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Autofahren mit Alkohol

Aus Abfallprodukten wie Stroh soll Biokraftstoff entstehen – an der TU Wien gelingt dieses Kunststück mit Hilfe speziell hergestellter Schimmelpilze.

Pilz-Zucht an der TU Wien: Schimmelpilze in Petrischalen am Institut für Verfahrenstechnik.

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Pilz-Zucht an der TU Wien: Schimmelpilze in Petrischalen am Institut für Verfahrenstechnik.

Pilz-Zucht an der TU Wien: Schimmelpilze in Petrischalen am Institut für Verfahrenstechnik.

Christian Kubicek

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Christian Kubicek

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Bernhard Seiboth

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Bernhard Seiboth

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Werden uns die Autos unsere Nahrung wegessen? Solche irrationalen Ängste spielen in der Diskussion über Biokraftstoffe noch immer eine Rolle – dabei geht die Wissenschaft längst ganz andere Wege. An der TU Wien forscht man seit Jahren an der Herstellung von Biokraftstoff, allerdings nicht aus Materialien die auch als Nahrungsmittel  dienen können, sondern aus zellulosehaltigen Bio-Abfällen wie Stroh oder Holz. Spezielle Pilz-Stämme werden entwickelt, um wertvolle Produkte aus jenem Material zu erzeugen, das sonst einfach weggeworfen wird.

Stroh, Zucker, Alkohol

Der Weg vom Strohballen zum Biotreibstoff ist aufwändig: "Aus zellulosehaltigen Bio-Abfällen lässt sich Zucker herstellen, der dann zum Biokraftstoff Ethanol vergoren wird", erklärt Prof. Christian Kubicek, der an der TU Wien die Arbeitsgruppe für Biotechnologie und Mikrobiologie leitet.

Hat man erst mal Zucker oder Stärke, dann ist es nicht mehr schwer, Alkohol herzustellen: Mit Hilfe von Hefe lässt man seit Jahrtausenden genau diese chemische Reaktion ablaufen, etwa wenn Bier oder Wein vergoren wird. Die Reaktion ist gut erforscht und bestens optimiert. Doch der erste Schritt des Prozesses – von der Zellulose zum Zucker – ist bedeutend komplizierter. Diese Umwandlung gelingt mit einem Cocktail an Enzymen, der von Schimmelpilzen produziert wird. Der Star unter diesen Schimmelpilzen ist Trichoderma reesei: Er gilt als gesundheitlich unbedenklich und ist mittlerweile besonders gut erforscht.

Gentechnologie an der TU Wien

"Der Enzym-Mix, der von Trichoderma reesei produziert wird, ist genau an die natürlichen Lebensbedingungen des Pilzes angepasst, er ist in dieser Form nicht unbedingt optimal für die chemische Industrie", sagt Christian Kubicek. Daher stellt man in den Labors der TU Wien mit gentechnischen Verfahren neue Trichoderma-Stämme her, die besser zu den Anforderungen der Biokraftstoffherstellung passen.

Die TU Wien ist eine der weltweit erfolgreichsten Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet: Rund um Christian Kubicek entstand eine ganze Reihe von Teams, die sich intensiv mit Trichoderma reesei beschäftigen und neue Methoden entwickeln, diesen Pilz durch Genaustausch oder Genmanipulation in seiner biotechnologischen "Arbeitsleistung" zu verbessern – etwa die Arbeitsgruppe "Molekulare Biotechnologie", die von Bernhard Seiboth geleitet wird, oder die von Irina Druzhinina geleitete Arbeitsgruppe "Mikrobiologie". Die Forschung brachte nicht nur eine Fülle akademischer Publikationen hervor, sondern auch mehrere Patente.

Pilze als Enzym-Lieferanten

"Bei der Herstellung von Biokraftstoff aus Zellulose gibt es eine ganze Reihe von Herausforderungen zu meistern", erklärt Christian Kubicek. Die erste liegt in der Vorbehandlung des Ausgangsmaterials: Es muss fein zerhäckselt und chemisch oder physikochemisch vorgehandelt werden, damit die Enzyme aus den Pilzen überhaupt eine Chance haben, an die Zellulose heranzukommen.

