Unter dem Motto „„Refurbished Future - Werte, Ressourcen und Strukturen - ergänzen statt ersetzen“ findet an der Technischen Universität Wien heuer das 20. Internationale Industriebauseminar statt. Die Fachtagung findet alle zwei Jahre statt und wird vom Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement, Forschungsbereich für Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung/Prof. Christoph M. Achammer konzipiert.
Zur Feier des Anlasses finden die Vorträge und Diskussionen heuer im Kuppelsaal der TU Wien statt. Die traditionelle Key Lecture zum Auftakt der Veranstaltung im Audimax der TU Wien hält Architekt Stefan Behnisch.
Ergänzen statt ersetzen
„Die Welt – zumindest die in Europa – ist gebaut. Die Zukunft liegt in der Nutzung des Bestandes“, erklärt Achammer, denn Evolution statt Revolution wäre immer schon segensreicher für die Menschen gewesen. „Viele glauben, dass dies nun vermehrt auch für die gebaute Umwelt gilt. Die nicht vermehrbaren Güter werden knapp, und die Ökonomie zeigt uns Wege zur Bestandsnutzung. Eine geschichtslose Wertediskussion ist deshalb wertlos.“
Breite interdisziplinäre Diskussion
WissenschaftlerInnen aus Philosophie, Ökonomie und Politik, ArchitektInnen, IngenieurInnen sowie AnwenderInnen aus der Industrie werden an diesen drei Tagen darüber diskutieren, welche Chancen der Umbau und die Erweiterung bestehender Strukturen im Allgemeinen und in den baulichen Umgebungen im Besonderen bieten können. Die etwa zwanzig ReferentInnen werden den Themenkreis aus verschiedensten Perspektiven beleuchten, um ein ganzheitliches Bild entstehen zu lassen. Achammer: „Wir möchten, dass unsere breite und inter-disziplinäre Herangehensweise an das Thema Refurbishment in die Praxis umgesetzt wird – darin sehen wir eine große Notwendigkeit.“
Programminhalte
Der interdisziplinäre Bogen des Seminars spannt sich entlang der Bereiche „Werte“, „Ressourcen“ und „Strukturen“ von konkreten Errungenschaften aus Industrie und Gewerbe, Finanzwirtschaft und Politik, Denkmalpflege und Städtebau bis zu theoretisch-wissenschaftlichen Referaten und Visionen.
Die Vortragsblöcke werden durch spezifische Projektpräsentationen ausgewählter Architekturbüros ergänzt. Beispiele: Riepl Riepl Architekten stellen mit der Arbeiterkammer Linz ein gelungenes revitalisiertes Bestandsgebäude vor, betreut auch durch Karl Friedl, Moocon. Das Architekturbüro Poppe Prehal aus Steyr erläutert das Konzept von eco2building, dem ersten modularen Industrie-Holzbausystem in Passivhaus-Qualität. Britta Jürgens und Matthew Griffin von deadline Berlin sprechen über Urban Catalyst, bei dem es um temporäre Nutzungen im urbanen Raum geht. Die Architekten B. Medic und S. Rapaic von Architekten CIE Rotterdam Zagreb und Bojan Baletic, Rektor für Raumentwicklung Universität Zagreb stellen urbane Redevelopment Projekten in CEE vor, Martina Baum von der ETH Zürich widmet sich alten Gebäuden und neuen Ideen als Nährboden für Urbanität.
Im Bereich Industrie/Gewerbe erläutert Rolf Steinhilper, Professor für umweltgerechte Produktionstechnik an der Universität Bayreuth, unter dem Stichwort „Remanufacturing“ das Konzept des Forschungsprojekts reCore. Dabei geht es um die Entwicklung und Etablierung von neuen Methoden und technischen Lösungen für effiziente Abläufe und Prozesse in der Automobilindustrie. Wilfried Stadler, Wirtschaftspublizist und Honorarprofessor für Wirtschaftspolitik an der Wirtschaftsuniversität Wien, bis Mitte 2009 als Vorstandsvorsitzender der Investkredit, einer Spezialbank für Unternehmensfinanzierung in Wien, nähert sich dem Thema „Refurbished Future“ hingegen von Seiten des Finanzwesens: „Finanzmarktarchitektur - Generalsanierung oder Neuanfang“ titelt sein Vortrag.
Jenseits des Refurbishmentgedankens geht Paul Dobraszczyk von der britischen Universität Reading, wenn er über „Moderne Geisterstädte – Leben nach Tschernobyl“ referiert. Hier wird das Thema durch die rezenten Ereignisse in Japan aktuell und zugleich erschreckend hoffnungslos. Dobraszczyk schildert seine Eindrücke, die er im Jahr 2007 bei einem Besuch der ruinierten und verlassenen Stadt Pripyat und des Reaktors Tschernobyl gewonnen hat: „Die Stadt Pripyat wurde 1970 für die Arbeiter des nahe gelegenen AKWs Tschernobyl errichtet. Nun liegt die Stadt brach, nachdem 1986 der schwerste Nuklear-Unfall der Geschichte die Bewohner zur Flucht zwang. In den letzten Jahren wurden Tschernobyl und Pripyat zu ungewöhnlichen Tourismusdestinationen. Ich habe die Reise 2007 über ein Reisebüro aus Kiev gebucht. Pripyat zu besuchen war eine sehr beunruhigende Erfahrung, da die Stadt die größte existierende Ruine der Nachkriegszeit ist. Die leeren Straßen und Gebäude erinnern an unzählige ruinierte Städte in post-apokalyptischen Filmszenen und laden zu Meditationen über die Zerstörung der Stadt als Ganzes und vielleicht auch der Zivilisation selbst ein.“
Auftakt des Industriebauseminars ist die Key Lecture von Architekt Stefan Behnisch im Audimax der TU Wien am Abend des 18. Mai. Behnisch hat sich mit seinem Büro Behnisch Architekten mit Sitz in Stuttgart und zwei Büros in den USA mit dem Bau öffentlicher Gebäude, von Sportanlagen, Banken, Schulen, Museen sowie Bürogebäuden einen Namen gemacht. Der Umweltgedanke ist für ihn dabei nicht von Architektur zu trennen: „Wir mussten erkennen, dass die fossilen Energievorräte begrenzt sind. Andere Energiesorten sind entweder gefährlich oder wir können sie noch nicht ausreichend gewinnen. Um eine energetisch verantwortliche Nutzung unserer Ressourcen zu erreichen, müssen wir in der Planung und Realisierung unserer gebauten Umwelt neue Wege finden. Ein notwendiger Schritt hierzu ist die Modernisierung und technische Ertüchtigung der vorhandenen Gebäude, dessen was wir haben."
Aktuelle Programm-Informationen und Anmeldung: <link http: www.industriebauseminar.at>www.industriebauseminar.at
„Refurbished Future“
Erstellt von Stefan Faatz
Von 18. bis 20. Mai 2011 findet das 20. Internationales Industriebauseminar der TU Wien statt.