Bild des Campus Getreidemarkt

© Matthias Heisler

Neues von der Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften

Woman in Science: Sarah Nistler, Medizintechnikerin

3D-gedruckter Knochenersatz aus Hybridkeramiken wäre ein mögliches Ergebnis von Sarah Nistlers Forschung. Im Interview spricht die PhD-Studentin über ihre Arbeit, das Studium, Jobaussichten und gibt Einblick in ihre Persönlichkeit.

Sarah Nistler in ihrem Labor. Sie trägt einen weißem Laborkittel..

Sarah Nistler verbringt einen großen Teil ihrer Arbeit im Labor, erzählt sie im Interview, das wir auch dort führen. In ihrer Forschung untersucht sie 3D-gedruckte Biokeramiken, welche beispielsweise als Knochenersatz eingesetzt werden. Dabei nutzt sie Lithography-based Ceramic Manufacturing, eine Technologie, die in ihrer jetzigen Arbeitsgruppe entwickelt wurde und mittlerweile in der ausgegründeten Firma Lithoz GmbH auf dem Weltmarkt führend vertreten ist. Ein Fokus liegt dabei auf dem Sinterfügen zweier unterschiedlicher biokeramischer Materialien, um zum Beispiel Implantate an beanspruchten Stellen selektiv zu verstärken. Dabei untersucht sie den Einfluss verschiedener Prozessparameter auf die hergestellten Bauteile, um Passgenauigkeit, Dichte und Mechanik zu optimieren.

Ihr Studium der Medizintechnik absolvierte Sarah Nistler in Deutschland, an der FAU in Erlangen, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster. Geboren wurde sie in Wien, wo sie auch ihre ersten Lebensjahre verbrachte. Vielleicht war es auch die familiäre Prägung, die sie nicht nur nach Wien zurückkehren ließ, sondern auch zu ihrem Studium der Medizintechnik führte: Ihr Vater ist Tierarzt, ihre Großväter Maschinenbauer. Ihre Mutter beschreibt Sarah Nistler als ihr großes Vorbild, denn sie lebte ihr vor, dass alles möglich ist, wenn man nur will – z.B. als Frau in einer Männerdomäne zu arbeiten.

Interview mit Sarah Nistler

Studium, Forschung, Zukunftsperspektiven

Was machen Sie in Ihrer Forschung, und wie sieht Ihr Arbeitstag aus, Frau Nistler?

Ich arbeite daran, Keramiken im Sinterprozess zu fügen. Genauer gesagt, geht es um das Sinterfügen zweier Biokeramiken, deren positive Eigenschaften ich miteinander kombinieren möchte: Zirkonia z.B. hat hervorragende mechanische Eigenschaften, Hydroxyapatit und Tricalciumphosphat andererseits regen die natürlichen Knochenzellen an und wachsen sehr gut in den körpereigenen Knochen ein. Unter bestimmten Bedingungen bauen sie sich mit der Zeit sogar ab und werden durch natürlichen Knochen ersetzt. Diese Biokeramiken sind alle nicht toxisch für den Menschen. Eine Kombination dieser beiden Keramiken ist also interessant, damit die Eigenschaften in einem Implantat selektiv und lokal an die Anforderungen angepasst werden können.
In meiner täglichen Arbeit bin ich vor allem in unseren Laborräumen am Standort Getreidemarkt zu finden. Wenn ich Bauteile drucken möchte, dann mache ich das bei unserem engen Kooperationspartner Lithoz GmbH, die ihren Hauptstandort nur wenige Busstationen vom Getreidemarkt entfernt in der Mollardgasse haben. Die thermische Nachbehandlung erfolgt dann in unserem Sinterofen, die Analyse bezüglich Dichte, Mechanik und Mikrostruktur in anderen Laborräumen ebenfalls am Getreidemarkt. Mein Büro nutze ich zur Planung der Versuche und Auswertung der Ergebnisse. 

Was ist das Besondere bei einer Spezialisierung auf Medizintechnik?

In der Medizintechnik braucht man aus allen Ingenieurswissenschaften etwas. Im Studium hatten wir Fächer aus der Informatik, Mathematik, Maschinenbau, Elektrotechnik, Materialwissenschaften und auch ein bisschen Medizin. Das hilft mir konkret bei meiner Forschung zum Sinterfügen von Biokeramiken, da ich diverse Materialtests durchführe, also z.B. Dichtemessungen, Biegeversuche, Mikrostrukturanalyse und dabei natürlich auch die physikalischen Prinzipien hinter den Messungen verstehen muss. Dies hilft mir dabei die Ergebnisse richtig zu interpretieren und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Programmierkenntnisse in Matlab erleichtern mir aufwendige Berechnungen und Auswertungen von vielen Testergebnissen.

