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Schlechte Zeiten für das kosmische Chamäleon

Woraus besteht das Universum? Aus „Chamäleonfeldern“ und sogenannten „WIMPS“ eher nicht, erklären TU-Physiker.

Bestimmen Chamäleon-Felder das Verhalten des Universums? Eher nicht, sagen neue Messungen.

Bestimmen Chamäleon-Felder das Verhalten des Universums? Eher nicht, sagen neue Messungen.

Bestimmen Chamäleon-Felder das Verhalten des Universums? Eher nicht, sagen neue Messungen.

Alle uns bekannten Teilchen machen bloß fünf Prozent der Energie im Universum aus. Der Rest besteht aus „dunkler Materie“ und „dunkler Energie“ – und bis heute ist völlig unklar, was das sein könnte. Allerdings werden immer wieder plausible theoretische Modelle dafür vorgeschlagen. Dazu gehören die sogenannten „Chamäleon-Felder“ oder die „WIMPS“ (weakly interacting massive particles – schwach wechselwirkende massive Teilchen). Beides erscheint nach neuen Messergebnissen nun aber immer unwahrscheinlicher, erklären Prof. Hartmut Abele und Prof. Jörg Schmiedmayer vom Atominstitut der TU Wien in einem Perspective Article im Wissenschaftsmagazin Science.

Teilchen – wo seid ihr?
„Wenn man neuartige physikalische Teilchen oder Felder vorschlägt, muss man natürlich eine Antwort auf die Frage haben, warum man dieses Objekt nicht bei bisherigen Experimenten gefunden hat“, sagt Prof. Hartmut Abele. „Eine mögliche Erklärung ist, dass eine bestimmte Teilchensorte mit der übrigen Materie nur sehr schwach wechselwirkt.“ Vorstellbar wären etwa Teilchen, die über die Gravitation und nur schwach über elektromagnetische Kräfte auf andere Teilchen einwirken und daher im Labor nur sehr schwer zu messen sind. Es gab sogar Experimente, die solche Teilchen, die „WIMPS“ plausibel erscheinen ließen. Neue Messungen an einem Xenon-Detektor in Gran Sasso (Italien) scheinen das aber nun zu widerlegen. „Was unsere Kollegen in Gran Sasso nun vorlegen, dürfte mehrere Modelle für die Existenz solcher Teilchen eindeutig widerlegen“, sagt Abele.

Chamäleonfelder nach wie vor unauffindbar

Dass die Expansion des Universums immer schneller wird, ist durch eine zusätzliche Form der Energie zu erklären – die geheimnisvolle „dunkle Energie“. Sie ließe sich durch sogenannte „Chamäleonfelder“ erklären. Durch einen Mechanismus, der 2004 theoretisch beschrieben wurde, hängt die Wechselwirkung zwischen einem solchen Feld und unserer bekannten Materie von der Materiedichte ab. „Hier auf der Erde, wo die Materiedichte sehr hoch ist, wäre ein solches Feld schwer messbar. Das würde erklären, warum es uns bisher noch nicht aufgefallen ist“, erklärt Hartmut Abele. „Weit draußen im Weltall, wo die Dichte gering ist, könnte es aber einen großen Einfluss haben, der unsere kosmologischen Beobachtungen erklären würde.“

Die Theorie der Chamäleonfelder enthält Parameter, deren Wert völlig unbekannt ist. Alles was man tun kann, ist nachzurechnen, welche Werte diese Parameter annehmen können, ohne dass die Theorie den bisherigen Beobachtungen widerspricht. Und dann kann man neue Experimente durchführen, um den möglichen Parameterbereich Schritt für Schritt einzuschränken. „Am Ende findet man entweder tatsächlich ein Chamäleonfeld, oder man kann irgendwann den ganzen theoretisch möglichen Parameterbereich experimentell ausschließen, dann gibt es keine Chamäleonfelder“, sagt Hartmut Abele.

Neutronen und Atome

Er selbst und seine Arbeitsgruppe konnten mit Neutronen-Versuchen die Grenzen für mögliche Chamäleonfelder bereits um einen Faktor von zehn Millionen einschränken. Dabei wurden Neutronen verwendet. Die Gravitation, die auf die Neutronen wirkt, beeinflusst ihren Quantenzustand, und über genaue Messungen dieser Quantenzustände lassen sich Änderungen in der Stärke der Gravitation höchst präzise detektieren.

Neue Experimente der Gruppe um Paul Hamilton in Berkeley, Kalifornien dürften nun die Grenzen abermals um einen Faktor vierhundert einschränken. Dabei wurde vermessen, wie die Anwesenheit einer massiven Kugel das quantenphysikalische Verhalten von Atomen beeinflusst. Gäbe es tatsächlich Chamäleonfelder, so müsste die Kugel etwas anders auf die Atome wirken, als bisherige Theorien vorhersagen. Das konnte allerdings nicht beobachtet werden.

Der Platz wird also eng für die Chamäleonfelder. „Auch unsere Gruppe arbeitet nach wie vor daran, die Präzision unsere Experimente weiter zu verbessern“, sagt Abele. Vielleicht lässt sich so ja bald der gesamte mögliche Parameterraum der Chamäleonfelder ausschließen – dann wird sich die theoretische Physik neue Modelle einfallen lassen müssen. Denn eines steht fest: Unser Universum hält noch Dinge bereit, von denen wir heute noch keine Ahnung haben.

Nähere Information:
Prof. Hartmut Abele
Atominstitut
Technische Universität Wien
Stadionalle 2, 1020 Wien
T: +43-1-58801-141447
<link>hartmut.abele@tuwien.ac.at

Dr. Florian Aigner
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Technische Universität Wien
Operngasse 11, 1040 Wien
T: +43-1-58801-41027
<link>florian.aigner@tuwien.ac.at