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Neue Kreissäge vermeidet Verletzungen

Wenn sich ein Finger nähert, verschwindet das Sägeblatt: Eine neue Sicherheitstechnologie für Kreissägen entwickelte die TU Wien in Zusammenarbeit mit der Felder Group.

Helmut Caudr (links) und Thomas Weiler

Helmut Caudr (links) und Thomas Weiler

Foto: TU Wien, Abdruck honorarfrei

Ein bisschen Gefahr ist stets dabei, wenn man an einer Kreissäge arbeitet. Leider kommt es immer wieder zu folgenschweren Unfällen – oft lassen sich verletzte Finger nach einem Kreissägen-Unfall nicht mehr retten. Damit es in Zukunft nicht mehr so weit kommt, hat man an der TU Wien eine revolutionäre Sicherheitstechnologie entwickelt: Materialien wie Holz werden von der Säge wie gewohnt zerteilt, doch sobald sich ein Finger nähert, wird er erkannt und das Sägeblatt verschwindet blitzartig im Gehäuse des Geräts. Die Erfindung wurde von der TU Wien patentiert, von der Firma Felder wird die Technologie nun kommerziell verwertet.

Sicher und alltagstauglich

„Es gibt schon seit 1960 Versuche, aktive Sicherheitstechnik in Kreissägen einzubauen“, sagt Thomas Weiler vom Institut für Fertigungstechnik und Photonische Technologien der TU Wien. „Die bisherigen Systeme reagieren allerdings erst, wenn das Sägeblatt tatsächlich direkten Kontakt mit menschlichem Gewebe hat, doch dann ist es eigentlich schon zu spät. Die Notbremsung muss extrem abrupt erfolgen, um keine tiefergehenden Verletzungen zu riskieren. Derart intensive Bremsvorgänge führen zu Beschädigungen am Sägeblatt und erfordern auch den Austausch der verwendeten Bremseinheit.“ Das Team der TU Wien wollte stattdessen eine Lösung finden, die in der Industrie auch wirklich auf große Zustimmung stößt – die also einerseits Finger zuverlässig schützt und andererseits auch keine hohen Kosten verursacht.

„Die entscheidende Idee war, das Sägeblatt selbst als kapazitiven Sensor zu verwenden“, sagt Thomas Weiler. Ähnlich wie eine Antenne wird das Sägeblatt elektrisch zum Schwingen gebracht – und diese elektrische Schwingung wird davon beeinflusst, ob ein menschlicher Körper in der Nähe ist oder nicht.

Man kennt den Effekt von Radiogeräten mit schlechtem Empfang: Manchmal kann man ein störendes Rauschen hören, wenn man sich der Antenne nähert oder sich von ihr entfernt. „Der menschliche Körper kann elektrischen Strom leiten, und daher kann es auch zu einer Wechselwirkung zwischen einer Antenne und dem menschlichen Körper kommen, zumindest auf kurze Distanz“, erklärt Thomas Weiler. „Nähert sich ein Finger dem Sägeblatt an, beeinflusst das die elektrische Schwingung im Sägeblatt. Das kann man detektieren, und es kommt zur Notabschaltung.“

Es ist nicht ganz einfach, einen menschlichen Finger zuverlässig von anderen Objekten zu unterscheiden – eine ausreichend große Menge Holz könnte einen genauso großen kapazitiven Einfluss haben wie der Arm eines Menschen. „Dieses Problem lösen wir durch die Geometrie des Sägeblattes. Wir können Fluktuationen der elektrischen Schwingung erkennen, die im Bereich der Zahneingriffsfrequenz liegen. Dies ist die Frequenz, mit der die Zähne eines Sägeblattes an einem fixen Punkt im Raum vorbeikommen.“, sagt Thomas Weiler. „Nähert sich ein Finger, dann bemerkt man, dass sich punktuell ein Objekt mit höherer Leitfähigkeit nähert. Ein feuchter Baumstamm, der das Sägeblatt insgesamt ähnlich stark beeinflussen könnte, wirkt sich großräumiger aus. Dadurch hat der Finger eine andere Signatur als ein Holzstück, das geschnitten werden soll.“

Patentiert und kommerziell erhältlich

Die Sensorik zur Detektion von menschlichem Gewebe im Nahbereich einer Säge wurde von der TU Wien bereits patentiert – ebenso wie eine zweite Erfindung, die für das Gelingen des Projekts nötig war: Es genügt schließlich nicht, die Gefahr zu erkennen, das Gerät muss auch korrekt und mit extrem kurzer Latenzzeit darauf reagieren. An der TU Wien wurde daher ein spezieller elektromagnetischer Aktor entwickelt, der das Sägeblatt in das Innere des Gerätes verschwinden lässt. Die Bewegung wird bereits in der ersten Millisekunde nach dem Erkennen des herannahenden Fingers eingeleitet. Nach ungefähr fünf Millisekunden hat das Sägeblatt die Fluchtgeschwindigkeit erreicht - das bedeutet, dass sich das Sägeblatt jetzt schneller von der Hand entfernt, als der Mensch in Richtung Sägeblatt greifen kann.

Wichtig hierbei ist, dass die Rückzugsbewegung des Sägeblatts zwar hochdynamisch aber doch auf kontrollierte Art und Weise geschieht. Die Säge wird nicht beschädigt und die Maschine ist auf Knopfdruck innerhalb weniger Sekunden wieder einsatzbereit.
Technologisch umgesetzt und vermarktet wird die neue Sicherheits-Kreissäge nun von der Firma Felder, die den Entwicklungsprozess von Anfang an unterstützt hat. „Wir freuen uns sehr, dass wir den Weg von der wissenschaftlichen Grundidee zur Markteinführung eines kommerziellen Produktes geschafft haben“, sagt Thomas Weiler. „Wir hoffen, dass sich die Technologie rasch durchsetzt, sodass möglichst viele Unfälle verhindert werden können.“

Die Patentierung der Technologie erfolgte mit Unterstützung des Forschungs- und Transfersupports der TU Wien., öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster


Kontakt:

Dipl.-Ing. Thomas Weiler
Institut für Fertigungstechnik und Photonische Technologien
Technische Universität Wien
Getreidemarkt 9, 1060 Wien
T: +43-1-58801-31126
thomas.weiler@tuwien.ac.at

Aussender:
Dr. Florian Aigner
PR und Marketing
Technische Universität Wien
Resselgasse 3, 1040 Wien
T: +43-1-58801-41027
florian.aigner@tuwien.ac.at