Wofür würden Sie sich entscheiden: Keramik oder Kunststoff?

Das kommt immer auf die Anwendung an: Wenn es um Knochen geht, würde ich mich für Biokeramik entscheiden, weil Biokeramiken wie Hydroxyapatit und Tricalciumphosphat dem natürlichen Knochen sehr ähnlich sind und dadurch das natürliche Knochenwachstum anregen. Keramik ist zwar immer ein bisschen schwierig, weil sie sehr spröde ist – denken wir etwa an Porzellangeschirr – und unsichtbare Defekte erschweren eine zuverlässige Vorhersage der Eigenschaften. Keramik ist ein Material, das immer dann zum Einsatz kommt, wenn andere versagen. Aber es gibt natürlich auch sehr viele spannende Kunststoffe, auf die wir nicht verzichten können. In unserem Fertigungsprozess beispielsweise nutzen wir unter UV-Licht aushärtende Photopolymere zur Formgebung und auch meine Kollegen forschen an interessanten druckbaren Photopolymeren für verschiedenen Einsatzgebiete, auch in der Medizin. 

Jetzt haben wir über die Eigenschaften von Keramik gesprochen. Was sind die wichtigsten Eigenschaften, wenn man einen PhD beginnt und in die Forschung gehen möchte?

Man muss auf jeden Fall geduldig sein, an einer Sache dranbleiben können und hartnäckig sein, zugleich braucht man Flexibilität, weil oft die Dinge nicht so laufen, wie man es geplant hatte. Zum Schwierigsten gehört, dass man immer wieder neue Wege suchen und finden muss. Wenn ein Test zum Beispiel ein ganz anderes Ergebnis liefert als erwartet, muss man erstmal auf Ursachenforschung gehen und herausfinden, warum das zuvor Erwartete nicht eingetreten ist. Trotzdem mache ich meine Arbeit sehr gerne, denn immer, wenn ich dann eine Ursache gefunden habe oder ein Test so funktioniert wie ich mir das vorgestellt hatte, gibt mir das neue Motivation und Elan weiterzumachen. Und diese Freiheit, an Dingen zu forschen und Fragestellungen wirklich auf den Grund zu gehen, die gibt es nur an der Uni.

Und wo sehen Sie sich in der Zukunft?

Mir kommt das Forschen sehr entgegen – ich liebe es, nach Lösungen zu suchen, zu tüfteln. Zugleich interessiert mich die Umsetzung, also Produkte zur Marktreife zu bringen. Ich kann mir gut vorstellen, auch irgendwann in die Industrie zu gehen. Wichtig ist mir aber, dass ich dabei Forscherin bleibe.

Wie sieht es denn mit den Jobaussichten im Bereich Medizintechnik aus?

Unsere Gesundheit, Unversehrtheit und unser Körper sind uns wichtig. Zugleich haben wir den Körper bei weitem noch nicht vollständig verstanden – auch wenn wir Implantate herstellen können, komplizierte Operationen vornehmen, Prothesen und künstliche Gewebe schaffen. Trotzdem ist das natürliche Gewebe dem künstlichen immer noch weit überlegen! Aber gerade in der Medizin hat der 3D-Druck viele Vorteile, da Implantate, Prothesen oder andere Produkte individuell an jeden Patienten, jede Patientin angepasst werden können, denn kein Mensch ist wie der andere. Daher gibt es noch sehr viel zu tun in diesem Bereich. Kurz gesagt: Die Jobaussichten sind meiner Meinung nach hervorragend in der Medizintechnik.

Und abschließend: Wie wichtig sind Netzwerke für Sie?

Netzwerke sind immer gut und hilfreich: im Kleinen, etwa, dass mich mein Kollege, der gerade nebenan arbeitet, unterstützt, aber auch dass ich mit Fragen oder Problemstellungen immer zu meinen Vorgesetzten gehen kann und dort Hilfe und Rat bekomme. Darüber hinaus ist mir auch das Frauennetzwerk der Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften – femTUme – wichtig. Es ist einfach gut sich mit Kolleginnen auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen. Netzwerken im weiteren Sinne bedeutet für mich aber auch zu repräsentieren, also z.B. dieses Interview zu geben, denn ich möchte Frauen ermutigen, ein technisches Studium zu ergreifen. Frauen können das!

Vielen Dank für das Interview!

 

Sarah Nistler ist PhD-Studentin und Projektassistentin im Christian Doppler Labor für Fortschrittliche Polymere für Biomaterialien und den 3D Druck unter der Leitung von Stefan Baudis und arbeitet am Institut für Werkstoffwissenschaften und Werkstofftechnik in der Gruppe für Additive Fertigungstechnologien von Prof. Jürgen Stampfl.

 

Interview: Edith Wildmann

 

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