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Punktlandung im Atomgitter – neue Wege für bessere Katalyse und Gasdetektion

Innovative Methodenkombination erlaubt exakte Lokalisation von Einzelatomen in ultradünnen Materialien.

Schematische Darstellung der Materialmodifikation.

© David Lamprecht, Uni Wien

Links: MoS2 besteht aus abwechselnden Lagen von Schwefel- und Molybdänatomen. Mitte: Mithilfe von Helium-Ionen werden einzelne Atome aus dem Material entfernt. Rechts: Die Lücken werden anschließend mit Platinatomen gefüllt. Die eingebauten Atome interagieren stark mit Gasen aus der Umgebung zB. Wassergas. 

Einem Forschungsteam der Universität Wien und der TU Wien ist es gelungen, einzelne Platinatome gezielt in ein ultradünnes Material einzubauen – und erstmals mit atomarer Präzision nachzuweisen, welchen Platz im Gitter sie einnehmen. Möglich wurde das durch eine neu entwickelte Methodenkombination aus Defekterzeugung im Trägermaterial, kontrolliertem Einbau einzelner Platinatome und einem besonders kontrastreichen Elektronenbild-Verfahren ("Ptychographie"). Die im Fachjournal Nano Letters veröffentlichte Arbeit liefert neue Ansätze für gezielte Materialmodifikation.

Damit Materialien für Anwendungen wie Katalyse (Beschleunigung chemischer Reaktionen) oder den Nachweis bestimmter Gase besonders leistungsfähig werden, müssen sie maßgeschneidert auf atomarer Ebene verändert werden. Entscheidend sind dabei sogenannte aktive Zentren – winzige Stellen auf der Materialoberfläche, an denen chemische Reaktionen   ablaufen oder Gasmoleküle gezielt andocken können. Besonders wirkungsvoll sind solche Zentren, wenn sie aus einzelnen Metallatomen – wie z.B.Platin – bestehen. In der aktuellen Studie war es daher das Ziel, diese Art von Materialien herzustellen – und zugleich ihre Struktur auf atomarer Ebene sichtbar zu machen.

Ein scharfer Blick ins Atomgitter

Als Trägermaterial fungierte dabei Molybdändisulfid (MoS2), ein ultradünner Halbleiter, der sich durch seine gute Modifizierbarkeit auszeichnet. Um Platz für neue aktive Zentren zu schaffen, erzeugte das Forschungsteam durch Helium-Ionen-Beschuss mikroskopisch kleine Defekte ("Defect-Engineering") in der MoS₂-Oberfläche – z.B. Schwefellücken – und besetzte diese anschließend durch einzelne Platinatome. Mit diesem kontrollierten Austausch von Atomen im Gitter ("Dotierung") können die Eigenschaften von Materialien gezielt verändert werden.

Was bislang allerdings fehlte, war der präzise Nachweis, wo genau im Atomgitter die eingebrachten Fremdatome sitzen, denn mit klassischer Elektronenmikroskopie lassen sich verschiedene Defekttypen – etwa einfache oder doppelte Schwefellücken – aufgrund des zu geringen Kontrastes kaum unterscheiden. Die Forschenden setzten daher auf die "Single-Sideband-Ptychographie" (SSB), eine hochmoderne Bildgebungsmethode, die auf der Auswertung von Elektronenbeugungsmustern basiert. Studienerstautor David Lamprecht, der die Forschung an der Universität Wien begonnen und mittlerweile am Institut für Mikroelektronik der TU-Wien fortführt, erklärt: "Mit unserer Kombination aus Defect-Engineering, Dotierung und Ptychographie ist es uns gelungen, auch feine Unterschiede im Atomgitter sichtbar machen – und eindeutig zu belegen, ob ein Platinatom tatsächlich in eine Lücke eingebaut wurde oder nur locker auf der Oberfläche sitzt." Mithilfe von Computersimulationen konnten die verschiedenen Einbauorte (z. B. Schwefel- oder Molybdänstellen) exakt identifiziert werden – ein entscheidender Schritt für das gezielte Materialdesign.

Zwei Anwendungen, ein Atom

Die Kombination aus gezieltem Einbau und atomgenauer Bildgebung eröffnet neue Möglichkeiten für zwei zentrale Zukunftsfelder: Katalyse und Gassensorik. Einzelne Platinatome an genau definierten Stellen können als besonders effiziente Katalysatoren wirken – etwa bei der umweltschonenden Wasserstofferzeugung. Gleichzeitig lässt sich das Material so maßschneidern, dass es nur auf bestimmte Gasmoleküle reagiert. "Mit dieser Kontrolle über die Einbauorte können wir selektiv funktionalisierte Sensoren entwickeln – eine deutliche Verbesserung gegenüber bestehenden Methoden", betont Jani Kotakoski, Letztautor und Forschungsgruppenleiter an der Fakultät für Physik der Universität Wien.

Bausteine für funktionale Materialien

Die vorgestellte Methodenkombination lässt sich nicht nur auf Platin und MoS2 anwenden, sondern prinzipiell auf viele weitere Kombinationen aus 2D-Materialien und Dotieratomen übertragen. Künftig soll der Ansatz weiterentwickelt werden – etwa durch feinere Steuerung der Defektbildung oder zusätzliche Nachbehandlungen. Ziel ist es, funktionale Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften zu entwickeln, bei denen jedes einzelne Atom am richtigen Platz sitzt.

Originalpublikation

Uncovering the atomic structure ofsubstitutional platinum dopants in MoS2 with single-sideband ptychography. David Lamprecht, Anna Benzer, Manuel Längle, Mate Capin, Clemens Mangler, Toma Susi, Lado Filipovic, and Jani Kotakoski. In Nano Letters. DOI: 10.1021/acs.nanolett.5c00919 , öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Rückfragehinweis

David Lamprecht, MSc
Institut für Mikroelektronik
Technische Universität Wien
1040 Wien, Gußhausstraße 27-29 / E360
+43 1 58801-36035
lamprecht@iue.tuwien.ac.at

Dr. Jani Kotakoski
Physik Nanostrukturierter Materialien, Fakultät für Physik,
Universität Wien
1090 Wien, Boltzmanngasse 5
M +43-664-60277-514 44
jani.kotakoski@univie.ac.at
 

Text: Universität Wien