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Nachruf für Em. o. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Wilhelm von der Emde

Ein Pionier der interdisziplinären Forschung und Lehre im Bereich der biologischen Abwasserreinigung und des Gewässerschutzes

Portrait Wilhelm von der Emde

Wilhelm von der Emde

Em. o. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Wilhelm von der Emde (14. Mai 1922–19. Februar 2020) Foto: Wikipedia | CC BY-SA 3.0 de

Mit dem Tod von Prof. Wilhelm von der Emde verlieren wir eine Persönlichkeit, die viele Menschen und viele Entwicklungen bis heute geprägt hat.

Wilhelm von der Emde wurde im Jahre 1922 als jüngstes Kind einer kinderreichen Familie in Kassel geboren. Er wuchs dort in einem Bäckereibetrieb, also einem Familienunternehmen, in einer turbulenten Zeit der Geschichte auf. Am 19. Februar 2020, also in seinem 98. Lebensjahr, ist er nach einem wechselvollen aber auch sehr erfolgreichen Leben von uns gegangen. Die Trauer über diesen Verlust wird für die Fachwelt und insbesondere für seine Schüler_innen und Nachfolger_innen leichter erträglich werden, weil Wilhelm von der Emde sowohl als Mensch als auch als Fachmann viele bleibende Spuren hinterlassen hat, die mit seinem Tod nicht verloren gehen werden. Sein Wirken und seine Werke leben und entwickeln sich weiter.

Im 2. Weltkrieg als Soldat eingezogen wird er dort schwer verletzt und kann noch während des Krieges sein 1940 begonnenes Bauingenieurstudium an der Technischen Hochschule Hannover weiterführen und 1948 abschließen. Spezialisiert im Bereich Stahlbau fand er dann seine erste Anstellung im Ingenieurbüro Dr.-Ing. Dietrich Kehr in Hannover. Nach Berufung von Dr.-Ing. Kehr an die Technische Hochschule Hannover wurde er dann Assistent und Oberassistent an dessen Institut für Siedlungswasserwirtschaft. Dort entwickelte Wilhelm von der Emde seine Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der biologischen Abwasserreinigung, die zu seiner Dissertation „Beitrag zu Versuchen zur Abwasserreinigung mit belebtem Schlamm“ führte. Sie wurde mit dem prestigeträchtigen Dr. Karl Imhoff Preis ausgezeichnet. Das Preisgeld verwendete Wilhelm von der Emde für eine Studienreise nach England, dem Geburtsland der biologischen Abwasserreinigung. Es folgten ebensolche Reisen in die USA.

Mit diesem fachlichen Hintergrund begann seine Karriere in der Praxis der Stadtentwässerung Hamburg. Dort war er maßgeblich für die Planung der Großkläranlage Köhlbrandhöft verantwortlich. Dies führte auch zu seinen ersten Kontakten mit der für das Abwasser verantwortlichen Magistratsabteilung der Stadt Wien. Neben seiner Tätigkeit bei der Stadt Hamburg unterrichtete Wilhelm von der Emde in Delft beim European Course in Sanitary Engineering. Dort, so hat Wilhelm von der Emde mehrfach erzählt, erreichte ihn 1964 die Nachricht von seiner Berufung an die TU Wien für das Fachgebiet „Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz“, der er schließlich folgte.

Pionierarbeit

Für uns junge Studierende des Bauingenieurwesens im Jahre 1964 wurde damit ein Fachgebiet neu geschaffen, von dem wir nicht einmal geträumt hätten. Bau von Becken und Leitungen, ja, aber Verfahrenstechnik mit Chemie und Biologie für den Schutz unseres wichtigsten Lebensmittels und der natürlichen Biozönosen, das waren ganz neue Aufgaben. Die Umsetzung von gesetzlichen Vorgaben war zwar durch das Wasserrechtsgesetz 1959 schon in Ansätzen im Gange, aber die flächendeckende Umsetzung der Maßnahmen zur Abwasserreinigung und dem Gewässerschutz in ganz Österreich in den nächsten Jahrzehnten war damals noch nicht abzusehen. Diese sehr erfolgreiche Entwicklung in Österreich und ganz Europa hat Wilhelm von der Emde nachhaltig geprägt und seine Leistungen tun dies noch heute. Das 1964 gegründete Institut war das erste Institut an der Fakultät mit fundamental interdisziplinärer Lehre und Forschung. (Mikrobiologie, Hygiene, Chemie). Es war die Keimzelle für Umweltschutztechnik, Abfallwirtschaft, Ressourcenmanagement und schließlich des 2019 installierten Studienganges Umweltingenieurwesen.

