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Wolfgang Anzengruber - mit "Betriebswissenschaften" zum Konzernchef des Verbund

Der Absolvent der Studienrichtung Betriebswissenschaften ist neuer Konzernchef im Verbund.

Wolfgang Anzengruber (Copyright Verbund, Lukas Beck)

Wolfgang Anzengruber (Copyright Verbund, Lukas Beck)

Wolfgang Anzengruber (Copyright Verbund, Lukas Beck)

Dickhäuter als Vorbild

Der neue Konzernchef Wolfgang Anzengruber schätzt die Unverwüstlichkeit der Dickhäuter. Dabei sagt man gerade ihm viel Sensibilität im menschlichen Umgang nach. In seinem jetzigen Job bei Österreichs größtem Stromerzeuger wird er beide Qualitäten brauchen.

Wolfgang Anzengruber sammelt Nashörner. Natürlich keine echten, sondern die kleineren Ausführungen in Stein oder Holz. „Ich weiß, das klingt komisch, aber diese Tiere taugen mir einfach.“ Warum? Der neue Verbund-Chef nimmt sich einige Sekunden zum Nachdenken. „Sie fürchten sich vor niemandem, sie haben keine Feinde, und sie halten viel aus. Sie sind so wie ich. Oder sagen wir, so wie ich gerne sein möchte.“ Anzengruber lacht. Die in die Stirn frisierten Haare lassen den 52-Jährigen jünger, manchmal fast lausbubenhaft aussehen, und dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass er – wenn er schneller spricht – hörbar in Dialekt fällt.

Der neue Herr über Österreichs größten Stromproduzenten ist erfrischend unkompliziert. An einem der Stehtische im Zigarrenklub der Pleon-Publico in Wien stellt er sich mühelos auf das Sprachniveau der wechselnden Gesprächspartner ein, erzählt eigene Anekdoten und hört sich interessiert die Schwänke aus dem Leben anderer an. Die Leutseligkeit des Diplomingenieurs – Anzengruber studierte an der Wiener TU Betriebswissenschaften – wirkt authentisch. Doch Geselligkeit ist es nicht, die den aus Steyr Gebürtigen nach fünf Jahren als CEO des Kranbauers Palfinger für den begehrtesten Job in der heimischen Energiewirtschaft qualifiziert. Und auch nicht – wie naheliegend wäre – die Politik. „Ich bin zwar CVer und werde daher in die ÖVP-Lade geschoben, aber ich habe kein Parteibuch und werde auch nie eines haben“, stellt Anzengruber klar.

Berufserfahrung

Es sind seine fachlichen Qualifikationen und die spezielle Berufserfahrung, die den gläubigen, regelmäßigen Kirchgänger für den Job prädestinieren. Bei der ABB leitete er als Techniker den Ausbau von Kraftwerken wie Mellach. Schon aus dieser Zeit kennt er jeden Kraftwerkstyp und kann Projekte auch von der technischen Seite fachmännisch beurteilen. Durch seinen Wechsel von der ABB in die Chefetage der Salzburger Stadtwerke lernte er die wirtschaftliche Seite der E-Wirtschaft besser kennen – und auch das politische Parkett. Bei der Fusion mit der Landesstromgesellschaft SAFE zur Salzburg AG war seine verbindliche Art ein wichtiger Erfolgsfaktor, der die Parteigrenzen der Landespolitik überwinden half.

Zu guter Letzt sorgte der Spitzenjob beim Salzburger Kranbauer Palfinger, der als börsennotiertes Unternehmen besonderen Rahmenbedingungen bei Transparenz und Kommunikation unterliegt, für die nötige Erfahrung im Chefsessel eines internationalen Konzerns.

Das Echo auf den parteifreien Manager im Dienste des mehrheitlich staatlichen Konzerns ist dementsprechend positiv ausgefallen. „Anzengruber ist eine hervorragende Wahl. Für ihn spricht die langjährige Erfahrung als Vorstandschef und die internationale Ausrichtung, die er bei Palfinger hatte“, zeigt sich Veit Sorger, Präsident der Industriellenvereinigung, angetan, „er ist auch mit seinem Hintergrund als Techniker erstklassig qualifiziert.“

Soziale Intelligenz als Voraussetzung

Spricht man mit Weggefährten Anzengrubers, so fällt häufig der Begriff „soziale Intelligenz“. Eduard Schreiner, ehemaliger Palfinger-CFO und als solcher mehrere Jahre Vorstandskollege des heutigen Verbund-Chefs, hat positive Erinnerungen: „Die Arbeit mit ihm hat einfach Spaß gemacht. Man kann mit ihm viel lachen, ohne dass er deshalb den Fokus für das Geschäft verliert.“ Auch im Umgang mit dem als schwierig beschriebenen Großaktionär Hubert Palfinger senior bewies Anzengruber viel Gespür. Schreiner: „Er hat immer gewusst, wann er welchen Vorschlag präsentiert, und wenn er abgeblitzt ist, hat er zu einem späteren Zeitpunkt mehr oder weniger das Gleiche in anderem Gewand noch einmal vorgelegt.“ Denn auch eine Art charmanter Hartnäckigkeit sei dem Techniker zu eigen.

