Titel

Assistant Prof. Mag.rer.nat. Dr.rer.nat.

Interviewdatum

20. Februar 2012

Professorin Marchetti-Deschmann im Kurzinterview

Assistant Professorin am Institut für Chemische Technologien und Analytik

Der Weg in der Forschung ist nicht immer ein bequemer. Als Forscherin versucht man bisher nicht angedachte Strategien umzusetzen, alternative Herangehensweisen auszutesten oder durch die Entwicklung neuer Methoden bzw. Geräte bisher nicht erfassbare Antworten zu finden. Dass dieses „Anders-Denken“ nicht immer auf sofortige Zustimmung sondern oft auf Vorbehalte oder verhaltene Reaktionen stößt, ist glaube ich für jeden leicht nachvollziehbar. Diese Hindernisse waren für mich aber schon immer mehr Herausforderung denn abschreckendes Beispiel. Ich wollte mich noch nie mit den Worten „das ist halt so“, „dafür gibt es keine Lösung“ oder „hmmm ... glaubst Du wirklich?“ zufrieden geben – manche nannten mich stur, dickköpfig oder auch unnachgiebig ... ich habe diese Neugierde und das beständige Suchen nach Neuem aber immer als Antriebsfeder für mich gesehen und zu nutzen versucht.
Auch heute ist das noch so, denn in meinem Bereich der Analytischen Chemie wird unsere Arbeit oft nur noch als Hilfswissenschaft gesehen und nur wenige erkennen, dass unsere Methodenweiterentwicklung und Geräteentwicklung die Analyse alter Fragen ermöglicht und dadurch erst wesentliche, bereits lang anstehende Fragen der Industrie und der Medizin beantwortet werden können.

Da ich nicht an der TU Wien studiert habe, sondern mich nach meinem Doktoratsstudium an der Universität Wien an die TU beworben habe, verhielten sich viele meiner jetzigen Kollegen - die ich alle sehr schätze - zunächst zurückhaltend. Das führe ich aber nicht auf die Tatsache zurück, dass ich eine Frau im Bereich der Technologien bin, sondern viel eher darauf, dass man allem Unbekannten zunächst vorsichtig gegenüber steht – somit auch jeder neuen Mitarbeiterin.
Dass ich aus dem Bereich der Grundlagenforschung an der Universität Wien in den Bereich der Angewandten Forschung an der TU Wien gewechselt bin, halte ich im Nachhinein für meinen wichtigsten Schritt in den vergangenen Jahren. Im Gegensatz zur landläufigen Ansicht, dass diese beiden Forschungsansätze widersprüchlich sind, bin ich davon überzeugt, dass sie sich wunderbar ergänzen und mich heute oft zu einem vollständigeren Verständnis für eine Fragestellung führen.
In meinem Bereich der Chemie habe ich bisher keine negativen Erfahrungen bezüglich der Tatsache, dass ich als Frau in einem stark Männer dominierten Bereich arbeite, gesammelt. Ganz im Gegenteil meine weibliche Anschauungen bzw Herangehensweisen an Fragestellungen unterscheiden sich von jenen meiner männlichen Kollegen und in meinem Umfeld habe ich Mitarbeiter, die diese Ansicht mit offenen Ohren aufnehmen und bereit sind über alternative Strategien nachzudenken.
Dieses motivierende und stimulierende Umfeld ist, so glaube und hoffe ich, kein Einzelfall an der TU. Es hat ein Umdenken stattgefunden, das überraschend schnell in manchen Bereichen gegriffen hat. Und die ausgeglichene Geschlechterverteilung am Studienanfang im Bereich „Technische Chemie“ zeigt, dass ich nicht alleine dieses Empfinden habe. Dass jedoch später der prozentuelle Anteil weiblicher Absolventen geringer ist und auch weiter sinkt, je weiter man die Karriereleiter nach oben blickt, liegt meines Erachtens nicht daran, dass das männliche Umfeld bevorzugt wird, sondern vielmehr daran, dass sich viele Frauen für eine Familie entscheiden und das oft schon vor Abschluss des Masterstudiums. Jedoch der Wiedereinstieg in ein Studiensystem wie wir es in der heutigen Universitätslandschaft haben, ist sehr schwer. Regulierte Studien sollen einen raschen Studienerfolg garantieren, nehmen jedoch keine Rücksicht auf individuelle Veränderungen wie z.B. eine Familiengründung. Der Wiedereinstieg fällt somit sehr schwer und ist mit einem steinigen Weg und vielen Hürden verbunden. Viele entscheiden sich dann für die Familie und scheinen daher nicht mehr in den klassischen Genderstatistiken auf und der prozentuelle Frauenanteil in höheren Positionen sinkt.