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Von Maschinen und Menschen

Wie können wir die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine in der industriellen Produktion klug gestalten? Prof. Sebastian Schlund im Portrait.

Prof. Sebastian Schlund

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Prof. Sebastian Schlund

Der Unterschied ist gewaltig: Unsere Industrieanlagen sehen heute völlig anders aus als vor einigen Jahrzehnten. Wo früher viele Menschen körperlich anstrengende Arbeit leisteten, packen heute Maschinen an. Nun steht ein weiterer, ähnlich radikaler Wandel bevor. Die Produktionstechnik wird digitalisiert, damit wird sich auch die menschliche Arbeitswelt drastisch verändern.

Wie dieser Wandel gestaltet werden kann und welche technischen Möglichkeiten damit verbunden sind, erforscht Prof. Sebastian Schlund vom Institut für Managementwissenschaften. Mit einer Stiftungsprofessur konnte er an die TU Wien geholt werden, <link https: www.imw.tuwien.ac.at cps news news_detail article>am 13. März 2018 hielt er seine Antrittsvorlesung.

Der digitale Assistent
„Unser Ziel ist die intelligente Vernetzung von Menschen, Maschinen und Objekten“, sagt Sebastian Schlund. „Dafür brauchen wir neue Werkzeuge. Genauso wie es heute ganz normal ist, zu einem Schraubenschlüssel zu greifen wird es in Zukunft ganz normal sein, mit einem digitalen Assistenten zusammenzuarbeiten – egal ob als Software auf einem Tablet, in Form eines intelligenten Roboterarms oder in einer ganz anderen Form, die es heute vielleicht noch gar nicht gibt.“

Diese Digitalisierung – oft mit dem Begriff „Industrie 4.0“ versehen – bringt mehr Flexibilität: Bisherige Produktionssysteme eigneten sich gut für die massenhafte Herstellung einfacher Objekte. Die intelligente Fertigungsanlage der Zukunft wird allerdings kein Problem mehr damit haben, einzelne Produkte ganz individuell auf den Kundenwunsch anzupassen. Von der Einzelbestellung über die personalisierte Fertigung bis hin zum Versand kann der gesamte Arbeitsablauf digital abgebildet werden.

Mehr Flexibilität bedeutet das auch für die beteiligten Menschen: „Wer in der Produktion arbeitet, wird in Zukunft flexibler eingesetzt werden – und zwar inhaltlich, zeitlich und räumlich“, glaubt Sebastian Schlund. Intelligente Planungssysteme werden berechnen, welche Aufgabe wann und wo erledigt werden soll, um möglichst effizient das Ziel zu erreichen.

Das bietet gleichermaßen Chancen und Risiken: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf könnte durch mehr Flexibilität einfacher werden, gleichzeitig könnten sich auch größere Abgrenzungsprobleme ergeben. „Die neuen Möglichkeiten sind grundsätzlich weder gut noch schlecht“, sagt Sebastian Schlund. „Es kommt darauf an, wie wir sie einsetzen. Genau deshalb ist es wichtig, frühzeitig die Folgen der Digitalisierung zu analysieren und zu verstehen.“

Computerdaten menschengerecht präsentieren
Der erste Schritt zur Digitalisierung ist, die nötigen Informationen zu sammeln und aufzubereiten. „Je mehr man über einen Produktionsprozess weiß, je besser man für Transparenz sorgen kann, desto mehr Interaktionsmöglichkeiten haben wir, und umso besser kann man einen Prozess auch planen und automatisieren“, sagt Schlund. Wichtig ist dabei auch das, was Schlund „Informationsergonomie“ nennt: Daten müssen so aufbereitet sein, dass sie von Menschen möglichst rasch und mühelos aufgenommen werden können. „Heute ist es in den Produktionsbetrieben oft so, dass viele verschiedene Methoden der Datenweitergabe gleichzeitig verwendet werden – vom intelligenten Computersystem bis hin zu Notizzetteln, die man händisch weitergibt“, sagt Schlund. Hier gibt es noch viel auszuprobieren – bis hin zu ganz neuen Ansätzen, etwa einem Beamer, der in Echtzeit immer die passenden Montagehinweise auf ein Werkstück projiziert.

Solche Demonstrationsanlagen untersucht Sebastian Schlund mit seinem Team auch an der Pilotfabrik der TU Wien, wo theoretische Überlegungen in einem sehr praxisnahen Umfeld erprobt werden können.

Wird der Mensch in der Produktionstechnik irgendwann überhaupt obsolet werden? Das glaubt Sebastian Schlund nicht. „Ich denke, der Bereich, der nicht digitalisiert werden kann, ist größer, als man heute denkt“, meint er. „Bedarf für menschliche Arbeit wird es auch in Zukunft geben – und zwar nicht nur in Berufen, in denen es auf Empathie und Kommunikation ankommt, sondern durchaus auch im Bereich manueller Tätigkeiten.“ Das fehlertolerante menschliche Hirn und die sensible menschliche Hand können eben immer noch Aufgaben bewältigen, bei der selbst hochentwickelte künstliche Intelligenz an ihre Grenzen stößt.

Wuppertal, Stuttgart, Wien
Sebastian Schlund studierte Verkehrswesen an der TU Berlin, danach ging er an die Bergische Universität Wuppertal, wo er 2011 zum Doktor der Ingenieurswissenschaften promovierte. Sein Plan war eigentlich, danach in die Industrie zu gehen – doch es kam anders: Ein attraktives Angebot der Universität Stuttgart ließ ihn im akademischen Bereich bleiben, er forschte an der Modellfabrik und im Zukunftslabor „Produktionsarbeit 4.0“ in Stuttgart.

2012 wurde er zum Abteilungsleiter im Bereich Produktionsmanagement am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart, und 2017 schließlich wurde er als Professor an die TU Wien berufen.

Wie groß das Interesse an Schlunds Forschungsarbeit ist, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass mehrere Firmen und Institutionen unter der Koordination von Professor Wilfried Sihn zusammengearbeitet haben, um am Institut für Managementwissenschaften der TU Wien die Stiftungsprofessur für „Human Centered Cyber Physical Production and Assembly Systems“ zu schaffen. Unterstützung kam vom BMVIT von der FFG sowie den Unternehmen FACC AG, Siemens AG Österreich, Infineon Technologies Austria AG, BRP-Rotax GmbH & Co. KG und BECOM Electronics GmbH.

In Wien hat sich Sebastian Schlund bereits gut eingelebt: „Ich freue mich über spannende Forschungsmöglichkeiten, die sich hier natürlich nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Pilotfabrik ergeben“, sagt Schlund. „Auch abgesehen davon fühle ich mich in Wien sehr wohl – meine Frau hat slowakische Wurzeln, somit ist diese Stadt auch geographisch für uns genau richtig.“