Titel

O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn., Rektorin der TU Wien seit 2011

Geburtsjahr und -ort

1961, Sangerhausen (D)

Studium/Studienrichtung

Studium der Polymerwerkstofftechnik an der Technischen Hochschule Merseburg

Interviewdatum

Interviewdatum: 29. Februar 2012

Rektorin Seidler im Kurzinterview

Meine Forschungsinteressen liegen im Bereich der Kunststoffdiagnostik, Bruchmechanik und Struktur-Eigenschaftsbeziehungen in Kunststoffen. Diese wurden mir sozusagen „in die Wiege“ gelegt. Ich hatte bereits als Studentin die Möglichkeit, mich in einem sogenannten „Studentenzirkel“ mit wissenschaftlichen Projekten aus dem Bereich der Bruchmechanik zu beschäftigen und die Kombination Mechanik-Werkstoffe hat mich fasziniert.

Ich arbeite gern und denke das ist, neben einem hohen Maß an Selbstdisziplin, eine wesentliche Voraussetzung. Meine gesamte Karriere, beginnend mit dem Doktoratsstudium haben mich meine Töchter begleitet. Dies war nur möglich durch ein Zusammenspiel verschiedenster Aspekte. Es ist außerordentlich wichtig zu wissen, dass die Kinder gut betreut sind und gerade diesbezüglich habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. Es bedarf aber auch eines entsprechenden Umfeldes, sowohl in der Familie, ich hatte und habe die Unterstützung meines Mannes, als auch im erweiterten Bereich. Dazu gehört ein Arbeitsumfeld, das auf die besonderen Anforderungen für berufstätige Mütter abstellt. Dinge wie die Aufrechterhaltung der Kommunikation durch meinen Doktorvater Prof. Grellmann, der noch immer an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg lehrt, während der Karenzzeiten und der Kontakt mit den KollegInnen waren unverzichtbar.

Nein. In meinem Fall hat es weder Vor- noch Nachteile mit sich gebracht. Die Technische Universität Wien befindet sich seit Oktober 2011 definitiv in Frauenhänden. In meinem Team habe ich zusätzliche Unterstützung durch die Vizerektorin für Personal und Gender – ein Novum an der TU. Die Geschichte der Frauen in Technik und Naturwissenschaften ist aber eine lange und oftmals auch getrübte. Erst 1919 wurden Frauen an der damals noch Technischen Hochschule Wien zum Studium zugelassen. Es sind also rund hundert Jahre seit der Gründung der TU Wien im Jahr 1815 vergangen, bis Frauen in die Männerdomäne Universität bzw. Technik vordringen konnten. Letztlich hat es noch einmal fast hundert Jahre gedauert, bis eine Frau in die Führungsebene der TU Wien aufgestiegen ist. Aus der Wissenschaft kommend, habe ich 2007 als erste Vizerektorin für Forschung eine Managementfunktion eingenommen und empfinde das Amt der Rektorin als logischen Karriereverlauf hier im Haus. In unserer Gesellschaft festgefahrene, weibliche Rollenbilder und wenige Vorbilder sehe ich als Gründe dafür, dass speziell im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich noch zu wenige Frauen die Herausforderung eines technischen Studiums oder Berufs annehmen. Es gilt daher, bereits Mädchen und junge Frauen zu ermutigen, ihren Interessen entsprechend ein Studium an einer technischen Universität zu beginnen.

Bezogen auf meine jetzige Tätigkeit ist das eine kaum zu beantwortende Frage. Mein Mann würde wahrscheinlich fragen: „Welches Privatleben?“ Ich denke, jede/r kann sich vorstellen, dass das Management einer Universität mit ca. 4.000 MitarbeiterInnen und 27.000 StudentInnen wenig freie Zeit lässt. Hier kommt mir zugute, dass ich schon immer ein hohes Maß an Selbstdisziplin und Organisationstalent benötigte. Durch die Kombination von beiden gelingt es mir, die Freiräume zu schaffen, die für den Ausgleich notwendig sind, um meinen Job gut zu machen. Grundsätzlich sind natürlich die Dinge, die bereits auch in der Beantwortung der Frage 5 enthalten sind, wichtig: das Arbeitsumfeld und das familiäre Umfeld.

Ich empfehle Offenheit gegenüber allen Dingen: Erst „anschauen“, dann gegebenenfalls nachdenken und schlussfolgern und nicht unreflektiert Urteile und Vorurteile übernehmen.