Dann muss die richtige Temperatur gewählt werden, um Zucker zu erzeugen.  Um Glukosekonzentrationen zu erzielen, die bei der nachfolgenden Vergärung Ethanolkonzentrationen ergeben die eine kosteneffiziente Weiterverarbeitung  ermöglichen, müssen hohe Suspensionsdichten (20 - 50 %) an vorbehandelter Biomasse eingesetzt werden. "Um diese mischen zu können, was für die Wirkung der Enzyme eine essentielle Voraussetzung ist, muss man die Temperatur erhöhen, wodurch die Suspension wieder dünner wird. Doch nicht alle Enzyme halten diese hohen Temperaturen aus", erklärt Kubicek. Man versucht daher, Pilz-Stämme herzustellen, deren Enzyme bei höheren Temperaturen verwendet werden können. Dazu kann man etwa Gene aus anderen Pilzen einschleusen, die sich auf große Hitze spezialisiert haben. Manche von ihnen kommen in der Natur etwa im Inneren von Strohhaufen vor, wo oft hohe Temperaturen herrschen.

Wenn im Bioreaktor dann schließlich aus der Zellulose eine Zuckerlösung entstanden ist, übernehmen Hefepilze den Rest der Arbeit: Sie wandeln die Glucose in Ethanol um – den Alkohol, den wir aus alkoholischen Getränken kennen. Durch Destillation kann er abgetrennt und dann als Treibstoff-Zusatz verwendet werden.

Gehört die Zukunft den Schimmelpilzen?

Kann eine so aufwändige Technologie wirtschaftlich sinnvoll sein? "Kurzfristig wird dieser Biokraftstoff preislich nicht mit Treibstoff aus Erdöl konkurrieren können", meint Prof. Kubicek. Trotzdem deutet alles darauf hin, dass Biokraftstoffe ein Teil des Energiekonzeptes der Zukunft sein werden. Die EU bekennt sich eindeutig zur Förderung von Biokraftstoff, große Firmen versuchen, diese Technologien voranzutreiben.

Die Zukunft könnte großen Bioraffinerien gehören, in denen nicht nur Kraftstoff sondern auch eine ganze Palette anderer Produkte erzeugt wird – ähnlich wie eine Erdölraffinerie aus einem natürlichen Rohstoff eine Fülle von Erzeugnissen herstellt. Was bei der Biokraftstofferzeugung abgetrennt und entfernt werden muss, eignet sich als wertvolles Ausgangsmaterial für andere Anwendungen, aber auch die Glukose selbst kann für die Herstellung von Platform-Chemikalien verwendet werden. "Man muss die Gesamtheit der biochemischen Produktion betrachten, dadurch wird eine Kosten-Nutzen-Rechnung für den Biokraftstoff schwierig", meint Christian Kubicek. Solche Bioraffinerien könnten mit unterschiedlichen biologischen Abfällen betrieben werden, die direkt in der Gegend rund um die Raffinerie anfallen – vom Haushalts-Bio-Eimer bis zu den Holzspänen aus dem Sägewerk. Hochwertige Produkte wie Raps oder Zuckerrüben für die Kraftstoffproduktion eigens anzubauen ist somit nicht nötig. Es kommt nicht zur vielzitierten Konkurrenz zwischen Nahrung und Energie-Pflanzen.

Kein neues Ackerland für Treibstoff

Auch Prof. Matthias Zessner vom Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft der TU Wien hält diesen Weg für sinnvoller. Er beschäftigt sich mit der Frage, wie man Ackerland ökologisch sinnvoll einsetzt. "Durch das Anbauen von Pflanzen eigens für die Treibstoffproduktion werden wir das Energieproblem nicht lösen", meint er. "Dafür stehen einfach keine ausreichenden Anbauflächen zur Verfügung. Wenn es Anbauflächen gibt, die wir nicht für die Nahrungsmittelproduktion benötigen, ist es ökologisch sinnvoller, sie anders zu verwenden: Etwa als Pufferzonen bei Gewässern, um die Stickstoffbelastung zu senken." Abfallprodukte sinnvoll zu verwerten ist hingegen ist eine Maßnahme, die keine zusätzlichen Ackerflächen beansprucht.

Die Natur als Chemielehrer

Für Christian Kubicek und sein Team ist Biokraftstoff letztlich nur eines der Produkte, die man mit Hilfe von Pilzen herstellen kann. Hat man die Mechanismen verstanden, durch die man maßgeschneiderte Pilz-Stämme für bestimmte Zwecke herstellen kann, lassen sich die neuen Erkenntnisse auf unterschiedliche Verfahren anpassen. Milliarden Jahre Evolution haben Mikroorganismen hervorgebracht, die uns durch ihre chemischen Fähigkeiten höchst nützlich sein können. Wenn man der Evolution noch etwas auf die Sprünge hilft, wie das in den Labors der TU Wien geschieht, könnte eine biochemische Industrie aufblühen, die unseren Energiehaushalt und unsere Stoffkreisläufe auf umweltfreundliche Weise drastisch verändern wird.