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Vier Transfer.S2S-Förderungen für TU Wien

Erwin Rosenberg, Richard Wilhelm, Michael Hollerer und Kai Schwenzfeier, sowie Philipp Haslinger erhalten hochdotierte Förderung der CDG für ihre Projekte.

Bild vom TU Wien Hauptgebäude mit Pokal

© TUW/M. Heisler; tashechka stock.adobe.com

Das Förderprogramm Transfer.S2S (Science to Spin-off) der Christian Doppler Gesellschaft (CDG), öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster unterstützt Forschende dabei, Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in marktfähige Anwendungen zu überführen. Ziel ist es, das Potenzial wissenschaftlicher Erkenntnisse für wirtschaftliche Innovationen zu prüfen und weiterzuentwickeln. Gefördert werden Projekte, die auf soliden wissenschaftlichen Grundlagen beruhen, bei denen jedoch noch wesentliche Schritte – etwa zur Validierung von Hypothesen oder zur Einschätzung des Marktpotenzials – notwendig sind. Damit schließt das Programm eine wichtige Lücke zwischen Forschung und Unternehmertum. Die Laufzeit beträgt bis zu drei Jahre, die Förderung deckt 100 % der Kosten ab, und die Ausarbeitung einer klaren Kommerzialisierungsstrategie ist verpflichtend.

Technologieaffine Universitäten wie die TU Wien sind ideale Stätten, um Grundlagenforschung in den Naturwissenschaften und gleichzeitig Ingenieursleistungen für industriell relevante Anwendungen zu vereinen und umzusetzen. Seites der TU Wien erhalten die folgenden vier Projekte eine Förderung: 

  • Wavemaker, geleitet von Erwin Rosenberg
  • Printed circuit boards for electronics in extreme environments, geleitet von Richard Wilhelm
  • NeverDrift, geleitet von Michael Hollerer und Kai Schwenzfeier
  • Advancing Spin Spectroscopy in TEM for Quantum and Materials, geleitet von Philipp Haslinger
Vier Personen stehen nebeneinander im Labor

© Filip Vuković

Richard Wilhelm, Sophie Wrathall, Michael Kendler und Lisa Gmainer (von links)

Elektronik für Extreme: Signaltreue unter Weltraumbedingungen

Elektronische Schaltungen sind das Rückgrat moderner Technologie – doch unter extremen physikalischen Bedingungen versagen herkömmliche Systeme schnell. Genau hier setzt ein neues Projekt der TU Wien an: Ziel ist die Entwicklung robuster Elektronik, die höchste Signalqualität selbst unter Ultrahoch-Vakuum, bei sehr niedrigen Temperaturen oder unter starken Vibrationen liefert. Solche Bedingungen finden sich etwa im Weltraum, aber auch Schlüsseltechnologien wie Quantencomputer sind auf die beste Signalqualität unter solchen Bedingungen angewiesen. 

Die Idee für „Printed circuit boards for electronics in extreme environments“ entstand 2024 im Rahmen einer Masterarbeit an der Fakultät für Physik und konnte seitdem bis zur Patentanmeldung weitergeführt werden. Ab Jänner 2026 wird das Team unter Leitung von Richard Wilhelm mit einer Transfer.S2S-Förderung in Höhe von 463.000 Euro drei Jahre lang an der industriellen Umsetzung arbeiten.

Der Fokus liegt nun auf der Automatisierung von Fertigungsschritten und umfassenden Qualitätstests, um den Markteintritt vorzubereiten. Durch sorgfältige Materialauswahl und innovative Herstellungsverfahren sollen künftig elektronische Komponenten entstehen, die auch unter extremen Bedingungen zuverlässig funktionieren – und so Anwendungen ermöglichen, die bisher als technisch kaum machbar galten.

Projektleiter Richard Wilhelm ist Physiker und hat 2019 einen START-Preis an der TU Wien erhalten. Seit 2024 ist er Universitätsprofessor für Ionenphysik und Leiter des Forschungsbereichs für Atom- und Plasmaphysik. 

Zwei Münner vor einer weißen Wand mit Bilderrahmen

© Michael Hollerer

Michael Hollerer und Kai Schwenzfeier (von links)

NeverDrift: Atomare Präzision für industrielle Anwendungen

Das Projekt „NeverDrift der TU Wien entwickelt ein Positionierungssystem, das Bewegungen im atomaren Maßstab stabilisiert und damit neue Präzisionsstandards für industrielle Anwendungen setzt. Aufbauend auf dem ERC Starting Grant „CSI.interface“ (2016–2021) von Prof. Markus Valtiner arbeitet das Team um Michael Hollerer und Kai Schwenzfeier daran, die im Labor erprobte Technologie für den industriellen Einsatz weiterzuentwickeln. Nach einer erfolgreichen aws-Prototypenförderung (2023–2024) geht NeverDrift ab Jänner 2026 in die nächste Phase: Im Rahmen des Transfer.S2S-Programms wird die Technologie für den industriellen Einsatz weiterentwickelt – gefördert mit insgesamt rund 750.000 Euro.

Das Ziel: ein ultraschnelles, driftfreies Positionierungssystem, das atomare Stabilität auch außerhalb des Labors ermöglicht. Damit könnten künftig hochpräzise Fertigungsverfahren entstehen – etwa für die Produktion von Hochleistungschips, die in KI-Anwendungen oder Quantencomputern zum Einsatz kommen. Noch fehlt das letzte „Puzzleteil“: eine Präzisionselektronik mit Datenschnittstelle, die die Laborlösung in einen industrietauglichen Demonstrator überführt. Gelingt dieser Schritt, könnte NeverDrift bestehende Präzisionssysteme funktional erweitern und neue Anwendungen in Bereichen wie der Halbleiterfertigung, der Nano-3D-Fabrikation oder der molekularen Manipulation ermöglichen.