Unternehmensberater Klaus Woltron, ehemaliger ABB-Chef, zählt zu den wichtigen Mentoren des Oberösterreichers. Er lernte ihn kurz nach dessen Studium bei der SGP als ausgezeichnet ausgebildeten Techniker und Computerfreak kennen und holte ihn später zur ABB: „Er ist ein grundehrlicher Charakter mit einer positiven Lebenseinstellung. Das habe ich immer sehr geschätzt. Er liebt die Menschen, und das spürt man, wenn man mit ihm zu tun hat.“ Diese Eigenschaften ermöglichten es Anzengruber auch in schwierigen Situationen, zu Lösungen zu kommen. Beim Verbund werde er, so Woltron, diese Eigenschaften brauchen: „Das ist kein politisches Unternehmen, sondern leistungs- und technikorientiert mit hervorragenden Leuten. Die muss man nur aufwecken, und das ist etwas, was Anzengruber wirklich kann.“ Die Leutseligkeit des neuen Verbund-Chefs ist auch eng mit der einzigen augenzwinkernden Kritik an seinem ehemaligen Schützling verbunden: „Er bleibt am Abend gerne einmal länger sitzen. Da ist er manchmal zu gesellig.“

Anzengruber privat

Geht es um private Themen, lässt sich Anzengruber länger Zeit für die Antworten. Seine Wohnung in der Wiener Schwertgasse hat nur 70 Quadratmeter, dafür sind es zu Fuß ins Büro gerade einmal drei Minuten. „Was Größeres brauch ich hier alleine eh nicht, ich pendle ja am Wochenende nach Salzburg.“ Der seit 23 Jahren verheiratete zweifache Vater wollte seiner jüngeren Tochter nicht antun, aus der vertrauten Klassengemeinschaft nach Wien wechseln zu müssen. „Den Fehler haben wir bei der Älteren gemacht.“ Das Pendeln sei er ohnehin gewohnt. Als er von der ABB mit Sitz in Wien zur Salzburg AG wechselte, blieb die Familie zunächst in der Hauptstadt. „Jetzt reise ich halt in die andere Richtung.“ Als Belastung oder Zeitverlust empfindet er das nicht. Denn der neue Dienstwagen, entsprechend seiner ökologischen Ausrichtung ein Hybrid-Lexus, bleibt in der Garage. „Ich fahre mit der Bahn. Da kann ich arbeiten oder Termine vorbereiten.“ Seine 55- bis 60-Stunden-Woche ins Wochenende zu verlängern, liegt ihm zwar nicht, „aber es lässt sich nicht immer vermeiden“. Als Verbund-Chef wohl noch weniger als in seinem ehemaligen Job bei Palfinger. Aber was soll’s – Nashörner halten eben viel aus. Und das sind ja die erklärten Vorbilder. l

Arbeit im Verbund

Das neue Reich des Wolfgang Anzengruber: Die Verbundgesellschaft ist nicht nur der größte Stromerzeuger Österreichs, sondern auch das wertvollste Unternehmen an der Wiener Börse. Für 2008 erwarten Analysten ein neues Rekordergebnis.

Was Anzengruber selbst am neuen Job reizt, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: „Die Möglichkeit, zu gestalten.“ Geld spielte bei der Entscheidung für die Bewerbung keine Rolle. Sein Vorgänger Michael Pistauer verdiente inklusive Bonus rund 900.000 Euro, Anzengruber bei Palfinger über 600.000. Doch selbst wenn er eine Million mehr verdiente, würde sich sein Leben dadurch nicht ändern: „Natürlich ist es ein Privileg, keine finanziellen Sorgen zu haben. Jetzt lese ich die Speisekarte im Restaurant von links nach rechts, als Student habe ich sie von rechts nach links gelesen.“

 

Quelle: "trend" Nr. 03/09 vom 01.03.2009, Ressort: Wirtschaft, Artikel von: Stephan Klasmann und Andreas Lampl