Wilhelm von der Emde hat sofort erkannt, dass die Umsetzung der gesetzlichen Maßnahmen in die Praxis nicht nur eine enge Verbindung mit Forschung und Lehre an den Universitäten erfordert, sondern auch den Aufbau eines umfangreichen Aus- und Fortbildungsangebotes für Planer_innen, Fachbeamt_innen und Betreiber_innen von Kläranlagen, was in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Wasserwirtschaftsverbandes bis heute sehr erfolgreich weiterentwickelt wird. Damals war es Pionierarbeit. Das gilt auch für den Erfahrungsaustausch auf nationaler und internationaler Ebene. Das umfangreiche Netzwerk von Wilhelm von der Emde im deutschen Sprachraum, aber auch in Großbritannien und den USA, erwies sich als sehr erfolgreich.

Wilhelm von der Emde war einer der Initiatoren für die Gründung der International Water Association mit ca. 10.000 Mitgliedern weltweit sowie einer speziellen Fachgruppe für Planung, Bau und Betrieb von Großen Kläranlagen, deren 13. Fachkonferenz (seit 1971) im heurigen Mai an der TU Wien stattfinden wird.

Wilhelm von der Emde hatte eine sehr strenge Auffassung von Wissenschaftlichkeit, das haben seine Mitarbeiter_innen am Institut manchmal schmerzlich erfahren, aber damit verbunden war ein hervorragender Lerneffekt. Seine persönliche Vorliebe in der Forschung lag wohl in der Reinigung von kommunalen und industriellen Abwässern mit dem Belebungsverfahren. Dort hat er auch hohe internationale Anerkennung erfahren. Er hat dabei aber nie die großen Zusammenhänge zwischen Planung, Bau und Betrieb der Kläranlagen und dem Ziel des Gewässerschutzes aus den Augen verloren. Seine umfangreiche Publikationsliste, die vielen technischen Berichte und die Themen seiner Dissertant_innen legen davon Zeugnis ab.

Die meisten großen Kläranlagen in Österreich und auch etliche weltweit zeigen seine „Handschrift“. Ganz besonders gilt dies für die Kläranlagen von Wien, zuerst die Kläranlage Blumental und heute die Hauptkläranlage in Simmering, eine der ganz großen Kläranlagen weltweit, deren Entwicklung vom Beginn der Planung in den späten 1960er Jahren bis heute maßgeblich und teilweise bis ins Detail von ihm mitgestaltet worden ist. Er war ein hervorragender planender Ingenieur, der mit geradezu unvorstellbarer Geduld darum gerungen hat, den Bau und Betrieb so einfach, preiswert und betriebssicher wie möglich zu machen. Das war für alle seine Schüler_innen ein relevanter Teil des Lernens und sehr wichtig für viele Projekte in der Praxis.

Bis zu seinem Tod hat Wilhelm von der Emde das Interesse an seinem Fachgebiet wachgehalten. Immer wieder hat er Daten angefordert, die er dann analysiert und daraus Schlüsse gezogen hat. Er hat auch noch im hohen Alter einschlägige Fachveranstaltungen an der TU Wien und in ganz Österreich besucht, wo er mit seinen Schüler_innen, Fachkolleg_innen und den Klärwärter_innen den Kontakt gehalten hat. Er hat damit viel dazu beigetragen, eine Atmosphäre zu schaffen, die der Lösung des gedeihlichen Zusammenlebens von Menschen und der Natur förderlich ist.

Es liegt an uns, seine Leistungen, Werke und Ideen weiterzuentwickeln, eingedenk einer Persönlichkeit, der wir zu tiefem Dank verpflichtet sind und der wir hohe Anerkennung zollen wollen.

 

Verfasst von Em. Univ. Prof. Dr. Helmut Kroiss