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Nicht alles, was funkelt, ist Diamant

Vor 40 Jahren wurden an der TU Wien erstmals Labordiamanten hergestellt. Roland Haubner und Reinhard Bichler erzählen im Interview von ihrem Weg zu den CVD-Diamanten.

Zwei Männer stehen im Labor, einer streckt seine Hand nach vorne, auf der schwarze Muttern liegen.

© TU Wien

Reinhard Bichler (links) und Roland Haubner (rechts)

Diamanten kommen in der Natur vor. Sie entstehen im Erdinneren bei hohem Druck und hohen Temperaturen und gelangen durch Vulkanismus an die Erdoberfläche. Da Diamant viele herausragende Eigenschaften besitzt – er ist besonders hart, der beste Wärmeleiter und oft durchsichtig – wurde in der Forschung immer wieder versucht, den Edelstein im Labor herzustellen. Sogenannte CVD-Diamanten (CVD = Chemical Vapor Deposition) wurden vor rund 43 Jahren erstmals in Japan hergestellt. Ganz vorne mit dabei war damals die TU Wien, da Professor Benno Lux dieses Thema aufgegriffen hat. Roland Haubner (damals Postdoc) und Reinhard Bichler (damals Diplomand) gelang der Durchbruch. Heute, 40 Jahre später, beide pensioniert, blicken sie auf ihre Arbeit zu CVD-Diamanten zurück. 

Als erstes stellt sich mir die Frage: Was unterscheidet CVD-Diamanten von natürlich vorkommenden Diamanten? 

Roland Haubner:Nichts, sie haben dieselben physikalischen Eigenschaften! Diamant kommt in der Natur vor, ließ sich aber bis in die 1950er Jahre nicht im Labor herstellen. Erstmals gelang dies in den USA und Schweden, allerdings mit einer anderen Methode, als wir sie angewendet haben. Dort wurde Kohlenstoff unter Hochdruck und bei hohen Temperaturen zu Diamanten verpresst. CVD-Diamanten sind ebenfalls Labordiamanten, werden aber mit einem Verfahren hergestellt, bei dem atomarer Wasserstoff eine zentrale Rolle spielt. 

Bei Diamanten muss ich direkt an edlen Schmuck denken. Welchen Einfluss hatten im Labor hergestellte Diamanten denn auf die Schmuckindustrie?

Roland Haubner: Die Schmuckindustrie war damals zweitrangig. Uns, beziehungsweise den Forschenden allgemein, ging es darum, Diamant als ein Material mit außergewöhnlichen Eigenschaften selbst herstellen zu können. Während die Schmuckindustrie vor allem an Einkristallen interessiert ist, die dann zu Brillanten geschliffen werden können, sind für uns auch kleine Kristalle, Beschichtungen oder Pulver interessant. Prinzipiell ist es aber möglich, auf einem Diamanten – sei er natürlichen oder künstlichen Ursprungs – auch einen CVD-Einkristall aufwachsen zu lassen. 

Vier Boxen und kleine Schraubflaschen, die Exponate von CVD-Diamanten zeigen

© TU Wien

CVD-Diamant als Pulver, Beschichtung, oder Schicht

Warum spielt der Diamant in der Wissenschaft so eine wichtige Rolle? Und warum ist es besser, diesen im Labor herzustellen? 

Roland Haubner: Natürliche Diamanten sind sehr unterschiedlich in ihrer Form und Größe, aber auch in ihren Eigenschaften. Das ist das erste Problem, denn die Industrie braucht reproduzierbar hergestellte Diamantqualitäten. Zuerst musste der CVD-Herstellungsprozess erforscht werden, um danach die Eigenschaften des Diamanten in Anwendungen umsetzen zu können. Da Diamant das härteste Material ist, standen zuerst Verschleißanwendungen im Vordergrund, so zum Beispiel Diamantbeschichtungen auf Werkzeugen die beispielsweise zum Drehen, Fräsen oder Sägen verwendet werden. Da Diamant die höchste Wärmeleitfähigkeit besitzt – diese ist sogar fünf Mal höher als die von Kupfer – wird er zur Ableitung von Wärme von elektronischen Bauteilen eingesetzt. Durchsichtiger Diamant ist nicht nur bei sichtbarem Licht transparent, sondern in einem breiten Frequenzbereich. Folglich sind Fenster aus Diamant bei diversen Messgeräten von großem Vorteil, gerade auch wegen der chemischen Beständigkeit des Diamanten.

Aus wissenschaftlicher Sicht war Diamant so bedeutend, da es bis dahin unmöglich erschien, Diamant bei niedrigen Drucken herzustellen. Zuerst musste das Diamantwachstum erklärt werden und danach konnten die Eigenschaften der Diamantabscheidungen optimiert werden. Zu guter Letzt wurde an der industriellen Umsetzung von Anwendungen geforscht. 

Wie sind Sie beide zu CVD-Diamanten gekommen? 

Roland Haubner: Zu Beginn meines wissenschaftlichen Schaffens habe ich noch an der Herstellung von Wolframpulvern geforscht. Als ich nach Abschluss meines Doktorats eine Assistenten-Stelle an der TU Wien angenommen hatte, sollte sich mein Forschungsschwerpunkt jedoch ändern. Die Idee, Labordiamanten herzustellen, kam dabei von Professor Benno Lux. Klar war von Anfang an, dass dies eine schwierige Aufgabe werden wird.

Reinhard Bichler: Ich bin über den zweiten Bildungsweg zur Chemie gekommen und habe dann im Rahmen meiner Diplomarbeit, zusammen mit Roland Haubner, die Herausforderung angenommen. 