Michael Hollerer und Kai Schwenzfeier haben beide einen Hintergrund in Physik. Hollerer arbeitet seit 2024 an der TU Wien und ist Teil des Cluster of Excellence „MECS“. Dort ist er für Technologietransfer, Spin-Off Expertise sowie im experimentellen Prototypen- und Anlagenbau zuständig. Schwenzfeier beschäftigt sich seit 2008 disziplinenübergreifend mit Methodenentwicklung und entwickelte im Rahmen der aws-Prototypenförderung den ersten NeverDrift-Demonstrator. Seit 2021 ist er an der TU Wien tätig.

Drei Männer stehen neben einem blauen Roll-up der Christian Doppler Gesellschaft

© Haslinger lab

Michael Seifner, Toni Jaros und Philipp Haslinger (von links)

Spinresonanzspektroskopie im Elektronenmikroskop: Eine neue Dimension der Materialanalyse

Elektronenmikroskope erlauben faszinierende Einblicke in die Struktur von Materialien, bis auf die atomare Ebene. Doch ihre Möglichkeiten stoßen dort an Grenzen, wo quantenmechanische Eigenschaften, wie Spins, mit atomarer Auflösung untersucht werden könnten. Genau hier setzt das Forschungsprojekt „Advancing Spin Spectroscopy in TEM for Quantum and Materials“ an: Ziel ist es, Spinresonanzspektroskopie, also die präzise Vermessung quantenmechanischer magnetischer Wechselwirkungen, direkt in einem Transmissionselektronenmikroskop (TEM) zu ermöglichen.

Damit würde erstmals eine Technik verfügbar, die Elektronenmikroskopie und Spinresonanz vereint. Bislang war es keinem TEM-System möglich, Verfahren wie Elektronen- (ESR) oder Kernspinresonanz (NMR) zu integrieren. Mit der Entwicklung eines speziell angepassten Probenhalters will das Team diese Lücke schließen. So sollen künftig mikroskopische Proben im TEM untersucht werden können, während gleichzeitig ihre magnetischen Spin-Eigenschaften sichtbar werden.

Das Projekt geht aus einem FWF START-Preis und einem FWF-Einzelprojekt hervor, in dessen Rahmen Projektleiter Philipp Haslinger die Grundlagen für diese Forschung untersuchte. Ab 1. Jänner 2026 wird das Vorhaben über drei Jahre mit rund 750.000 Euro gefördert. 

Haslinger studierte Mathematik und Physik und habilitierte sich 2022 auf dem Gebiet der Experimentellen Physik. Seit 2018 forscht und lehrt Philipp Haslinger an der TU Wien. 

Mann im Labor

© Erwin Rosenberg

Erwin Rosenberg

Ultraschnelle Gaschromatographie: Chemische Analysen in unter einer Minute

Ein Gaschromatograph ist ein unverzichtbares Werkzeug, wenn es darum geht, komplexe Stoffgemische wie Pestizidrückstände in Lebensmitteln oder Schadstoffe in der Umwelt zu analysieren. Doch herkömmliche Systeme brauchen dafür relativ lange – manchmal bis zu einer Stunde pro Probe. Im Rahmen von „Wavemaker arbeitet ein Team um Erwin Rosenberg nun daran, diese Prozesse drastisch zu beschleunigen – ohne an Trennleistung zu verlieren. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines flexibel betreibbaren Gaschromatographen, der selbst komplexe Mischungen in weniger als einer Minute trennen kann.

Die Grundlage dafür wurde bereits im Rahmen einer unterdessen abgeschlossenen Dissertation gelegt, in der das Prinzip erfolgreich demonstriert wurde. Nun soll das Gerät vollständig überarbeitet und verbessert werden, um es robust und industrietauglich zu machen. Der Schlüssel zur Erzielung einer hohen Trennleistung in kürzester Zeit liegt in der ungewöhnlichen Betriebsweise: Während in der Gaschromatographie die Probe üblicherweise bei niedrigen Temperaturen aufgegeben und während der Trennung immer stärker erhitzt wird, verwendet der Wavemakereinen negativen Temperaturgradienten. Das heißt, die Probe wird auf der heißen Seite der Trennsäule aufgegeben und wandert in zunehmend kühlere Zonen. Dieses Verfahren, das die gängige Praxis der Gaschromatographie umkehrt, ist bereits patentiert und soll mithilfe thermodynamischer Modellierung und Simulation weiter optimiert werden.

Mit einer Förderung von rund 543.000 Euro im Rahmen des Transfer.S2S-Programms soll das System in den kommenden drei Jahren zur Anwendung reifen. Sein Potenzial reicht weit über Laborgrenzen hinaus: In Zukunft könnten miniaturisierte Versionen der Technologie etwa in der klinischen Diagnostik oder Umweltüberwachung eingesetzt werden – mobil und dadurch direkt vor Ort.

Projektleiter Erwin Rosenberg ist Professor für Analytische Chemie und Spezialist für die Entwicklung chromatographischer Methoden und Instrumente. Außerdem erforscht er, wie die Verfahren der Probenvorbereitung besser und umweltfreundlicher gemacht werden können.