acht Tasten fürs Smartphone

Die Braille-Schrift stellt jeden Buchstaben als Kombination von Punkten dar. Es gibt sechs Positionen, an denen sich entweder eine ertastbare Markierung befindet oder nicht. Um auch Spezialzeichen unterzubringen, kann das Braille-System auf acht mögliche Punktpositionen erweitert werden. „Eine Braille-Tastatur besteht daher aus acht verschiedenen Tasten“, erklärt Johannes Strelka-Petz. „Ähnlich wie man am Klavier mit mehreren Fingern gleichzeitig einen Akkord spielt, produziert man auf dieser Tastatur einen Buchstaben, indem man die entsprechenden Tasten gleichzeitig drückt.“

Wenn eine solche Tastatur mit einem Computer verbunden wird, liegt sie normalerweise genau wie eine Standard-Tastatur auf dem Tisch. Für das Smartphone drehte Johannes Strelka-Petz dieses Tastensystem um: Eine Vorrichtung mit acht Tasten wird auf die Rückseite des Smartphones geklebt. „Man bedient das Smartphone also von hinten, die Handhaltung ist daher anders als bei einer gewöhnlichen Tastatur, aber die Tasten sind so angeordnet, dass dieselben Finger trotzdem noch für dieselben Punkt-Positionen zuständig sind“, erklärt Strelka-Petz. „Daher ist es für Leute, die an eine gewöhnliche Braille-Tastatur gewohnt sind, kein Problem, sehr schnell die Verwendung unserer Smartphone-Tastatur zu erlernen.“

Schon nach wenigen Minuten erreichten die Versuchspersonen mit dem neuen Gerät eine Schreibgeschwindigkeit von etwa 20 Wörtern pro Minute – mit einer herkömmlichen Braille-Tastatur auf dem Tisch sind etwa 30 Wörter pro Minute üblich. „Dass schon mit so wenig Übung eine solche Geschwindigkeit erreicht werden kann, vergleichbar mit gewöhnlichem Braille-Schreiben, ist für uns ein großer Erfolg“, sagt Strelka-Petz. Dass nicht genau dieselbe Schreibgeschwindigkeit erreicht wird, ist nicht überraschend – auch Sehende tippen am Display deutlich langsamer als auf einer vollwertigen Computertastatur.

Beim mobilen Braille-Keyboard „Oskar“ handelt es sich um ein Open-Source-Projekt, die Pläne und der Programmcode sind frei online verfügbar. Betreut wurde die Bachelorarbeit von Johannes Strelka-Petz von Roman Ganhör am Institut für Visual Computing und Human-Centered Technologie.

Mehr dazu: https://oskar.ddns.mobi/, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Die Toilette, die mitdenkt

Mit dem zweiten Platz des WINTEC-Preises wurden Peter Mayer und Paul Panek von der TU Wien für ihr Projekt „iToilet“ ausgezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Toilette, die sich automatisch auf verschiedene Personen einstellt und beim Hinsetzen und Aufstehen individuell passend helfen kann. Die Jury war insbesondere davon beeindruckt, dass betroffene Personen intensiv im Entwicklungsprojekt eingebunden waren und dass die „iToilet“ bereits einen sehr hohen Umsetzungsgrad erreicht hat.

Mehr zu iToilet: https://www.tuwien.at/tu-wien/aktuelles/news/news/die-toilette-die-mitdenkt/, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Phobien und öffentliche Verkehrsmittel

Auf den dritten Platz des WINTEC-Preises hat es das Team von Georg Hauger (Institut für Raumplanung) geschafft. Im Projekt „Phobility“ wird erstmals in Österreich die Verkehrsteilnahme von Menschen mit Phobien, Angst- und Zwangsstörungen im Individualverkehr und dem öffentlichen Verkehr untersucht. So kann etwa Angst vor Überfüllung, Stigmatisierung, Rücksichtslosigkeit, Eindringen in die körperliche Intimsphäre durch Stoßen etc. die Möglichkeiten für die Teilnahme am öffentlichen Verkehr stark einschränken. Die Phobility-Studie erarbeitet erstmals gemeinsam mit Gesundheitseinrichtungen und Verkehrsbetrieben eine Grundlage für innovative Verkehrskonzepte, die Menschen mit Phobien, Angst- und Zwangsstörungen besser einbinden.