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Wellendressur in Theorie und Praxis

Professor Stefan Rotter im Portrait

Prof. Stefan Rotter

„Es muss nicht immer gleich die Weltformel sein“, findet Stefan Rotter. Hochspekulative, rein abstrakte Theorien sind nicht seine Welt. „Theoretische Berechnungen sind für mich dann am spannendsten, wenn man sie mit schönen Experimenten vergleichen kann,“ meint er. Seit 2011 ist Stefan Rotter Professor für Nichtlineare Dynamik am Institut für Theoretische Physik. Er forscht an Lasern genauso wie an Mikrowellenstreuung, er simuliert wie sich ultrakalte Neutronen im Gravitationsfeld bewegen  und berechnet die Ausbreitung von Schall. Diese Themen haben mehr miteinander zu tun, als man auf den ersten Blick vermuten könnte: In all diesen Bereichen geht es um das komplizierte Verhalten von Wellen, das sich oft nur in aufwändigen Computersimulationen erklären lässt.

Die Welt besteht aus Wellen
Ein Orchesterklang, der aus dem Lautsprecher tönt, breitet sich aus, erfüllt den ganzen Raum und dringt in unser Ohr. Auf komplizierte Weise werden die Schallwellen  gestreut und überlagert. Ganz ähnliche Dinge geschehen auch mit Lichtwellen oder mit Materiewellen in der Quantenphysik. „Was all diese Phänomene verbindet ist, dass sie mathematisch ganz ähnlich beschrieben werden können: Nämlich durch eine Wellengleichung Daher können wir oft in ganz verschiedenen Gebieten der Physik ganz ähnliche Techniken zur Beschreibung von Streuproblemen verwenden“, erzählt Stefan Rotter.
Am Beginn von Stefan Rotters Forschungstätigkeit stand die Simulation von Elektronen die sich durch winzige Bauteile bewegen. Auf dieser mikroskopischen Größenskala können Elektronen nicht mehr als punktförmige Teilchen beschrieben werden, die sich auf eindeutig definierten Bahnen bewegen. Stattdessen müssen die Wellen-Eigenschaften der Elektronen berücksichtigt werden.

Dass sich Quantenteilchen wie Wellen benehmen, lässt sich mit unserer Intuition nicht so einfach vereinbaren. Atome, Elektronen oder Lichtteilchen stellen wir uns oft wie kleine Kügelchen vor, die sich auf eindeutigen Bahnen bewegen - wie Pistolenkugeln, Tennisbälle oder Planeten. „Nun kann man sich natürlich die Frage stellen, wie das wellenartige Verhalten der Quantenteilchen mit den gewohnten Bahnen größerer Objekte zusammenhängt“, meint Stefan Rotter. „Oft erhält man die gewünschten Einsichten erst dadurch, dass man diese komplementären Betrachtungsweisen zusammenführt.“

Von Quantenteilchen für die Akustik lernen
In Computersimulationen lässt sich genau zeigen, unter welchen Bedingungen ein Quantenteilchen seine eindeutige Bahn verliert und als Welle beschrieben werden muss. Diese Erkenntnisse aus der Quantenphysik konnte Stefan Rotter mittlerweile auch auf die Akustik anwenden: „Wir wollten wissen, ob man Schallwellen dazu bringen kann, sich so ähnlich wie Teilchen zu verhalten.“ Lassen sich Wellen zielgenau auf einer geraden Linie quer durchs Zimmer schicken, so wie man jemandem einen Ball zuwirft? – Wie sich herausstellte, ist das tatsächlich möglich. „Wir haben eine Methode entwickelt, Wellen so zu überlagern, dass sie sich eng fokussiert <link http: www.tuwien.ac.at aktuelles news_detail article>vom Sender zum Empfänger bewegen. Überall sonst im Raum ist die Schallwelle nicht zu hören“, berichtet Stefan Rotter. Er ist bereits im Gespräch mit Forschungsgruppen in Frankreich und in den USA, die diese Berechnungen nun tatsächlich im Experiment umsetzen wollen.

Pendeln zwischen Wien und Ausland

Mit der TU Wien ist Stefan Rotter schon lange eng verbunden: Er studierte hier Physik, unterbrochen durch ein Auslandsstudium an der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne. Danach absolvierte er seinen Zivildienst im Anne-Frank-Haus in Amsterdam, gefolgt von einer Dissertation bei Prof. Joachim Burgdörfer am Institut für Theoretische Physik der TU Wien. 2006 verließ Stefan Rotter Wien abermals und wechselte an die US-amerikanische Universität Yale. Dort forschte er an korrelierten Elektronen und <link http: www.tuwien.ac.at aktuelles news_detail article>Zufallslasern mit einem Durchmesser von wenigen Tausendsteln eines Millimeters. In ihnen kommt es zu sehr komplexen Wellenstreuungen die von mikroskopisch kleinen Störungen in ihrem Inneren bestimmt sind – dadurch leuchtet jeder Zufallslaser anders, seine Lichtwellen sind individuell wie ein Fingerabdruck. „Die Zeit in Amerika war für mich ausgesprochen bereichernd“, meint Stefan Rotter. „Abgesehen von den spannenden Forschungsthemen habe ich letztlich auch von vielen interessanten Kontakten sehr profitiert.“ Auf Dauer in den USA zu bleiben war jedoch schlussendlich nicht sein Ziel: „Ich glaube, dass ich doch zu sehr Europäer und mit den Menschen, der Kultur hier zu sehr verbunden bin, um nicht auch in Europa mein Leben verbringen zu wollen“, sagt Stefan Rotter. So kehrte er also an die TU Wien zurück, wo er dann schließlich als Professor berufen wurde.

Wissenschaftliche Zusammenarbeit innerhalb der TU Wien
In die Forschungslandschaft der TU Wien fügt sich Stefan Rotter zweifellos bestens ein: „In den vergangenen Jahren ist es uns gelungen, mit mehreren  Forschungsgruppen innerhalb der TU eine sehr gute Zusammenarbeit aufzubauen“, sagt er. So arbeitet Stefan Rotter mit verschiedenen Forschungsteams am Atominstitut zusammen und an seinen Laser-Arbeiten sind sowohl das Institut für Photonik (Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik) als auch das Institut für Analysis und Scientific Computing (Fakultät für Mathematik) beteiligt.
 
Die schönsten Wellen macht die Musik
Stefan Rotters Lieblingsbeschäftigung neben der Physik erkennt man schon durch einen Blick auf seinen Schreibtisch: Eine ganze Reihe von Klassik-CDs stapelt sich dort. „Beim Musikhören kann ich oft am besten nachdenken“, erklärt er.  Für den Radiosender Ö1 hat er früher einzelne Musiksendungen zusammengestellt und moderiert, jahrelang war er Obmann des TU-Orchesters. „Das TU-Orchester ist eine großartige Einrichtung - und gleichzeitig auch ein großer Freundeskreis“, findet Stefan Rotter. Zum Organisieren von Konzerten und Orchestertourneen wie zu seiner Zeit als Obmann würde ihm heute freilich die Zeit fehlen, doch bleibt er dem TU-Orchester als Schlagwerker nach wie vor treu. Ob er auf der Konzertbühne während der Aufführung dann manchmal insgeheim über die vielen überlagerten und komplex gestreuten Schallwellen nachdenkt, die ihn dort umgeben – das weiß nur er allein.

Veranstaltungshinweis:
Die Antrittsvorlesung von Prof. Stefan Rotter findet am Montag dem 12. März 2012 um 17:15 im FHS5 statt.