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Die Schwerkraft der Geldwäsche

Große Massen ziehen Objekte an – große Volkswirtschaften ziehen Geld an. TU Wien und Utrecht School of Economics zeigen, wie sich weltweite Geldwäscheströme mit einfachen Modellen beschreiben lassen.

20-Euro-Geldscheine an der Wäscheleine

Geldwäsche ist ein Problem, das die ganze Welt umfasst: Einnahmen aus kriminellen Handlungen – beispielweise Drogenhandel und Korruption – werden verschoben, oft über Ländergrenzen hinweg und über mehrere Stationen, bis der Ursprung nicht mehr nachvollziehbar und das ursprünglich kriminelle Geld weiß gewaschen ist. Das ermöglicht kriminelle Handlungen, erschwert die Aufklärung von Verbrechen und ist mit hohen ökonomischen Kosten verbunden – von den Folgen krimineller Handlungen und der Korruption bis hin zu enormen Ausfällen an Steuererträgen. Die TU Wien und die Utrecht School of Economics analysierten nun, wie man das Volumen dunkler Finanzströme abschätzen kann, und stellten fest: Mit relativ einfachen von der Physik inspirierten statistischen Modellen lassen sich Schwarzgeld-Ströme erstaunlich gut beschreiben. Für das Gesamtvolumen an Schwarzgeld auf der ganzen Welt kommt man so auf konservativ geschätzte 2,3 Billionen US-Dollar im Jahr.

Exzellente Daten aus den Niederlanden

Dass niemand präzise, vollständige Daten über Schwarzgeld-Ströme kennen kann, ist klar – das heißt aber nicht, dass man völlig im Dunklen tappt: Prof. Michael Getzner leitet am Institut für Raumplanung der TU Wien den Forschungsbereich Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik. Um internationale Geldwäsche mathematisch beschreiben zu können, schloss er sich mit dem Team von Prof. Brigitte Unger aus Utrecht zusammen. Prof. Unger ist Finanzwissenschaftlerin und gilt als europaweit anerkannte Expertin für die Ökonomie der Geldwäsche. 

„Unser Team hatte die Möglichkeit, Daten der niederländischen Steuerbehörden über Geldwäsche-Verdachtsfälle zu analysieren“, sagt Michael Getzner. Dort gibt es Datenbanken, in der Meldungen von Banken über verdächtige Transaktionen gesammelt werden – daraus erhält man zwar noch keinen zuverlässigen Eindruck über weltweite Schwarzgeld-Ströme, aber zumindest ein gutes Bild illegaler Transaktionen, an denen niederländische Partner beteiligt sind.

Statistische Modelle entwickeln

„Auf Basis dieser Daten wurde ein statistisches Modell entwickelt, das beschreibt, von welchen Parametern die Schwarzgeld-Flüsse abhängen“, erklärt Getzner. „Man kann sich dabei von der Physik inspirieren lassen: Interessanterweise haben Geldwäsche-Ströme einiges mit der Gravitation gemeinsam.“ Die Gravitationskraft zwischen zwei Planeten wächst mit ihrer Masse, und sie nimmt mit dem Quadrat des Abstands ab. Ähnlich verhält es sich auch bei der Geldwäsche: Je größer eine Volkswirtschaft, umso größer die Geldströme – aber auch das Volumen an Geldwäsche-Transaktionen nimmt in guter Näherung mit dem Quadrat des Abstands ab.

Das mag auf den ersten Blick überraschend wirken – schließlich ist es in einer globalisierten Welt kein großer Aufwand, Geldsummen über große Distanzen zu überweisen. „Gerade bei kriminellen Tätigkeiten spielt Abstand aber doch eine wichtige Rolle“, erklärt Michael Getzner. „Geldwäsche braucht persönliche Kontakte, direkte Kommunikation und kriminelle Netzwerke, die räumlich nahe beieinander liegen – daher ist es nicht verwunderlich, auch hier auf ein Abstandsgesetz zu stoßen.“ 

Das Team berücksichtigte noch andere Parameter – etwa die Bemühungen der Staaten zur Umsetzung von Anti-Geldwäsche-Richtlinien, die gemeinsame Sprache oder kulturelle Nähe – und kam so zu einem statistischen Modell, mit dem sich die aus den Niederlanden bekannten Daten bemerkenswert gut abbilden lassen. „Kein statistisches Modell beschreibt die Wirklichkeit perfekt, aber im Rahmen der in der Ökonomie üblichen Unschärfen können wir die bekannten Daten mit wenigen ausgewählten Parametern erstaunlich gut beschreiben“, sagt Getzner. Deshalb lässt sich das Modell auch auf andere Staaten extrapolieren, über die man weniger Information hat als über die Niederlande. So gelangte das Team schließlich zu einer groben Abschätzung über Geldwäsche auf der ganzen Welt.

Österreich im Mittelfeld

Das globale Geldwäsche-Volumen dürfte demnach jährlich bei rund 2,3 Billionen US-Dollar liegen – also 2300 Milliarden. Österreich dürfte sich nach diesem Modell eher unauffällig im Mittelfeld bewegen. „Beim Geldvolumen, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, das einen kriminellen Ursprung direkt im Land hat, scheint Österreich knapp unter dem OECD-Durchschnitt zu liegen. Dafür wird durch Österreich etwas mehr Schwarzgeld durchgeschleust als im OECD-Durchschnitt“, sagt Getzner. Aus derartigen statistischen Modellen können schlussendlich die Behörden Aufschlüsse über unentdeckte Transaktionen und über die Wirksamkeit von Anti-Geldwäsche-Maßnahmen ziehen.


Originalpublikation

Ferwerda, J., van Saase, A., Unger, B., Getzner, M., Estimating money laundering flows with a gravity model-based simulation. Sci Rep 10, 18552 (2020)., öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Kontakt

Prof. Michael Getzner
Institut für Raumplanung
Technische Universität Wien
+43 1 58801 280320
michael.getzner@tuwien.ac.at

Aussender:
Dr. Florian Aigner
PR und Marketing
Technische Universität Wien
Resselgasse 3, 1040 Wien
T +43 1 58801 41027
florian.aigner@tuwien.ac.at