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Antrittsvorlesung von Karsten Held - Professor für Computational Materials Science

Schritt für Schritt nach Wien: Grundschulzeit in Clausthal, Abitur in Münster, Studium an der RWTH Aachen, Promotion in Augsburg, Habilitation in Stuttgart und nun der Ruf an die TU Wien. Jede Station seiner wissenschaftlichen Laufbahn führte Professor Karsten Held einen Schritt gen Süden. Zwei Forschungsaufenthalte in den USA dienten der Vertiefung seines Arbeitsgebietes, der Festkörperphysik. An der TU Wien befasst sich Held mit der Entwicklung von Materialien mit neuartigen Eigenschaften, darunter etwa Thermoelektrika, die überschüssige Wärme in Strom umwandeln – angesichts der zunehmenden globalen Energieprobleme ein faszinierender und zukunftsträchtiger Forschungsgegenstand. Privat geht der Vater von drei Töchtern mit seiner Familie gerne Wandern und fühlt sich in den Bergen daheim.

Karsten Held

Karsten Held

Karsten Held

Im Random-Walk nach Wien

Bereits als Schüler in Clausthal-Zellerfeld und Münster hat sich Karsten Held intensiv mit Computern beschäftigt: „Mein Vater arbeitete in einem Rechenzentrum. Von dort brachte er in den Schulferien den ersten ‚Macintosh’ nach Hause. Das war Anfang der achtziger Jahre noch etwas Besonderes. Ich musste die Computerspiele auf diesen Rechnern alle selbst programmieren“, erzählt er. In der Schule galt Helds Interesse der Mathematik und Physik gleichermaßen. „Es war dann auch schwierig, mich im Hinblick auf ein Studium für das eine oder das andere Fach zu entscheiden und so habe ich im ersten Semester erst einmal beides studiert, bevor ich mich dann doch auf die Physik konzentriert habe.“ Das Studium an der RWTH Aachen schloss Held 1995 mit einer Diplomarbeit zu Quanten-Monte-Carlo-Simulationen ab. Wie beim Roulette im Casino von Monaco werden dabei Zufallszahlen gezogen. Bei ersterem um im „random-walk“ durch die Quantenwelt zu reisen. Gleichsam im Random-Walk ging es für Professor Held auch im wirklichen Leben weiter. Nach dem Ende seiner Zivildienstzeit am Forschungszentrum Jülich, wo er bei Arbeiten zum Thema „Segmentierung von Magnetresonanz-Gehirn-Bildern mit Markov-Zufallsfeldern“ sein Wissen aus der Physik einbringen konnte, wechselte Held an die Universität Augsburg. Dort promovierte er 1999 mit einer Dissertation zur Dynamischen Molekularfeldtheorie, ein Themengebiet, das ihn zuvor schon während eines mehrmonatigen Aufenthalts an der University of California in Davis, Kalifornien, beschäftigt hatte. Im Sommer 2000 ging Karsten Held für zwei weitere Jahre in die USA. Forschungsgegenstand an der Princeton University waren nanoskopische Quantenpunkte, Transistoren also, bei denen der Stromfluss eines einzelnen Elektrons geschaltet werden kann. Zurück in Europa leitete Held von 2002 bis Anfang 2008 eine Emmy-Noether-Gruppe am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart, bevor er im März 2008 einem Ruf als Universitätsprofessor für Computational Materials Science an das Institut für Festkörperphysik der TU Wien folgte.

