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Vienna blooming: Utopien für eine blühende Stadt

Luca Bierkle und Tobias Reisenbichler sind Vienna blooming. Die beiden entfesseln mit ihren KI-basierten Grünraumträumen die Vorstellungskraft der Betrachter_innen: sie verblüffen, bringen zum Schmunzeln und geben uns Ideen, wie eine autofreie, grüne Stadt in Zeiten des Klimawandels aussehen kann.

Vorher/nacher-Bild von der Wiener Secession. Einmal mit Straße und Verkehr und einmal ohne Straße und mit Begrünung und Platz für Fußgänger_innen.

© Vienna blooming

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Vorher/nacher Bild: Sicht auf das Wiener Rathaus vom mehrspurigen Ring aus gesehen, einmal mit Straße und einmal mit Blumenwiese über den gesamten Straßen- und Rathausplatzbereich.

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Schleifmühlgasse vorher/nachher: vorher mit parkenden Autos links und rechts, nachher mit Pflanzentrögen und Töpfen und einer kleinen ovalen Wasserfläche anstatt der Autos.

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Wiedner Hauptstraße zweigeteilt: vorher mit Straße, Autos und Geleisen, nachher statt der Straße breiter Gehsteig mit einem baumbewachsenen Streifen und Pflasterung statt der Straße.

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Vorher/nacher-Bild: Blick auf den grau gepflasterten Schwarzenbergplatz mit Blick auf das Kriegerdenkmal. Nachher:  hell gepflasterter Platz mit quadratischen Flächen aus denen Bäume wachsen.

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Am Anfang stand das Spiel: Luca Bierkle und Tobias Reisenbichler, zwei Raumplanungsstudenten an der TU Wien, experimentierten damit, was die KI der Bildbearbeitungssoftware Photoshop so alles hergibt. Welche Bilder sollten sie ausprobieren? Sie überlegten nicht lange, denn als Raumplaner, so die beiden unisono im Gespräch, würden sie immer den öffentlichen Raum auf Kriterien wie Nachhaltigkeit und auf ein gesamtgesellschaftliches Interesse hin ansehen. Gegen den Strich geht den beiden schon lange, dass in Wien zu viele Autos im öffentlichen Raum herumstehen und im Gegenzug Mensch und Natur vielerorts nur „als Randexistenzen“ Platz finden. 

Und dann waren die Autos weg

Mittels KI ließen die beiden als erstes die Autos aus dem Stadtbild verschwinden. Sie staunten nicht schlecht, was sich da vor ihren Augen auftat. Die plötzliche Leere war wohltuend und es zeigte sich, was sie zwar schon lange wussten, aber noch nie so deutlich gesehen hatten wie jetzt: Wie viel Raum wir Autos – und insbesondere parkenden Autos – zur Verfügung stellen; Raum, auf den wir Menschen dann selbst verzichten müssen.

Nachdem die Autos entfernt waren, machten sie sich an die Umsetzung ihrer Grünraumfantasien. Das aber sollte keine einfache Übung für die beiden werden. Denn es sei vergleichsweise leicht, etwas aus einem Bild zu entfernen (wie Autos), aber etwas hinzuzufügen, das sei eine vollkommen andere Geschichte und wirklich aufwändig – bis zu 900 Befehle könnten schon in so einem Bild stecken, erzählt Reisenbichler. Die beiden verstanden aber zusehends besser, wie die KI funktioniert und ließen sich in ihrem Schöpfungsprozess nicht einschränken – im Gegenteil: So setzten sie z.B. Tümpel mitten auf den Ring vor Parlament und Heldentor und verwandelten den Rathausplatz mitsamt Ringstraße in ein Blumenmeer.

Die Zukunft der Stadt

Der Hintergrund für das Spiel der beiden Raumplaner ist jedoch ernst. Sie wissen: Wien gehört zu jenen Städten, die aufgrund ihrer Lage, ihrer Bevölkerungsentwicklung und der fortschreitenden Bodenversiegelung am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Ihre Visualisierungen sehen sie als Beitrag für den Kampf gegen den Klimawandel:

„Wien ist in den letzten fünf Jahren um 200.000 Einwohner_innen gewachsen. Dadurch steigt der Nutzungsdruck auf den begrenzten öffentlichen Raum und gleichzeitig prägt die Hitze den sommerlichen Alltag“, so die beiden Macher von Vienna blooming. Trotz des Ernstes der Lage haben sie aber auf den erhobenen Zeigefinger verzichtet und stattdessen spielerisch positive Utopien entwickelt und damit Wünsche nach einer Realisierung geweckt. Sie wollten bewusst positive Bilder schaffen und zeigen, wie viel lebenswerten Freiraum die Menschen gewinnen können. Damit sind die beiden einem Schreckgespenst namens „Verlustaversion“ entgegengetreten, die bewirkt, dass wir nur jene positiven Veränderungen akzeptieren, die mindestens doppelt so gut sein müssen wie das bereits Vorhandene.

„Mit ihren KI-generierten Bildern haben Bierkle und Reisenbichler verschiedenste Zukünfte greif- und auch verhandelbar gemacht“, meint auch der TUW-Raumplaner Jonathan Fetka. Er sagt weiter: „Die für Klimawandelanpassung und Verkehrswende dringend notwendigen Umgestaltungsprozesse von autodominierten Straßenräumen hin zu begrünten und verkehrsberuhigten Aufenthaltsräumen scheitern oft daran, dass uns das Ausmalen neuer Zukünfte schwerfällt. Vienna blooming zeigt jedoch, was mit der Kombination neuer Visualisierungstools, viel Fachwissen und noch mehr Liebe zum Detail möglich ist.“

Barbara Laa vom Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik findet, dass Vienna blooming sehr gut zeigt, wie viel Platz verschwendet wird und was verloren geht, wenn wir parkenden Autos den öffentlichen Raum überlassen.Besonders interessieren sie dabei etwa die kleineren Straßen wie Schleifmühlgasse im 4., oder die Glockengasse im 2. Bezirk. Hier ließen sich einige Begrünungsmaßnahmen mit geringem Aufwand und niedrigen Kosten schnell umsetzen – und auch wieder ändern, so nötig – ganz im Sinne des sogenannten „tactical urbanism“, in dem schnell, unkompliziert und kostengünstig Ideen getestet werden, bevor sie dauerhaft umgesetzt werden.
Zur Reduktion der parkenden Autos schlägt sie vor, mit einer autofreien Innenstadt zu beginnen. Diese habe immer eine Wirkung auf die gesamte Stadt. Dann könnte man weitere Maßnahmen setzen, wie etwa mehr Kostenwahrheit für Parkplätze. Auch könnten durch eine strikte Leitung der Verkehrsströme, Autofahrer_innen davon abgehalten werden, Schleichwege rund um den Gürtel zu benützen, und damit die Bewohner_innen keinem Verkehrslärm und Abgasen mehr auszusetzen. Damit wären erste wichtige Schritte getan, so Laa.

Utopie konkret

Die Vienna blooming-Bilder von Luca Bierkle und Tobias Reisenbichler haben beim Publikum voll eingeschlagen und wurden bereits von mehreren Medien veröffentlicht. Es ist den beiden gelungen, den Menschen positive Visionen einer von Autos befreiten Stadt zu vermitteln. Die Fähigkeiten, die KI zu bedienen, haben auch schon Interesse geweckt. Zukunftsvisionen direkt umgesetzt zu sehen ist reizvoll – das sieht man!

 

Weiter schauen

Danke an TUW-Verkehrsplanerin Barbara Laa für ihre Kommentare zu den KI-Visualisierungen.

Artikel: Edith Wildmann