News

Regelungstechnik als Wellenbrecher

Forschende haben herausgefunden, wie man beim hochdynamischen Transport von Flüssigkeiten Schwappbewegungen aktiv unterdrücken kann.

Roboterarm hält Cocktailglas in der Hand.

Cocktailglas in Bewegung

Bei hochautomatisierten industriellen Prozessen werden Maschinen, Materialien und Güter oft sehr schnell bewegt. Wichtig ist, dass diese Bewegungen präzise und sicher ausgeführt werden. Eine besondere Herausforderung stellt daher der Umgang mit Flüssigkeiten in offenen Behältern dar, da dann zusätzlich unkontrollierte Schwappbewegungen vermieden werden müssen. Dies kommt beispielsweise zum Tragen, wenn etwa gefährliche Flüssigkeiten oder geschmolzene Metalle transportiert werden und ein Verschütten ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellt. Ebenfalls relevant ist der Einsatz von Regelungstechnik in der Medizintechnik beziehungsweise pharmazeutischen Produktion, wo offene Behälter oft sehr schnell beschleunigt oder abgebremst werden müssen.

Flüssigkeitswellen treffen auf Regelungstechnik

Ein Team im Forschungsbereich Regelungstechnik und Prozessautomatisierung (Institut für Mechanik und Mechatronik) entwickelte jüngst mehrere neuartige Regelungsverfahren, die es ermöglichen, offene Flüssigkeitsbehälter hochdynamisch zu bewegen ohne gleichzeitig die Flüssigkeit zum Schwappen anzuregen. Die Verfahren erlauben dabei eine beliebige räumliche Bewegung des Behälters und nutzen gleichzeitig die Bewegungsfreiheit des Transportsystems maximal aus, um die Flüssigkeitsbewegung zu verhindern. So konnten die Forschenden etwa demonstrieren, dass bei Verwendung eines mehrachsigen Industrieroboters zum Transport trotz hochdynamischer Bewegung des Behälters die Flüssigkeit nahezu unbewegt bleibt. Darüber hinaus konnte das Team zeigen, dass selbst heftige Schwappbewegungen innerhalb kürzester Zeit kontrolliert beendet werden können. Dies untersuchten sie in einem industriellen Transportsystem, das auf magnetischem Schweben beruht.

Bei seinen Untersuchungen entdeckte das Team eine dynamische Lagerungsbedingung für den Flüssigkeitsbehälter, die den ersten – und meist dominanten – Schwapp-Mode der Flüssigkeitsoberfläche vollständig eliminieren kann. Durch die Wahl eines speziellen Systemeingangs erhält der flüssigkeitsgefüllte Behälter zudem die wichtige Eigenschaft der differenziellen Flachheit, was das Design einer hochdynamischen Regelung entscheidend vereinfacht. „Durch die Vorgabe eines sogenannten differentiell flachen Ausgangs können auch komplexe räumliche Bewegungen des Behälters mit garantierter Unterdrückung der Flüssigkeitsbewegung problemlos bestimmt werden. Der Rechenaufwand hierfür ist verhältnismäßig gering“, erklärt Stefan Jakubek.

Das Problem der Behälterform

Wie stark eine Flüssigkeit schwappt, hängt maßgeblich von der Form des jeweiligen Behälters ab. Denn diese bestimmt die Randbedingungen, welche in Kombination mit den partiellen Differentialgleichungen der Fluiddynamik die Bewegung der Flüssigkeitsoberfläche festlegen. Da dieser Zusammenhang sehr komplex ist, konnten bislang generell nur Regelungsverfahren für Behälter mit relativ einfachen Formen angegeben werden. 

Dieses Problem konnte nun erstmals in Kooperation mit dem Forschungsbereich Messtechnik und Aktorik gelöst werden. Dort sind die Kompetenzen für Finite-Elemente-(FE)-Methoden für Mehrfeldprobleme gebündelt. „Ein regelungstechnisches Modell der Dynamik der Flüssigkeitsoberfläche in Behältern beliebiger Form kann nun automatisiert abgeleitet werden, indem wir anhand eines FE-Modells der Flüssigkeitsdynamik die resultierenden Fluidreaktionskräfte bestimmen“, sagt Florian Toth. Das Modell und seine Eigenschaft erlauben es, unmittelbar die Steuerungen für beliebige räumliche Bewegungen des Behälters zu berechnen. Wie effektiv dieser Lösungsansatz ist, konnte das multidisziplinäre Team am Beispiel eines gefüllten Cocktailglases demonstrieren, welches aufgrund seiner Form besonders stark zu instabilen Flüssigkeitsbewegungen neigt.

Für die Forschung bedeuten diese Resultate und der „Proof of Concept“ zum einen einen bedeutenden Fortschritt in der Kontrolle von Flüssigkeitsbewegungen in industriellen Anwendungen. Gleichzeitig eröffnen sie neue Möglichkeiten für eine präzisere und effizientere Handhabung von Flüssigkeitsbehältern unterschiedlichster Formen.

Schwappkontrolle im Video

Das folgende Video illustriert die neuen Regelungsmethoden und zeigt deren herausragende Performance:

Nach Aktivierung werden u. U. Daten an Dritte übermittelt. Datenschutzerklärung., öffnet in einem neuen Fenster

Schwappkontrolle

Rückfragehinweis

Prof. Stefan Jakubek
Institut für Mechanik und Mechatronik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 325510
stefan.jakubek@tuwien.ac.at