Forschungsschwerpunkt: Elektronische Korrelationen (Elektronenrugby) im Festkörper

„Mein Ziel als theoretischer Physiker ist es, Materialien und deren Eigenschaften zu berechnen und zu erklären. Viele Experimente sind sehr teuer in der Realisierung. Der Computer dient dazu, physikalische Fragestellungen umzusetzen und neue Materialien vorzuschlagen“, beschreibt Held sein Forschungsgebiet. Die Eigenschaften von Materialien herauszufinden oder neue geschichtete Nanomaterialien am Computer zu berechnen, sind seine Hauptaufgaben. „Wir arbeiten natürlich mit den experimentellen PhysikerInnen zusammen und schlagen, wie gesagt, zum einen neue Materialien vor, zum anderen schauen wir uns die Experimente an und versuchen diese mit unseren Methoden zu verstehen und zu interpretieren. Das ist ein ständiges Wechselspiel.“ Professor Held und seine MitarbeiterInnen haben zwei Themenbereiche miteinander verknüpft: die Lokale Dichte-Approximation und die Dynamische Molekularfeldtheorie. Dies sei laut Held der Durchbruch gewesen, um Materialien mit starker Wechselwirkung zwischen den Elektronen überhaupt realistisch beschreiben zu können – beispielsweise neue Materialien für thermoelektrische Anwendungen, die überschüssige Wärme in Strom umwandeln. Durch die Wechselwirkung bewegt sich nicht mehr ein einzelnes Elektron durch den Festkörper, sondern es bildet sich ein Knäuel, das, einem Menschenknäuel beim Rugby vergleichbar, dann nur noch wesentlich langsamer vorankommt. Dadurch wird die Bewegung der Elektronen korreliert, was zu faszinierenden und unerwarteten Quantenphänomenen wie kolossaler Magnetowiderstand, Hochtemperatursupraleitung oder Quantenkritikalität führt. Wichtig sind diese Effekte auch dann, wenn im Zuge der Miniaturisierung die Halbleiterbauelemente immer kleiner werden. „Derzeit befinden wir uns im Übergangsbereich. Ingenieure können Computerchips noch nach den Gesetzen der klassischen Physik designen. Gleichzeitig ist es PhysikerInnen bereits möglich, in gleich großen Strukturen Quanteneffekte zu nutzen, beispielsweise indem sie Transistoren bauen, bei denen immer nur die Ladung eines einzelnen Elektrons von rechts nach links fließt“, so Held. Sein Forschungsumfeld an der TU Wien schätzt Held sehr. „Im Bereich Bandstruktur und Computational Materials Science nimmt die TU Wien weltweit eine führende Position ein. Das ist ideal für mich.“ Durch die Einrichtung eines Kooperationszentrums an der TU Wien eigens für diesen Bereich wird sich die Vorrangstellung weiter ausprägen.

Probleme aus der Vogelperspektive

Im Rahmen der Lehre möchte Professor Held vor allem die Interaktion mit den Studierenden intensivieren. „Mir ist außerdem wichtig, dass man die ‚Kluft’ zwischen den Vorlesungszyklen und dem, was man gerade in der Forschung macht, besser überbrückt. Höhersemestrige StudentInnen sollen hier bereits an die wissenschaftlichen Themen herangeführt werden“, unterstreicht Held. Entscheidend sei, dass die Studierenden lernen, Probleme grundsätzlich in einem größeren Kontext, sozusagen aus der Vogelperspektive, zu sehen und neue Lösungswege zu beschreiten. So qualifiziert, eröffnen sich den PhysikerInnen vielfältige Einsatzgebiete mit exzellenten Berufsaussichten. Nach dem Diplom kann es etwa in eine Forschungsabteilung, aber auch in ein Softwareunternehmen oder zu einer Unternehmensberatung gehen.

Die Liebe zu den Bergen

Gebürtig aus dem Mittelgebirge Harz, freut sich Karsten Held besonders darauf, nun – mit dem Wienerwald vor der Tür und den Alpen in Reichweite – zusammen mit seiner Familie in den „richtigen“ Bergen zu wandern und Schi zu fahren und zugleich die reichhaltigen kulturellen Möglichkeiten der Stadt Wien nach und nach für sich zu entdecken.

Die öffentliche Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Karsten Held mit dem Titel „Elektronische Korrelationen: Von der Makro- zur Nanowelt“ findet am Montag den 6. Oktober 2008 um 17:30 im Hörsaal 5 statt (Freihaus, Wiedner Hauptstraße 8–10, 2. Stock grüner Bereich).