Schwaz-weiß Foto eines Messaufbaus mit Gerüst, Gasflaschen und Kabeln

© TU Wien

Foto von Reinhard Bichlers Diplomarbeit. Darauf zu sehen der Versuchsaufbau, mit dem die Herstellung der CVD-Diamanten gelang.

Drei schwarz-weiß Fotos von Diamanten.

© TU Wien

Foto von Reinhard Bichlers Diplomarbeit. Darauf zu sehen die ersten CVD-Diamanten, die an der TU Wien hergestellt wurden.

Herr Bichler, was war das für ein Gefühl, als Sie Ihren ersten CVD-Diamanten gezüchtet haben? 

Reinhard Bichler: Es war ein großartiges Gefühl, aber es hat eine Weile gedauert, bis ich realisiert habe, dass ich einen Diamanten geschaffen habe. Ich erinnere mich daran, dass ich wie so häufig morgens die Anlage geöffnet und das Probenblättchen gegen Licht gehalten habe. Dann habe ich etwas funkeln sehen und gedacht, es könnte sich um Diamant handeln. Erst als ein Kollege sich das Funkeln am Rasterelektronenmikroskop angeschaut hat, war klar, dass wir tatsächlich Diamant hergestellt haben. Da wurde mir bewusst: Wir sind ganz, ganz weit vorne mit dabei. Das war in jedem Fall sehr aufregend. 

Bei dem Versuch, das Experiment zu replizieren, gab es aber auch immer wieder Rückschläge und Durststrecken. Die Parameter mussten stimmen, die Anlage musste dicht sein, denn ein kleines Leck kann bereits dazu führen, dass der Versuch missglückt. Es muss die richtige Konzentration an atomarem Wasserstoff sein, es muss das richtige Methan-Wasserstoff-Gemisch sein. Es muss auch das richtige Drahtmaterial sein. Und, und, und. Das war dann auch sehr zermürbend. In der Forschung ist das aber einfach so: Lange Zeit ist man auf der Suche, bis man den Durchbruch erzielt. 

Was war die Herausforderung daran, den ersten CVD-Diamanten in Ihrem Labor herzustellen? 

Reinhard Bichler: Das von uns verwendete Verfahren entspricht scheinbar nicht den thermodynamischen Gesetzen. Letztendlich folgt aber auch die Bildung von CVD-Diamanten aufgrund der Verwendung von atomarem Wasserstoff diesen Gesetzen. Das war nur auf den ersten Blick nicht so klar erkennbar.

Roland Haubner: Als uns Professor Benno Lux sagte, „ich weiß, dass es geht“, wurde er genau deswegen von vielen Institutsmitgliedern belächelt. Lux hatte über seine Industriekontakte von einer japanischen Forschungsgruppe erfahren, der die Herstellung von CVD-Diamanten gelungen war. Dieses Wissen war für uns besonders wertvoll, denn vor 40 Jahren haben Forschende zumeist in ihrer Muttersprache publiziert – man konnte sich also nicht auf Veröffentlichungen stützen. Trotz der Zweifel vieler Kolleginnen und Kollegen habe ich ihm geglaubt, und gemeinsam mit Reinhard Bichler das scheinbar Unmögliche möglich gemacht. Nach den Durchbrüchen an der TU Wien nahm die Forschung zu CVD-Diamanten dann auch in den USA Fahrt auf und gelangte somit zu immer mehr medialer Präsenz. 

Was machen Sie jetzt und wie hat Ihre Forschung an CVD-Diamanten dazu beigetragen, dass Sie jetzt machen, was Sie machen? 

Roland Haubner: Ich bin mittlerweile im Ruhestand und widme mich nun der Archäologie. Nicht als Quereinsteiger, sondern als Student. Mein Wissen aus über 40 Jahren Chemie kommt mir aber auch dort zugute. Letzten Sommer war ich im Rahmen einer Exkursion in Ungarn und habe Bodenproben entnommen. Diesen Sommer war ich dann erneut dort, um die Ergebnisse meiner Analysen zu besprechen. 

Reinhard Bichler: Ich habe mich nach Abschluss meines Doktorats der Lehre gewidmet und lange an der HTL gelehrt. Auch ich bin bereits pensioniert, mich für Bildung und die Umwelt einzusetzen ist mir aber weiterhin ein großes Anliegen. 

Zwei Männer stehen im Labor und unterhalten sich, der rechte hält etwas in der Hand.

© TU Wien

von links: Reinhard Bichler und Roland Haubner im Labor

Warum sollte der CVD-Diamant Ihrer Meinung nach weiterhin in Forschung und Lehre präsent sein? 

Roland Haubner: Zunächst hat uns die Diamantenherstellung etwas ganz Wesentliches gelehrt: Auch wenn etwas nicht den Regeln der Thermodynamik zu folgen scheint, kann es möglich sein. Außerdem ist Diamant die Lösung für viele Probleme. Beispielsweise wenn Säure eingesetzt wird, kann Diamant dafür sorgen, dass sie den Messaufbau nicht beschädigt, oder Infrarotstrahlung kann ungehindert durch ein Diamant-Sichtfenster eindringen. Heißt: Mit dem Wissen über CVD-Diamanten wird die Problemlösekompetenz der Studierenden gefördert. 

Reinhard Bichler: Ich möchte an dieser Stelle ergänzen, dass das Thema noch nicht „zu Ende“ ist, denn Diamanten haben ein irrsinniges Potenzial – nochmal zur Erinnerung: hohe Härte, gute Wärmeleitfähigkeit, Durchsichtigkeit. Außerdem ist es wichtig zu vermitteln, dass Grundlagenforschung die Basis für alles Weitere ist. Bildung ist das wichtigste Fundament. 

Das Interview führte Sarah Link.