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"Zeckenzement" als möglicher biologischer Klebstoff für menschliches Gewebe

Zecken sind dafür bekannt, sich fest in der Haut zu verankern, um so für mehrere Tage Blut saugen zu können. Dieser Verankerungsmechanismus wirkt deshalb so gut, weil er auf einer zementartigen Substanz beruht und mit enormen Klebeeigenschaften wie ein Haftdübel für die Mundwerkzeuge der Zecken funktioniert. Forscher_innen der MedUni Wien und der TU Wien wollen diesen "Zeckenzement" erstmals erforschen und chemisch nachgebaut für die Biomaterialforschung nutzbar machen.

Benedikt Putz, Victoria Dorrer und Martina Marchetti-Deschmann vor einem Gerät für Massenspektrometrie in Kombination mit Flüssig- und Gaschromatographie (v.l.n.r)

Benedikt Putz, Victoria Dorrer und Martina Marchetti-Deschmann vor einem Gerät für Massenspektrometrie in Kombination mit Flüssig- und Gaschromatographie (v.l.n.r)

Benedikt Putz, Victoria Dorrer und Martina Marchetti-Deschmann vor einem Gerät für Massenspektrometrie in Kombination mit Flüssig- und Gaschromatographie (v.l.n.r)

"Es ist durchaus vorstellbar, dass es in Zukunft möglich sein wird, aus dieser Substanz einen biologischen Klebstoff für menschliches Gewebe zu machen, mit dem beispielsweise Sehnen und Bänder metallfrei am Knochen verankert werden können", umreißt Projektleiterin Sylvia Nürnberger von der Universitätsklink für Unfallchirurgie die Zielsetzung der Forschungen des im 2016 gestarteten und durch den Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts, das zugleich auch Teil der COST-Action der Europäischen Union ist. COST ist ein europäisches Netzwerk zur Kooperation von nationalen und internationalen Forschungsaktivitäten in Wissenschaft und Technologie, darunter jenes für Bioadhäsion. Das EU-Netzwerk "Bioklebstoffe", koordiniert vom Ludwig Boltzmann Institut für experimentelle und klinische Traumatologie, umfasst derzeit 150 Forscher_innen aus 30 Ländern.

Im Rahmen dieses Projekts untersucht Nürnberger gemeinsam mit Martina Marchetti-Deschmann von der Technischen Universität Wien die Zusammensetzung des natürlichen Dübels der Zecken und wie er als Vorlage für neue Gewebekleber dienen könnte. "Die derzeit verwendeten Gewebekleber in der Chirurgie, die etwa bei schweren Hautverletzungen oder Leberrissen verwendet werden, sind teilweise toxisch", erklärt die MedUni Wien-Forscherin. Andere Klebstoffe sind wiederum zu schwach. Biologische Alternativen wären deshalb optimal. Das Forschungsprojekt soll dazu beitragen, neue Alternativen und Anwendungen zu bestehenden Klebstoffprodukten für Haut, Knorpel, Bänder oder Sehnen zu finden. Derzeit werden rund 300 Zecken aus Österreich und deren "Zement" an der MedUni Wien analysiert und untersucht. Dabei stechen die Tiere durch eine hautähnliche Membran, wobei der Klebstoff abgesondert und ausgehärtet wird. Noch in diesem Jahr sollen in Südafrika Riesenzecken für diesen Zweck untersucht werden.

An der TU Wien arbeitet im Team von Martina Marchetti-Deschmann vom Institut für Chemische Technologien und Analytik auch Benedikt Putz am Zeckenzement-Projekt. Er untersucht die Proben auf den bisher nicht bekannten Gehalt an Biomolekülen wie beispielsweise Proteinen oder Kohlehydraten.

Weitere mögliche biologische Klebstoffspender
Mit den Haftfäden der Miesmuschel, deren Haftmolekül DOPA (eine Veränderung der Aminosäure Tyrosin) sich bereits in der präklinischen Testphase befindet, ist es internationalen Forschungsgruppen bereits gelungen, alternative Klebstoffe nachzubauen und herzustellen. "Der DOPA-Haftmechanismus ist aber aufgrund der geringen Haftstärke nicht für alle medizinischen Bereiche geeignet, sodass weiterhin Bedarf an neuen Klebstoffen besteht", erklärt Nürnberger. Weitere potenzielle "Klebstoffspender" sind u.a. Seegurken, die Klebstofffäden auf ihre Beute schleudern; Salamander-Arten, die blitzschnell aushärtenden Klebstoff aus Hautdrüsen absondern, wenn sie angegriffen werden; Insektenlarven, die Fangfäden produzieren, oder Krebse, die sogar unter Wasser "kleben" bleiben. Ebenfalls von Forschungsinteresse sind "Glow Worms", leuchtende Larven einer in Australien und Neuseeland ansässigen Käferart. Sie fangen ihre Beute mittels Klebefäden, die sie aus Munddrüsen abscheiden und bis zu 50 cm von beispielsweise einer Höhlendecke baumeln lassen. Victoria Dorrer, ebenfalls im Team von Prof. Marchetti-Deschmann, untersucht die interessanten Klebeeigenschaften der Fäden im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der TU Wien. Mit diesem Thema hatte sie es auch im Falling Walls Lab-Wettbewerb in die letzte Auswahlrunde geschafft.

Link zum Projekt COST Action ENBA (European Network of Bioadhesion Expertise): <link http: www.cost.eu cost_actions ca ca15216>

www.cost.eu/COST_Actions/ca/CA15216, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster