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Das Unlösbare lösen

Ein neues hochdotiertes SFB-Forschungsprojekt wird vom FWF finanziert: Mit Methoden des Maschinenlernens will man komplizierte Materialien besser verstehen.

Wassermoleküle, die sich auf einer Oberfläche anlagern.

Nichts weniger als ein Paradigmenwechsel in der Materialforschung soll es werden: Komplizierte Materialien auf atomarer Skala genau zu verstehen, ist eine Aufgabe, die heute selbst die besten Supercomputer überfordert. Wenn man allerdings Methoden des Maschinenlernens mit der Materialwissenschaft verknüpft, werden bisher unlösbare Probleme plötzlich lösbar.

Der österreichische Wissenschaftsfonds FWF fördert nun den neuen Spezialforschungsbereich (SFB) „Taming Complexity in Materials Modeling (TACO)“, koordiniert von Prof. Ulrike Diebold (Institut für Angewandte Physik, TU Wien), mit Beteiligung von insgesamt 9 Forschungsgruppen an der TU Wien und der Universität Wien.

Eine neue Ära der Materialforschung

„Neue Materialien sind für die Industrie sehr wichtig, etwa um chemische Prozesse besser zu kontrollieren oder um in Zukunft Energie speichern zu können“, sagt Ulrike Diebold. Um solche Materialien zu finden und zu verbessern, muss man sie auf atomarer Skala verstehen. „In diesem Bereich gibt es unzählige komplizierte physikalische und chemische Phänomene, die bisher noch nicht ausreichend verstanden sind, ganz besonders an der Oberfläche dieser Materialien“, sagt Diebold.

Das Ziel des neuen Spezialforschungsbereichs ist, auf verschiedenen Ebenen ein besseres Verständnis solcher Prozesse zu gewinnen. Das Verhalten der Materialien soll im Vakuum genauso erklärt werden können wie in Gasen oder in flüssigen Umgebungen. Theoretische Forschung, Computersimulationen und Experimente sollen eng miteinander verflochten werden.

Neu ist, dass dabei auch Methoden des Maschinenlernens eingesetzt werden sollen. „Wir haben bereits begonnen, mit maschinellem Lernen zu arbeiten und hatten damit große Erfolge“, sagt Georg Kresse, Co-Koordinator von der Uni Wien. „Solche neuen Methoden haben ein riesengroßes Potenzial, mit ihnen könnte eine neue Ära in der Materialforschung beginnen.“

Die Zähmung des Komplexen

Die Materialforschung hat sich durch die Weiterentwicklung moderner Computermethoden in den letzten Jahrzehnten völlig verändert: Heute ist es möglich, Materialien mit den Formeln der Quantenphysik in Supercomputern Atom für Atom zu beschreiben. Damit lassen sich viele wichtige Phänomene erklären, die man ohne Computersimulationen wohl niemals verstanden hätte.

Doch auch mit den größten Supercomputern der Welt stößt man irgendwann an Grenzen: Wenn man komplizierte Materialien verstehen möchte oder wenn man Prozesse studiert, an denen viele Teilchen gleichzeitig beteiligt sind, dann steigert sich die nötige Rechenleistung ins Unbewältigbare. Oft muss man sich mit Einschränkungen zufriedengeben: Man kann nur ein winziges Stück des Materials simulieren oder sein Verhalten nur für eine sehr kurze Zeitspanne berechnen.

Wenn man höhere Ansprüche hat, dann muss man geeignete Vereinfachungen entwickeln – und hier soll das Maschinenlernen eine entscheidende Rolle spielen: Mit intelligenten Algorithmen kann man durch entsprechendes Training sinnvolle Näherungen finden und gute Ergebnisse bieten, auch ohne alle Gleichungen in vollem Umfang exakt zu lösen. 

Die Forschungsgruppen

Der Spezialforschungsbereich wird offziell am 1. März 2021 starten. Beteiligt sind folgende 9 Forschungsgruppen:

  • Ulrike Diebold, Institut für Angewandte Physik, TU Wien
  • Georg Kresse, Computational Materials Physics, Universität Wien
  • Gareth Parkinson, Institut für Angewandte Physik, TU Wien
  • Cesare Franchini, Computational Materials Physics, Universität Wien
  • Günther Rupprechter, Institut für Materialchemie, TU Wien
  • Georg Madsen, Institut für Materialchemie, TU Wien
  • Karin Föttinger, Institut für Materialchemie, TU Wien
  • Ellen Backus, Department of Physical Chemistry, Universität Wien
  • Christoph Dellago, Computational and Soft Matter Physics, Universität Wien